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Im Meer, im Boden, in der Luft
Diese Folgen hat Plastik für die Umwelt


23.07.2018Lesedauer: 6 Min.
Umweltverschmutzung: Drei Möwen stehen auf einem Berg aus Müll.Vergrößern des Bildes
Umweltverschmutzung: Drei Möwen stehen auf einem Berg aus Müll. (Quelle: choice76/getty-images-bilder)
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Plastik ist kostengünstig in der Herstellung und langlebig. Aber genau das macht es auch zum Problem. Kunststoffe brauchen Jahrhunderte, um sich zu zersetzen. Mittlerweile finden sie sich überall in unserer Umwelt – nicht nur in den Meeren, sondern auch im Boden und in der Luft, die wir atmen.

Plastik ist praktisch. Der Kunststoff ist günstig in seiner Herstellung, robust und langlebig. Aber Plastik ist auch ein Problem. Nämlich dann, wenn er nicht mehr gebraucht wird, wenn er vom Nutzgegenstand zu Abfall wird. Die Gründe dafür sind im Grunde die gleichen, die Plastik praktisch machen.

Denn dass Kunststoffe günstig in ihrer Herstellung sind, führt dazu, dass viel von ihnen produziert wird. 245 Millionen Tonnen weltweit, um genau zu sein. Davon 60 Millionen Tonnen allein in Europa. Dort verbraucht laut Bund für Umwelt und Naturschutz mit 12,6 Tonnen kein anderes Land soviel Plastik wie Deutschland.

Hierzulande hat sich die Kunststoffabfallmenge im Zeitraum von 1994 bis 2015 von knapp drei auf fast sechs Millionen Tonnen pro Jahr verdoppelt. Recycelt werden 46 Prozent des Plastikmülls.

Gleichzeitig benötigen Kunststoffe sehr lange, um sich zu zersetzen. Eine Flasche aus dem Material etwa benötigt bis zu 450 Jahre. Ob die Zersetzung komplett gelingt, ist fraglich: Experten gehen davon aus, dass das Mikroplastik zwar kontinuierlich kleiner, aber nie vollständig abgebaut wird.

Und da das Material über alle möglichen Eintragswege in die Umwelt gelangt, findet sich mittlerweile Mikroplastik in den Meeren, im Boden und sogar in der Luft.

Man unterscheidet zwischen primärem und sekundärem Mikroplastik. Primäres Mikroplastik meint feines Kunststoffgranulat, das von der Industrie so hergestellt wurde. Es findet zum Beispiel in Peelings und anderen Kosmetikprodukten Verwendung. Sekundäres Mikroplastik entsteht durch den Zerfall von Plastikprodukten, die unfachgerecht entsorgt wurden, so genanntem Makroplastik. Witterung, Sonnenlicht und Salzwasser haben bei der Zersetzung einen Einfluss. Eine kleinere Menge entsteht auch durch die Nutzung von Plastik – zum Beispiel durch Autoreifenabrieb, Schuhabrieb, künstlichen Sportfeldern oder das Waschen von synthetischen Fasern.

Plastik im Meer: Eine Gefahr, die immer weiter wächst

In europäische Meere gelangen jährlich 150.000 bis 500.000 Tonnen Plastik. "Kunststoffe sind nur ein Material von vielen, die sich in den Meeren befinden", sagt Stefanie Werner vom Umweltbundesamt (UBA). Aber es handele sich dabei um das klar dominierende Material: "Etwa 75 Prozent aller Fundstücke in der Meeresumwelt bestehen aus Kunststoffen." Im Mittelmeer befinden sich dem WWF zufolge sieben Prozent des weltweiten Mikroplastiks. Und das, obwohl dieses Meer nur ein Prozent des Wassers auf der Erde enthalte.

Manche Kunststoffe wie zum Beispiel PVC, sinken in den Meeren zum Boden. Teilweise siedeln sich Teilchen auf ihnen an. Andere, wie PE und PET treiben durch ihre Dichte auf der Meeresoberfläche. Mit der Meeresströmung werden sie in andere Meere und an Strände weitergetragen. Und zwar bis in die letzten unberührten Regionen hinein: Selbst in Wasserproben aus der Antarktis fand die Umweltorganisation Greenpeace kürzlich Mikroplastik.

Und natürlich bleiben auch die Meere, die an Deutschland grenzen, vom Plastikwahnsinn nicht verschont. Am Nordseestrand wurden bei Monitoringaktivitäten im Schnitt 390 Müllteile pro 100 Meter Küstenlinie gefunden – rund 90 Prozent davon aus Kunststoffen. An der Ostseeküste waren es deutlich weniger.

Die Kunststoffe gelangen auf unterschiedlichen Wegen in die Meere. Plastik in der Nordsee stammt zu einem großen Teil aus so genannten "seebasierten Quellen", also vorwiegend aus der Fischerei und Schifffahrt, wie Stefanie Werner vom Umweltbundesamt berichtet. "Zum einen sind das an Bord anfallende Abfälle, die natürlich eigentlich entsorgt werden müssten", sagt die wissenschaftliche Mitarbeiterin. Zum anderen fallen Netzschnipsel bei Reparaturen ab, die teilweise über Bord gehen, und Kunststoffnetze gehen verloren oder werden bewusst zurückgelassen. In die Ostsee gelangen Kunststoffe häufiger vom Land aus. Touristen hinterlassen beispielsweise Müll an den Stränden. In Werften werden Schiffsrümpfe mit Mikroplastikstrahlern gereinigt. Und auch mit dem Abwasser gelangt ein Teil der Plastikpartikel ins Meer.

Stefanie Werner vom Umweltbundesamt: "Ich würde nicht sagen, andere Länder haben ganz große Müllprobleme und bei uns sind sie marginal. Sie stellen sich nur überall unterschiedlich dar. Sicherlich haben wir eine relativ gut funktionierende Abfallwirtschaft. Aber wir exportieren viele Kunststoffprodukte in andere Länder, in denen diese Abfallentsorgungsstrukturen noch nicht ausgeprägt beziehungsweise gar nicht vorhanden sind. Hier kann man deutlich unzureichend etablierte Produzentenverantwortungsstrukturen erkennen."

Mit verheerenden Auswirkungen auch auf die Tiere, die dort leben. Plastik strömt einen Geruch aus, durch den insbesondere Fische die Kunststoffteile mit Nahrung verwechseln. So deuten es zumindest Untersuchungen an. "Der Geruch stammt dabei aber nicht von den Kunststoffen selbst, sondern von kleinen Meeresorganismen, die auf ihnen siedeln. Aber das ist noch nicht ausreichend erforscht", sagt Werner. Im Prinzip seien vom Plastik alle am und im Meer lebenden Tiere bedroht. Weltweit sind laut dem WWF etwa 700 Meerestierarten betroffen – darunter Fische, Wale, Schildkröten, Seevögel und Delfine.

So wirkt sich Plastik auf Vögel und Fische in Nord- und Ostsee aus

Das habe auch eine Auswirkung auf ihre Populationen. Das UBA verweist in Bezug auf Nord- und Ostsee unter anderem auf folgende Forschungen:

  • Das UBA untersuchte den Magen-Darm-Trakt von etwa 400 Fischen in der Nord- und Ostsee: In fast 70 Prozent der Proben wurden Mikroplastikstücke gefunden.
  • 97 Prozent der Nester der Seevogelkolonie auf Helgoland enthielten einem Forschungsprojekt zufolge 2014 und 2015 Kunststoffe. Das Umweltbundesamt geht davon aus, dass die Sterberate dieser Tiere dadurch um das bis zu Fünffache gestiegen ist, da sich die Vögel mit den verbauten Kunststoffnetzen und -schnüren strangulieren.
  • Der Eissturmvogel ernährt sich ausschließlich auf offener See. Im Nordseeraum verwechselt er regelmäßig Kunststoffteile mit Nahrung. Das Umweltbundesamt untersuchte die Vögel, die tot strandeten: Im Durchschnitt fanden sie 38 Plastikteilchen in ihren Mägen. Das kann dazu führen, dass Vögel ein ständiges Sättigungsgefühl verspüren und keine Nahrung mehr aufnehmen können. "Sie verhungern dann im Prinzip", so Werner.

Die zusätzlichen chemischen Effekte für die Tiere seien noch unklar, insbesondere bei Mikroplastik. "In Kunststoffen befinden sich Additive, die oft toxisch sind oder auch hormonell wirksam", sagt Werner. Zudem können Mikropartikel aufgrund ihrer Oberflächenratio Schadstoffe absorbieren, die sich in der Meeresumwelt befinden.

Plastik in der Luft: Wir atmen Plastikpartikel ein

Untersuchungen in Paris, Bejing und London haben Plastikteilchen sogar in der Luft nachgewiesen. Im Vergleich zum Kohlenstoffgehalt in der Luft seien die Mengen zwar gering, sagt Professor Frank Kelly vom King’s College London, der selbst zu dem Thema geforscht hat. Um das genaue Ausmaß zu bestimmen, müssten allerdings noch weitere Messungen durchgeführt werden. Die bisherigen beschränkten sich schließlich nur auf eine Zeit von wenigen Tagen. Auch das Mikroplastik in der Luft stamme vermutlich aus den üblichen Quellen – von synthetischen Kleidungsstücken, sich zersetzendem Plastikmüll und Autoreifenabrieb beispielsweise.

Menschen atmen diese Plastikteilchen auch ein. "Da sind wir relativ sicher, schließlich haben wir die Partikel in einer entsprechenden Größe gefunden, nämlich weniger als zehn Mikrometer groß", sagt Kelly. Mikroplastik sei eine mögliche Bedrohung für die menschliche Gesundheit – als Plastik per se und weil viele Kunststoffe Chemikalien enthalten, die mit dem Stoff in unsere Körper gelangen.

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Plastik im Boden: Nanoplastik könnte den Weg in Pflanzen finden

Aus der Luft fallen die Plastikpartikel auch auf den Boden herab. "Das Material ist sozusagen im Staub drin", sagt Professor Matthias Rillig vom Institut für Biologie und Pflanzenökologie der Freien Universität Berlin, der zu Plastik im Boden forscht. Ist der Boden also auch voll von diesem Material? Das ist schwer zu sagen; die Forschung ist auf diesem Gebiet noch relativ jung. "Früher hat man gar nicht darüber nachgedacht, dass das Material auch im Boden sein könnte", sagt Rillig. "Aber es wird ja an Land produziert und gelangt erst im Anschluss, meistens über die Flüsse, ins Meer."

Das Plastik landet zudem durch die Ausbringung von durch Mikroplastik verunreinigtem Kompostmaterial oder Klärschlamm auf Äckern. Es kann ebenfalls durch Reifenabrieb auf Böden gelangen. Die Wege sind vielfältig. Aber wie findet das Mikroplastik schließlich in den Boden hinein? Auf dem Acker zum Beispiel durch das Pflügen. Hier wird das Material direkt in die Bodenstruktur mit eingearbeitet. In einer seiner Studien zeigte Rillig zudem, dass Regenwürmer Plastikteilchen von der Bodenoberfläche in den Boden transportieren. Mit der Erde nehmen sie den Kunststoff auf, dieser passiert ihren Darm und wird in der Erde wieder ausgeschieden. Bodeninsekten wie zum Beispiel Springschwänze transportieren Plastikteilchen auf die gleiche Weise.

"Dann könnten sich Kunststoffe im Salat wiederfinden"

Um aus der Erde in Pflanzen zu gelangen, seien die Mikroplastikpartikel zu groß. "Es kann aber passieren, dass das Mikroplastikmaterial im Boden noch weiter zerfällt. Und zwar in Partikel, die dann irgendwann so groß sind, dass sie in die Nanogrößenklasse kommen." Das ist kleiner als 0,1 Mikrometer. "Das entspricht einem Zehntel Bakterienzelle", so Rillig. Dann wären die Kunststoffe so klein, dass sie biologische Membranen passieren und damit auch in eine Wurzel gelangen könnten. Von dort aus ist es nur noch ein kurzer Weg in oberirdische Pflanzenteile. "Und dann könnte es passieren, dass sie sich zum Beispiel im Salat wiederfinden."

Bisher konnte Nanoplastik noch nicht im Boden nachgewiesen werden, da es keine entsprechenden Methoden gibt. Sollte das Material aber dort in dieser Größe vorhanden sein und tiefer in den Boden wandern, sei es laut Rillig auch denkbar, dass es irgendwann einmal ins Grundwasser gelangt.

Welchen Effekt das Plastik im Boden auf Organismen hat, ist, wie beim Plastik so oft, noch unklar. Rillig und sein Team untersuchen gerade die Auswirkungen auf das Pflanzenwachstum. "Diese sind eher indirekt", sagt der Experte. Eine seiner Studien habe gezeigt, dass Plastikpartikel das Bodengefüge verändern. Durch diese physikalischen Veränderungen im Boden könnten Wurzeln anders wachsen. Zudem sei es sehr wahrscheinlich, dass sich auch die mikrobielle Lebensgemeinschaft im Boden verändere.

Solche Auswirkungen müssten zwar nicht unbedingt negativ sein. Manche Pflanzen würden durch die Plastikpartikel im Boden sogar besser wachsen. Aber sie seien dennoch unerwünscht – "schließlich handelt es sich um einen durch Menschen verursachten Effekt."

Im Meer sind Plastikpartikel eine zusätzliche Oberfläche – in dem generell oberflächenarmen Medium Wasser. Der Boden hingegen ist im Prinzip eine einzige riesige Oberfläche. "Das bisschen Oberfläche, dass durch die Plastikpartikel da hinzukommt, spielt vermutlich keine so große Rolle", sagt Rillig. Auch wenn es sich um eine andere Oberfläche – eine künstliche – handelt.

"Aber in allen Fällen ist Plastik ein synthetischer Stoff, der da nicht hingehört", ergänzt Werner.

Verwendete Quellen
  • WWF
  • Greenpeace
  • Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland
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