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Urlaub in Gefahr? Wie Luxushotels die Malediven retten wollen


Die bittere Realität des Urlaubsparadies
Ihre Schönheit ist ihr Verderben


18.04.2025 - 14:37 UhrLesedauer: 5 Min.
Abendstimmung am Strand des Seaside Finolhu Baa Atolls auf den Malediven. Vergrößern des Bildes
Abendstimmung am Strand des Seaside Finolhu Baa Atolls auf den Malediven: Während Touristen entspannen, kämpfen Korallen ums Überleben. (Quelle: Till Bartels )
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Im Schatten entspannter Urlaubsfreuden kämpfen Korallen auf den Malediven ums Überleben. Retter bemühen sich um Vielfalt in dieser bedrohten, farbenfrohen Unterwasserwelt.

Das einzige Fahrzeug auf dem Finolhu Baa Atoll ist ein alter VW-Bus. Mit platten Reifen steht der Oldtimer aufgebockt am Strand mit dem Namen Crab Shack unter schlanken Palmen und ist zur DJ-Station umfunktioniert. Zu den Chillout-Beats tanzen in Weiß gekleidete Touristen barfuß im Sand und fotografieren in der Dämmerung mit ihren Handys den Sonnenuntergang.

Doch was es direkt hinter dem Bully zu sehen gibt, nimmt keiner wahr. Dort stapeln sich am Abhang zum Wasser viele Sandsäcke in mehreren Reihen übereinander, eine Maßnahme gegen die Wellen, weil der Indische Ozean unaufhörlich an dem schmalen Landstreifen nagt. So wie hier liegen 80 Prozent der Landfläche auf den Malediven weniger als einen Meter über dem Meeresspiegel.

Das Bild mit der durch die Brandung drohenden Erosion passt so gar nicht zur Idylle des paradiesischen Urlaubsortes. Denn die meisten fliegen auf die Malediven zum Entspannen, Sonnenbaden und Abtauchen. Die Unterwasserwelt zählt zu den Hauptattraktionen, doch sie ist besonders durch die Erwärmung des Meeres in Gefahr.

Ein Anstieg von nur wenigen Graden der Wassertemperatur, sei es auch nur durch eine vorübergehende wärmere Strömung, gilt als Feind aller Korallen, die das geologisch-architektonische Rückgrat der 1.200 Inseln bilden. Das Dilemma: Nur nachwachsende Korallenriffe können die steigenden Wasserpegel auffangen.

Unterwasserwelten verwandeln sich in Korallenfriedhöfe

"Korallen sind Meerestiere, die an ihrer Basis Kalk ausscheiden, bis zu 15 Zentimeter pro Jahr zulegen und über die Jahre zu riesigen Strukturen zusammenwachsen", erklärt Mara Restelli, die Leiterin des Tauchzentrums auf Finolhu, einem Resort am Südrand des Baa Atolls, das zur Seaside Collection gehört. "Sie leben in einer Symbiose mit Algen, die ihnen die Farbe verleihen und durch die Photosynthese mit Nahrung versorgen", so die 45-jährige Italienerin, die seit zwanzig Jahren auf den Malediven lebt.

Steigt die Wassertemperatur, kommen die Korallen in Stress und stoßen die Algen ab. Die Tierformationen bleichen aus und die gesamte Nahrungskette der Unterwasserfauna gerät durcheinander. "Korallenfriedhof" nennen Taucher die toten Unterwasserreviere.

Fast alle Riffe weltweit sind von der Korallenbleiche bedroht. "2016 stieg die Temperatur des Wassers auf 31 Grad und eine große Bleiche setzte ein, von der 60 Prozent des Korallenbestands auf den Malediven betroffen waren", erzählt Mara. Inzwischen gibt es "Aufforstungsprogramme" für Korallen, die von Resorts von Anantara bis Westin allein im Baa Atoll umgesetzt werden.

Korallenrettung am Meeresgrund vor den Malediven

An der Riffkante von Finolhu, wo das Meer 700 Meter tief abfällt, sind in der Form großer Spinnen Metallgestelle im Meeresboden fixiert, an denen zuvor aufgezogene Korallensegmente angebracht sind. Sie sollen zur Revitalisierung der oberen Korallenschicht am Riff beitragen.

Um das Projekt Korallennachwuchs kümmert sich Ivanna Tobar, die beim Resort angestellte Meeresbiologin. Auf der nur wenigen Minuten dauernden Bootsfahrt in die Mitte der Lagune erklärt sie, dass Finolhu eigentlich aus vier Inseln besteht, die durch eine zwei Kilometer lange Sandbank miteinander verbunden sind und somit die längste Landzunge auf den Malediven bilden. "Außerdem befinden wir uns mit dem Baa-Atoll in einem Biosphärenreservat."

Ivanna will uns eine Besonderheit zeigen, die im Jahre 2022 begann: eine von zwei Aufzuchtstationen für Korallen. Nur eine schwarze Boje markiert die Stelle. Ivanna holt tief Luft und gleitet mit ihren langen Schwimmflossen in die türkisfarbene Unterwasserwelt hinab. In 15 Metern Wassertiefe sind am Boden 17 "coral trees" verankert, Stäbe aus Kunststoff mit waagerechten Armen, an denen mit Nylonfäden Bruchstücke schnell wachsender Korallen der Spezies Pocillopora verrucosa fixiert sind. Zwischen den Gestellen tummeln sich exotische Fische.

"Weiter draußen in der Lagune haben wir noch 27 weitere Korallenbäume", erzählt Ivanna. Viel Sonnenlicht und Strömung, aber wenig Sedimente im Wasser, fördern das Wachstum der fragilen Organismen. "Sobald die Korallenfragmente groß genug sind, werden sie zum Riff zurückgebracht", das heißt umgepflanzt.

Paten bekommen Foto-Update der adoptierten Korallen

Dort werden die Korallen-Kinder auf ringförmige und mit Quarzsand beschichtete Metallgestelle umgebettet und am Hausriff im offenen Meer platziert. All diese 57 Gerüste sind durchnummeriert. Jede Nummer steht für einen Sponsor. Denn für 150 US-Dollar können Gäste des Resorts eine Patenschaft übernehmen. So lassen sich die eigenen Sprösslinge in der Korallen-Baumschule beim nächsten Besuch leicht wiederfinden. Auch erhalten die an der Aktion Beteiligten alle drei Monate ein Foto-Update der adoptierten Korallen per E-Mail.

Alle 14 Tage wird das Wachstum der Korallen an den Aufzuchtbäumen und einmal im Monat am Hausriff überwacht und der Zustand notiert. Dabei hilft die 24-teilige Farbskala der australischen University of Queensland, die auf der Website coralwatch.org den Zustand von mehr als 2.300 Riffen weltweit erfasst und vergleicht. Ivanna hofft, dass sich demnächst auch Gäste an dem Citizen Science Projekt beteiligen. Dafür tauchen sie mit kleinen Plastikfarbkarten ab und notieren die Werte zwischen der jeweils hellsten und dunkelsten Stelle einer Korallenkolonie.

"Menschen schützen nichts, was sie nicht verstehen"

Für Mara und Ivanna ist Aufklärung das wichtigste Anliegen. In ihren Briefings vor Tauchgängen und in Vorträgen appellieren sie: keine Muscheln von Stränden oder Riffen mitnehmen, keine Korallen berühren, Fische nicht füttern, auch keinen Biomüll ins Meer werfen und eine riffverträgliche mineralische Sonnencreme verwenden.

Die Meeresbiologin, die bereits in Kanada, Mexiko, Indonesien und Australien gearbeitet hat, ist immer wieder überrascht, wie wenig Touristen über die Probleme der Meere heute wissen. Sie hofft, dass der Besuch eines Riffs sie sensibilisiert und zu einer Verhaltensänderung im Leben führt. "Ich glaube, dass Menschen nichts schützen, was sie nicht verstehen", sagt Ivanna. Sie setzt auch auf einen "schrittweisen Wandel, der ganz oben ansetzen muss, bei unseren Regierungen, die in grüne Energieprojekte investieren müssen, um die Verbrennung fossiler Brennstoffe zu ersetzen."

Zwar können sich Korallen bei sinkender Wassertemperatur über Jahre hinweg wieder regenerieren, aber die Frequenz der Warmwasser-Anomalien nimmt zu. "Restaurierungsprojekte lassen sich nicht in einem kurzen Zeitraum von ein bis zwei Jahren umsetzen. Aufgrund des langsamen Wachstums von Korallen dauert es Jahrzehnte", meint Ivanna.

Ein heißer Sommer kann alles vernichten

Initiativen zur Korallenaufzucht sind konstruktiver Meeresschutz, aber ihre Wirkung begrenzt, sie wirken wie ein Tropfen auf den heißen Stein und beruhigen eher das Gewissen fernreisender Urlauber. Als Vorreiter gilt das 2002 gestartete "coral restoration program" der beiden Four Seasons Resorts auf den Malediven, das ungefähr 500.000 gezüchtete Korallenfragmente von 40 verschiedenen Korallenarten umfasst. Doch schon ein weiterer heißer Sommer kann ein jahrelanges Aufpäppeln von Korallenbabys zunichtemachen.

Im Endeffekt beteiligen sich noch zu wenige Malediven-Besucher an Patenschaften. Ähnlich wie bei Flugreisen wird ein Preisaufschlag für nachhaltigen Kraftstoff oder für die Finanzierung von Klimaschutzprojekten, um den CO2-Fußabdruck zu kompensieren, nur von einem einstelligen Prozentsatz der Reisenden genutzt.

Der Ozeanograf und Politiker Muhammad Nasheed, der 2009 in seiner Zeit als Präsident der Malediven mit einer in Taucheranzügen auf dem Meeresboden abgehaltenen Kabinettssitzung für Aufsehen sorgte, sagte bei der Protestaktion: "Wenn die Malediven heute nicht gerettet werden können, dann haben wir das Gefühl, dass auch der Rest der Welt keine großen Chancen hat."

Verwendete Quellen

Quellen anzeigenSymbolbild nach unten

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