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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Urlaubsregion in der Krise "Das würde das Ende für den Tourismus bedeuten"
Durch die Klimakrise drohen mit jedem neuen Sommer Dürren in Deutschland. Besonders eine Region könnte damit ein wertvolles Biotop und begehrtes Touristenziel verlieren.
Durch die Klimakrise sind Dürren in Europa deutlich wahrscheinlicher und intensiver geworden. In Deutschland ist vor allem der Osten des Landes von Trockenheit betroffen, sagt Hagen Koch vom Potsdamer Institut für Klimaforschung im Gespräch mit t-online. Dort droht mit dem Spreewald ein wichtiges Gewässer trocken zu fallen.
t-online: Herr Koch, wo ist die Dürregefahr derzeit am höchsten?
Hagen Koch: In den vergangenen Jahren waren Berlin und Brandenburg die wärmsten und trockensten Bundesländer in Deutschland. Früher war Baden-Württemberg das wärmste Bundesland und sicher gibt es auch einige Regionen in Franken bzw. Hessen, die sehr niederschlagsarm sind, aber im Großen und Ganzen ist Ostdeutschland mit Berlin, Brandenburg, Nordthüringen und Nordsachsen sowie Teilen von Sachsen-Anhalt die trockenste Region.
Welche Ursachen hat das?
Das hat mehrere Gründe. Zum einen hat es im Raum um Berlin und Brandenburg schon seit 2018 so wenig geregnet, dass für diesen Zeitraum ein ganzer Jahresniederschlag fehlt. Es gibt ein Sprichwort, das die Situation sehr gut beschreibt, das lautet "Brandenburg gewässerreich, aber wasserarm". Es gibt also einerseits sehr viele Gewässer und Feuchtgebiete – die Schwarze Elster, die Havel, die Spree, den Spreewald. Durch die letzten sehr heißen Sommer ist die Verdunstung allerdings sehr hoch.
Ist das eine neue Entwicklung?
Nein. Wenn Sie sich alte Klimakarten anschauen, dann erkennen Sie dort in etwa die ehemaligen DDR-Umrisse – eine Region, die schon immer ein kontinentaleres und somit niederschlagsärmeres Klima hatte als der Rest Deutschlands.
Was bedeutet das?
Sie liegt weiter weg vom Atlantik bzw. der Nordsee und hat somit sehr viel kältere Winter als andere Regionen Deutschlands, aber eben auch sehr viel heißere Sommer. Dabei spielt auch der Harz eine Rolle: Am Mittelgebirge regnet es im Westen häufig ab, somit kommt im Osten Deutschlands dann kein Niederschlag mehr an.
Hat die aktuelle Dürre dann überhaupt etwas mit der Klimakrise zu tun?
Auf jeden Fall. Da die Temperatur in den vergangenen Jahrzehnten stetig angestiegen ist, hat sich beispielsweise die Vegetationsphase verlängert. Das bedeutet, dass Pflanzen länger grün sind und somit auch länger Wasser aus dem Boden ziehen. Natürlich gab es auch in der Vergangenheit immer wieder vereinzelt trockene Jahre, aber dazwischen eben auch niederschlagsreiche Jahre, sodass sich die Grundwasserstände wieder normalisieren konnten. Ein Trockenjahr ist nicht das Problem. In Ostdeutschland zeigt sich aber, was wir auch global beobachten können: Die Extreme verschärfen sich.
Können Sie das ausführen?
Die Regionen, die immer schon trocken waren, werden noch trockener. Und die Regionen, die tendenziell eher niederschlagsreich waren, haben jetzt deutlich mehr mit Überschwemmungen durch starke Regenfälle zu kämpfen. Dabei können jedoch auch in den tendenziell trockeneren Regionen vereinzelt Extremniederschläge auftreten.
In Brandenburg ist davon besonders der Spreewald betroffen. Viele Kanäle drohen dort auszutrocknen. Wie ließe sich dem entgegenwirken?
Eine Möglichkeit ist, das Wasser hauptsächlich durch die Hauptspree zu leiten. Dafür müsste man die kleineren Kanäle schließen und würde so die Verdunstungsfläche reduzieren. Aber dann haben wir ein riesiges Problem. Das würde nicht nur das Ende für den Tourismus in der Region bedeuten, wir würden außerdem den Spreewald als Ökosystem verlieren. Der ist nicht nur ein wichtiges Biotop, sondern er bindet auch klimaschädliches Methan.
Was wären die Folgen?
Wenn ein Feuchtgebiet langfristig trockenfällt, setzt es große Mengen Methan, also ein klimaschädliches Gas, frei. Wenn das Gebiet trockenfällt, dann würden die klimaschädlichen Emissionen in dieser Region stark ansteigen.
Aber droht der Region nicht ohnehin ein solches Szenario? Laut Bundesumweltamt könnte die Spree mit dem Kohleausstieg in einigen Regionen bis zu zwei Drittel ihres Wassers einzubüßen, da dann kein Wasser mehr aus dem Bergbau in den Fluss gepumpt wird.
Das wird die Situation verschärfen. Langfristig aber kommen wir um den Kohleausstieg nicht herum.
Das Bundesumweltamt hat jetzt Maßnahmen vorgeschlagen, um sowohl Kohleausstieg zu meistern als auch die Spree zu retten: Wasser aus anderen Flüssen überleiten, Wasserreservoirs bauen und notfalls Grundwasser weiter abpumpen. Halten Sie das für sinnvoll?
Das Abpumpen des Grundwassers halte ich für keine gute Lösung. Das Grundwasser wird ja bei der Kohleförderung im Tagebau abgepumpt, damit die Kohle aus dem trockenen Tagebau gefördert werden kann. Die Kosten dafür werden auf den Verbraucher – über den Strompreis – umgelegt. Das jetzt auch über den Kohleausstieg hinaus weiterzuführen, würde eine Unmenge von Geld kosten und das Problem nur zeitlich verschieben. Die Kosten etwa für das Pumpen, für die Instandhaltung der Anlagen und für die Reinigung des Wassers vor der Einleitung können ja auch nicht mehr über den Strompreis umgelegt werden. Will man das bis in alle Ewigkeit machen? Ich denke nicht. Insofern ist das keine langfristige Lösung.
Was also schlagen Sie vor?
Einerseits die Wasserspeicherung in Reservoirs, wie auch vom Bundesumweltamt aufgeführt. Diese Möglichkeit gibt es schon, sie wird teilweise aufgrund technischer Probleme oder anderer Vorgaben aber noch nicht voll ausgenutzt. Und dann wäre es sicher eine Lösung, Wasser aus anderen Flüssen überzuleiten.
Von wo sollte das Wasser übergeleitet werden?
Da ist seit einiger Zeit die Elbe im Gespräch. Dabei würden zwar erst mal Baukosten entstehen, aber langfristig könnte aus der Elbe über mehrere Monate im Jahr Wasser in die Spree und auch in die Schwarze Elster umgeleitet werden. Die Talsperren könnten beispielsweise vor dem Sommer auf hundert Prozent gefüllt werden, damit das Wasser im Sommer dann für die Spree zur Verfügung steht und diese nicht trockenfällt.
Würde das Wasser dann nicht in der Elbe fehlen?
Sicher, es gibt auch Niedrigwasser in der Elbe. Aber der Fluss ist um ein Vielfaches größer, sodass er gerade in den Wintermonaten genügend Wasser führt, das sich in den Wasserreservoirs der Spree speichern ließe. Wir sprechen hier beispielsweise davon, bei einem Abfluss in der Elbe von 303 Kubikmetern die Sekunde eine Menge von 3 Kubikmetern die Sekunde überzuleiten. Das bedeutet, nur ein Prozent des Abflusses würde entnommen werden.
So schnell wird sich das zunächst nicht umsetzen lassen. Lassen Sie uns also noch mal auf diesen Sommer schauen: In den vergangenen Jahren waren in einigen Regionen aufgrund der Wasserknappheit schon Beschränkungen für die Bevölkerung erlassen worden. Den Garten nicht mehr wässern, das Auto nicht mehr waschen – droht das erneut?
Das lässt sich schwer sagen. Wenn es, wie in den vergangenen Wochen, immer mal wieder regnet, dann sollte das nur lokal begrenzt notwendig sein. Sollten wir aber wie in den Jahren 2018 und 2019 in eine Situation reinrutschen, in der es teilweise sechs Wochen am Stück keinen Regen gibt, dann könnten wir ab August in eine sehr kritische Situation kommen.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Koch.
- Gespräch mit Hagen Koch vom Potsdamer Institut für Klimaforschung