Hypertonie ist Auslegungssache Was in den USA Bluthochdruck ist, gilt hier als normal
Bluthochdruck ist ein weit verbreitetes Problem in den Industrieländern. Die Gefahr für Herzinfarkte und Schlaganfälle steigt mit dem Druck in den Gefäßen. Die USA haben deshalb kürzlich die Definition für Bluthochdruck geändert und die Werte nach unten korrigiert. Mit einem Federstreich hatten Millionen US-Amerikaner plötzlich Hypertonie. Zentrale Frage war: Zieht Deutschland nach? Jetzt ist die Entscheidung gefallen.
In Deutschland bleibt die Definition von Bluthochdruck wie sie bislang war: Hypertonie liegt vor bei einem Wert von 140/90 mm Hg oder mehr. In den USA wird von Bluthochdruck gesprochen, wenn der Wert bei 130/80 mm Hg oder höher liegt.
Was bedeutet mm Hg?
mm Hg ist die Abkürzung für Millimeter Quecksilbersäule. Es handelt sich dabei um die Maßangabe für den statischen Druck, verwendet vor allem für den Blutdruck. Druck wurde in der Medizin und anderen Wissenschaften früher mit einer Quecksilbersäule gemessen.
Warum haben die USA den Wert herabgesetzt?
Hauptauslöser für die Änderung der medizinischen Leitlinien in den USA war die sogenannte SPRINT-Studie aus Großbritannien, die im Jahr 2015 veröffentlicht worden ist. Denn die gut drei Jahre andauernde Untersuchung mit mehreren Tausend Bluthochdruckpatienten wurde abgebrochen. Der Grund: Die Teilnehmer, deren Blutdruck mittels Medikamenten auf 120 zu 80 gesenkt wurde, waren so eindeutig im Vorteil, dass man den anderen Patienten, deren Blutdruck nicht so stark abgesenkt wurde, die erhöhten Risiken nicht mehr zumuten wollte. Denn in der Gruppe mit dem Zielblutdruck von weniger als 120 mm Hg (oberer Wert) gab es fast ein Viertel weniger Todesfälle und fast ein Drittel weniger negative Herz-Kreislauf-Ereignisse wie Herzinfarkte als in der Zielblutdruckgruppe weniger 140 mm Hg.
Allerdings darf nicht verschwiegen werden, dass die Teilnehmer, die Blutdrucksenker eingenommen hatten, zwar von den geringeren Risiken profitierten, dafür jedoch teilweise unter beträchtlichen Nebenwirkungen litten. Die Rate von schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen war erhöht: Dazu gehörten etwa Hypotonie, das sind Blutdruckwerte unterhalb von 100 zu 60 mm Hg, Kreislaufkollapse, Störungen im Elektrolythaushalt oder akutes Nierenversagen.
Warum zieht Deutschland nicht nach?
Die medizinischen Fachgesellschaften in Europa und Deutschland folgen der USA nicht und belassen die Bluthochdruckwerte dort, wo sie waren. Das beschlossen die Hochdruckspezialisten auf dem Kongress der European Society of Hypertension (ESH), der im Juni in Barcelona tagte. Dort wurden die europäischen Leitlinien vorgestellt, an denen sich auch die deutschen orientieren. Die neuen Leitlinien halten zwar nach wie vor an der bestehenden Krankheitsdefinition von ≥140/90 mm Hg fest. Es wird aber empfohlen, "anzustreben", dass der Blutdruck bei Patienten in den Normalbereich von <130/80 mm Hg abgesenkt wird.
Die Deutsche Hochdruckliga erklärte die Entscheidung auf europäischer Ebene wie folgt: "Die europäische Leitlinienkommission sah für eine solche Empfehlung keine ausreichende Evidenz. Die neue Leitlinie sieht weiterhin vor, die Mehrzahl der Hypertoniker erst ab einem Blutdruck von 140/90 mm Hg medikamentös zu behandeln", erklärte Dr. Peter Trenkwalder, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Deutschen Hochdruckliga.
Wie schon die vorherige Leitlinie differenziere die neue zwischen einem optimalen Blutdruckbereich (<120/80 mm Hg), einem normalen (120-129/80-84 mm Hg) und einem hochnormalen (130-139/85-89 mm Hg). Erst darüber liegende Werte werden als krankhaft eingestuft. Sie sollten medikamentös behandelt werden, wenn eine Lebensstiländerung, die bereits Patienten mit hochnormalen Werten empfohlen wird, keine Erfolge gezeigt habe, heißt es.
"Generell gilt aber: Bluthochdruck ist ein komplexes Erkrankungsbild und die moderne Bluthochdrucktherapie sollte individualisiert erfolgen, die Leitlinien setzen lediglich den groben Rahmen", ergänzte Dr. Bernhard Krämer, Präsident der Deutschen Hochdruckliga e. V..
Wie verbreitet ist Bluthochdruck in Deutschland?
Bluthochdruck (arterielle Hypertonie) ist hierzulande die Hauptursache für Sterblichkeit. Jeder dritte Deutsche zwischen 18 und 79 Jahren leidet unter Bluthochdruck. In der Gruppe der 70- bis 79-Jährigen sind es sogar drei Viertel. Bei vielen bleibt die Hypertonie unbehandelt.
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Um die Risiken für Herz und Kreislauf zu senken, sollte also der Blutdruck korrigiert werden. In vielen Fällen ist das ohne Medikamente, etwa durch eine Gewichtsreduktion und mehr Bewegung, schon möglich. In anderen Fällen sind blutdrucksenkende Mittel nötig.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- Eigene Recherchen
- Pressemitteilung der Deutschen Hochdruckliga e. V.