Essen & Trinken Deutsches Wagyu gegen japanisches Kobe
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Ein Jahr ist es nun her, seitdem Japan den Export von Kobe-Rindern nach Europa erlaubt hat. Das hat sich in dieser Zeit getan: Der Markt für Premium-Fleisch ist in Bewegung gekommen. Deutsche Züchter halten mit Wagyu-Rindern dagegen. Mit tierischer Wellness – – ziehen sie absolute Top-Qualität heran. Im Herbst findet in Münster sogar die erste Wagyu-Rinder-Auktion in Deutschland statt.
Die Leute auf dem Hof Wagyu Münsterland haben viel zu tun: Nachtbeleuchtung anschalten, damit sich die sensiblen Wagyu-Rinder nicht fürchten; dann die beheizte Tränke kontrollieren, warmes Wasser ist schließlich magenschonend. Wenigstens springen die Massage-Rollen automatisch an, wenn die Rinder die Maschine anstupsen. Das Wellness-Programm ist Standard in jedem besseren Hof. Einige Züchter haben sogar eine Fußbodenheizung eingebaut, damit es auch nachts kuschelig warm bleibt.
Verwöhnprogramm fürs Rind
Natürlich darf Relax-Musik nicht fehlen: The Sound of Silence und überhaupt alles von Simon and Garfunkel sorgen für Rinderglück. "Auch Beethoven und Mozart funktionieren prächtig", sagt Wagyu-Züchterin Melanie Holtmann im Gespräch mit wanted.de. Sie betreibt in Münster mit ihrem Mann Reinhard einen der führenden >>
Wagyu-Betriebe in Deutschland. Die Tiere bekommen dort auch eine große Portion Liebe - ein wenig hinter den Ohren kraulen, schon sind die Rinder happy. Mit diesem Verwöhnprogramm entwickelt sich im Laufe der dreijährigen Aufzucht - bei herkömmlichen Rindern ist es nur die Hälfte der Zeit - eine sehr innige Beziehung zu den Rindern. Und ein von Stresshormonen freies, mega-zartes Fleisch. Ideal also zum Grillen.
Das Schlachten der Ochsen - das sind kastrierte Stiere - gehört am Ende des Liedes leider auch bei Wagyu Münsterland mit dazu. Der Züchter bringt die Rinder einen Tag vor dem Ableben in den Schlachthof, damit sich die Tiere an den neuen Ort gewöhnen und auch auf den letzten Metern kein Stress entsteht. Das Ergebnis ist ein absolutes Premium-Fleisch. Und das hat seinen Preis: Deutsches Wagyu kostet rund 300 Euro pro Kilogramm, eine hohe Rippe mit Knochen rund 95 Euro, ein 200-Gramm-Rumpsteak etwa 60 Euro. "Der Absatz zieht rasant an", freut sich Melanie Holtmann. Denn Wagyu-Fleisch erobert inzwischen die Premium-Restaurants: Die durchgehende Marmorierung mit dem Geschmacksträger Fett bringt Feinschmecker zur Verzückung. >>
Die Bauern verzichten für die Delikatesse auf künstliche Wachstumshormone und Antibiotika. Wagyu-Fleisch ist fast so gesund wie Olivenöl, es hat im Vergleich zu anderen Rinderrassen einen bis zu 50 Prozent höheren Anteil an ungesättigten Fettsäuren. Wagyu Münsterland verfüttert Biertreber, das ist ein Restprodukt aus der Bierherstellung. "Alkohol ist nicht mehr enthalten, allerdings bleibt die entspannende Wirkung, auch regt die Maische den Appetit an."
Und dann stand die Konkurrenz aus Japan vor der Tür
Vor einem Jahr ist dann für die Wagyu-Züchter die Konkurrenz aus Japan gekommen: Seit Mitte Juli 2014 erlaubt Tokio den limitierten Export von japanischem Kobe-Rind. Diese zählen zwar zu den Wagyu-Rindern, stammen aber aus der Region um die Stadt Kobe und aus der der Präfektur Hyogo. Daher ist Kobe immer Wagyu, Wagyu ist aber nicht Kobe. Die Wagyu- Rasse wird auf Japanisch Tajima-Ushi genannt - japanisches Schwarzvieh. Das Besondere: Die Rasse wurde in ihrer langen Geschichte kaum gekreuzt und nur als Arbeitstier eingesetzt. Denn der Verzehr war nach den Gesetzen des Buddhismus in Japan verboten. Erst nach der erzwungenen Öffnung der Insel 1868 wurde die Rasse in der Zucht eingesetzt. Heute gibt es drei Wagyu-Rassen: Japanese Black (Kuroge Wagyu), Japanese Shorthorn (Tankaku Wagyu) und Japanese Brown (Akage Wagyu). Japanese Black dominiert den Markt. Eine Sorte Kobe wird übrigens immer noch nur in Japan verkauft: Matsusaka stammt von weiblichen Rindern und soll ultra-zart sein.
Melanie Holtmann sieht den Auftritt des japanischen Super-Fleischs in Deutschland positiv. Zuerst werde das Fleisch verkauft, dann Spermien und lebende Rinder folgen, vermutete die Expertin. "Dies wird unseren Genpool auffrischen und Inzucht verhindern." Dafür mussten aber zunächst EU-zertifizierte Schlachthäuser geschaffen werden, in denen das Kobe-Fleisch verarbeitet und für den europäischen Markt exportfertig gemacht werden kann. Ein Jahr nach Markteinführung in Deutschland führt Kobe-Fleisch aber noch immer ein Nischendasein. Nicht allen Fleischliebhabern ist es ein Begriff. Aber trotz des hohen Preises (japanisches Wagyu-Fleisch kostet zwischen 300 und 600 Euro pro Kilogramm) ist das Edelfleisch trotzdem immer schnell ausverkauft. >>
Der Legende nach werden Kobe-Rinder mit dem japanischen Reiswein Sake besprüht und täglich bis zu drei Stunden von Hand massiert. Erst in den 1990er Jahren gelangten Züchter aus den USA in den Besitz einiger Edel-Tiere - die Basis für den heutigen internationalen Wagyu-Bestand. Die größten Herden außerhalb Nippons finden sich in den USA, Australien und Kanada.
Im vergangenen Jahr habe sich erstmals eine Käuferschicht für das Luxusgut Kobe-Fleisch entwickelt, lässt der Premiumfleisch-Lieferant Gourmetfleisch.de verlauten. "Wir gehen davon aus, dass sich in Deutschland in den nächsten Jahren eine stetig wachsende Stammkundschaft für Kobe-Fleisch etablieren wird", heißt es in einer Pressemitteilung. Ähnlich zaghaft zog anfangs das Geschäft mit Wagyu an. In Deutschland kamen erst 2006 die ersten Wagyu-Tiere zur Welt. Die Züchter arbeiten hierzulande gerade am Aufbau einer Wagyu-Population. Dazu werden Trägerkühen anderer Rassen importierte Wagyu-Embryonen implantiert – Stückpreis 800 bis 1000 Euro. Bei Wagyu Münsterland tragen aktuell 55 Leihmütter ein Wagyu-Kalb aus.Nun gibt es im Herbst dieses Jahres erstmals eine Auktion für die raren Rinder in Deutschland. Auf der European Wagyu Gala in Münster versteigern Züchter 35 Zuchttiere und 15 Embryonenpakete.
Fleisch so zart wie Pudding
Melanie Holtmann blickt optimistisch nach vorne: "Wir müssen die Konkurrenz aus Japan, aber auch aus den USA, Australien, Argentinien oder Kanada nicht fürchten – nirgends sind die Gesundheitsregeln so streng wie in Deutschland; die Rinder aus Kobe sind zudem zu fett, sie haben keinerlei Auslauf, was bei uns wegen der Tierschutz-Regeln gar nicht geht." Viele deutsche Züchter und auch Gourmets teilen diese Meinung. Tatsächlich werden Kobe-Rinder in ihren letzten sechs Monaten in Japan in eine enge Box gestellt. Dadurch erreicht das Fleisch oft die höchste Maserungsstufe 12 und ist so zart, dass es sich mit dem Löffel essen lässt – purer Fleischpudding. Echten Feinschmeckern reichen 8 bis 10, denn schließlich soll ein Bissen noch ein wenig Widerstand im Mund bieten.
Kein Wunder also, dass sich Melanie Holtmann und ihr Mann auf eine steigende Nachfrage nach ihrem agilen heimischen Vieh einrichten. Das Fazit für Gourmets: Die Konkurrenz aus Japan hat den Markt für Premium-Fleisch belebt aber die deutschen Rinder nicht verdrängt. Tierische Einblicke finden Sie in unserer Fotoshow.