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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Essen & Trinken Dry Aged Beef – Ganz besonderes Fleisch
ist bei Feinschmeckern buchstäblich in aller Munde. Das Fleisch ist zart, enorm teuer – und am Anfang doch recht gewöhnungsbedürftig. wanted.de hat sich schlau gemacht und einen der Top-Feinschmecker Deutschlands befragt.
Trocken abgehangen, Wochen alt, verschrumpelt wie ein Schinken, schwarz wie eine Blutwurst, außen hart wie eine alte Brotkruste. In die Nase steigt ein Geruch von Moschus, Schimmel und alter, modernder Wäsche. Das alles ist Dry Aged Beef. Jetzt läuft Gourmets das Wasser im Munde zusammen – und Einsteiger rümpfen erst einmal die Nase.
Indianer trockneten ihr Fleisch
Natürlich kommt der Trend aus den USA, die Technik an sich ist schon uralt: Wer in den Südwesten der USA reist, der sollte sich in Arizona oder Utah in den Indianer-Reservaten umschauen. Hier werden viele kleine Snacks verkauft, die an den Ursprung dieser Fleisch-Spezialität erinnern: Beef-Jerkey. Das ist schlicht getrocknetes Fleisch, meist vom Rind, manchmal vom Büffel, einem Schinken aus unseren Breitengraden durchaus ähnlich. In der Sonne getrocknet, mitunter geräuchert, manchmal gepökelt - >>
so konnten die Navajo oder Apatschen schon lange vor der Erfindung der Kühlschränke ihr Fleisch haltbar machen.
Doch auch in Frankreich war das Abhängen von Wild unter dem Namen Hautgout bekannt, das ging bis zur beginnenden Verwesung. Und in Deutschland ließen Metzger bis in die Fünfziger Jahre hinein das Fleisch ebenfalls am Knochen reifen.
Vakuum-Verpackung brachte Wandel
Erst mit der Erfindung der Vakuum-Verpackung war die Trocknung passé. Metzger konnten schließlich mit ungetrocknetem Fleisch und weniger Arbeit mehr verdienen, denn in den Fasern steckt mehr Wasser, was beim Verkauf mehr Gewicht brachte. Damit setzte das Wet-Aging ein: Dabei reift das Fleisch in einer Vakuum-Verpackung. Das Fleisch verliert dabei zwar weniger Feuchtigkeit, schmeckt aber leicht metallisch und hat sich im Gourmet-Markt nicht durchgesetzt. >>
In den vergangenen Jahren wurde Trockenreifung wiederentdeckt, als Vorreiter gilt Peter Luger in New York, dessen Steak-Haus seit 1887 existiert. Noch heute ist der Big Apple das Mekka der Dry Age-Jünger: Hier gibt es genügend Kühlhäuser und aus der Prärie liefern riesige Rinderherden schnell genügend Nachschub an bestem Fleisch.
Renaissance des Dry Age Beef
Die Reifung selbst läuft so ab: Nach dem Schlachten erlahmt der Stoffwechsel – das Fleisch wird in der Totenstarre zunächst hart und steif wie altes Leder. Dann beginnt die Arbeit des Glykogen, die Stärke dient als Energiereserve: Sie wird mithilfe von Sauerstoff zu Milchsäure umgewandelt. Durch die Säuerung des Fleisches werden wiederum Enzyme aktiviert, die sogenannte Proteasen. Sie spalten die starren Verbindungen zwischen den Muskelproteinen und machen das Fleisch schließlich mürbe und zart.
Für dieses aufwändige Verfahren werden heute nur noch die edelsten Stücke des Rindes ausgewählt. Wichtig ist eine starke Luftzirkulation, damit das Knochenmark nicht fault. Außerdem darf bei der Trocknung kein Licht in den Raum hinein, weil auch das UV-Licht dem Fleisch zusetzt. Haben die Stücke ihren optimalen Reifezustand erreicht, werden Sie in einzelne Schnitte zerlegt und die äußere Schicht entfernt. Anschließend werden sie wie ein normales Steak zubereitet.
Tipps vom Feinschmecker
Massen-Produktion gibt es bei einem Dry Aged Steak nicht, erläutert Stephan Otto, Co-Chef des Online-Versandhändlers Otto Gourmet, auf Anfrage von wanted.de. "Bei Dry Aged Beef gibt es keinen standardisierten Prozess, sondern jeder versucht, sein Fleisch, optimal zu reifen."
Die Temperatur bei der Reifung bewegt sich zwischen zwei und vier Grad - je höher, desto schneller die Reifung. Die Luftfeuchtigkeit muss laut Otto zwischen 75 und 90 Prozent betragen, >>
je höher die Feuchtigkeit, desto niedriger der Gewichtsverlust durch die Reifung. "Alles in allem muss das Stück Fleisch zwischen 14 Tagen und sechs Monaten lagern, um die optimale Kombination aus Zartheit und Geschmack zu finden."
Bei Otto Gourmet ist das bestverkaufte Dry Aged Beef das "Irish Beef Hereford Prime Ribeye Dry Aged". Als persönliches Highlight nennt der Chef ein Steak, das er in den USA gegessen hat: Wagyu Beef Private Selection, 90 Tage Dry Aged. Um den intensiven Geschmack zu erhalten, sollten Gourmets die Steaks einfach mit Salz genießen. Gewürze werden sowieso von der strengen Geschmacksnote aus dem Weg geräumt – es sei denn, es handelt sich um Trüffel.
Edelschimmel macht das Fleisch zart
Die Krönung des edlen Fleisches ist der Schimmel: Die Pilzsporen durchdringen die Fasern und töten zum einen Bakterien ab. "Je nach Raumklima ergänzen edle Schimmelpilze den Reifeprozess und verleihen dem Fleisch ein intensiveres Geschmacksbild." Als besonderen Renner nennt Otto das Schweizer Luma Beef: Die Firma liefert Fleisch, das am Knochen vier bis sieben Wochen lang reift – und dann kommt der von Luma patentierte Edelschimmel zum Einsatz. Der durchwächst das Fleisch und baut das zähe Bindegewebe ab – das Fleisch wird enorm zart, bleibt saftig und bekommt zudem einen nussigen Geschmack.
Bleibt am Ende nur der Selbsttest. Natürlich hat dieser Genuss seinen Preis: Je nach Qualität und Aufwand kostet ein Kilogramm Dry Aged Beef zwischen 60 und 550 Euro. Doch das ist dieses Top-Fleisch auch wert.