Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Trockene Haut im Winter Was wir jetzt brauchen, ist Butter
Draußen Plusgrade, Minusgrade, Nieselregen oder Schnee, dann wieder Frühlingswetter, drinnen trockene Heizungswärme – auch diesen Winter wird es wieder spannend, besonders für unsere Haut.
Es wird jetzt wieder tief in die Cremetöpfe gelangt, und manche(r) hat plötzlich wieder den sechsten Finger an der Hand – den Lippenpflegestift, der im Minutentakt zum Mund geführt wird. Es stimmt schon: Die Winterkälte bremst die Verteilung des Talgs über unsere Haut, er ist bei Kälte hart wie Butter aus dem Kühlschrank und somit weder streich- noch fließfähig. Nachts, in der muckeligen Bettwärme, wird er jedoch weich und verteilt sich auf unserem Gesicht wie auf einem Butterbrot.
Zur Person
Dr. med. Yael Adler ist Fachärztin für Dermatologie, Venerologie, Phlebologie und Ernährungsmedizin (DGEM). Seit 2007 praktiziert sie in ihrer eigenen Praxis in Berlin. Ihr Talent, komplexe medizinische Sachverhalte anschaulich und unterhaltsam zu vermitteln, stellt sie seit Jahren in Vorträgen, Veranstaltungsmoderationen und den Medien unter Beweis. Über Prävention und Therapien spricht sie regelmäßig in ihrem Podcast "Ist das noch gesund?". Ihre Bücher "Haut nah" und "Darüber spricht man nicht" standen auf Platz 1 der Spiegel-Bestsellerliste. Mit ihrem letzten Buch "Genial vital! – Wer seinen Körper kennt, bleibt länger jung" durfte sich die leidenschaftliche Ärztin erneut über diese Spitzenplatzierung freuen.
Morgens sollten Sie daher das Gesicht nur mit warmem Wasser und einem Handtuch reinigen. Dann bleibt ein zarter Fettfilm schützend auf der Haut – so haben wir unsere eigene wertvolle Fettpflege. Obwohl Talg immer ein bisschen gewöhnungsbedürftig klingt, ist der körpereigene Stoff unentbehrlich, in unterschiedlicher Quantität an unterschiedlichen Körperregionen. Die T-Zone im Gesicht verläuft mittig von Stirn, über Nase, bis zum Kinn und ist der Ort der aktiven und zahlreichen Poren. Sie sind unsere Cremetöpfchen, in die die Talgdrüsen in der zweiten Hautschicht den Talg abgeben, der entlang der feinen Härchen an die Hautoberfläche geleitet wird. Dort vermischt er sich mit den Barrierefetten der Oberhaut.
Vaseline versiegelt Haut
Eincremen ist also schon wichtig, aber man sollte genauer darauf achten, was man sich drauf tut, beziehungsweise antut. Vaseline, das Wundermittel unserer Großmütter, hat schon mal ausgedient. Sie legt sich wie eine Plastiktüte über unsere Haut, versiegelt sie wie Eichenparkett und lässt gar keinen Sauerstoff rein und keine verdunstende Feuchtigkeit mehr raus. Das Gleiche gilt leider auch für viele Lippenpflegestifte, obwohl sie sich doch – satt aufgetragen – so wirksam und gesund anfühlen. Unser Mund reagiert darauf wie ein luft- und feuchtigkeitsdicht gewindelter Babypo – mit Austrocknung und Rissen. Denn die angestaute Verdunstungsfeuchtigkeit sammelt sich wie eine Pfütze auf den zarten Lippen und weicht die Barriereschicht auf.
Das Glyzerin der Lippenpflegestifte, das eigentlich Feuchtigkeit einbringen soll, zieht sie in zu hoher Konzentration eher heraus: Man ist oben schmierig und darunter trocken. Daher spricht man auch vom Suchteffekt. In den etwaig enthaltenen Mineralöle finden sich zudem regelmäßig krebserregende Substanzen, die man dann beim Lippenlecken und Essen mitverspeist. Lippenlecken macht die Lippen nur noch trockener. Von innen sollten geschmeidige Lippen übrigens genug Vitamin B12, Eisen und Zink bekommen, auch Vitamin D und Omega-3-Fettsäuren sind wichtige Helfer.
Sheabutter: Reine Wunderpflege
Natürliche Fette oder Wachse sind also eher zu empfehlen. Ich rate meinen Patienten gerne zum Gebrauch von Sheabutter, die es mittlerweile nicht umsonst unter die beliebtesten kosmetischen Zutaten weltweit geschafft hat, aber vor allem in ihrer reinen Form, am besten kalt gepresst, schützend und pflegend wirkt. Sie ist komplett pflanzlich, weil sie direkt aus den etwa vier Zentimeter großen Nüssen des Shea- oder auch Karitébaumes (Butyrospermum parkii) gewonnen wird, am besten unraffiniert und ohne weitere Beimischung – so bleiben Provitamin A und E erhalten. Bei guten Produkten ist der Duft zart, mild und nussig-schokoladig.
Sie ist übrigens nicht als sensationelle Neuentdeckung zu uns gekommen, sondern wird auf dem Ursprungskontinent Afrika, besonders in Ghana, seit Jahrhunderten in der Haut-, Haar- und Säuglingspflege angewendet. Die Herstellung und Verwendung von Sheabutter reicht historisch bis ins alte Ägypten zurück, wo sie unter anderem für kosmetische und medizinische Zwecke genutzt wurde. Bis heute wird sie gerne auch zur Schokoladenherstellung verwendet.
Trockene Haut nimmt sie begeistert auf
Das Geheimnis der Sheabutter ist, dass die Fette mit unseren Hautfetten eng verwandt sind. Besonders pflegend ist das relativ harte Fett aus Westafrika, das hilft, fehlende Hautfette zu ersetzen und die Barriere zu schützen und zu reparieren. Da sie hart ist, muss man sie entweder etwas wärmer lagern oder sie in Flocken abschaben (Fingernagel) und auf der Haut schmelzen lassen, etwa indem man mit einem kleinen Klümpchen über die Haut gleitet. Ein hauchdünner Film genügt. Verdunstende Feuchtigkeit wird eingeschlossen und bewahrt, ohne dass ein "Plastikfolieneffekt" oder Stau entsteht. Jegliche trockene Hautpartie freut sich, aber auch die Haarspitzen werden wie durch einen Natur-Conditioner gestärkt.
Ein weiterer Vorteil: Durch das gute familiäre Verhältnis zu unseren körpereigenen Fetten wird sie von der Haut begeistert aufgenommen, lindert direkt Spannungsgefühle und beruhigt sogar Schürfungen, wie jene, die entstehen, wenn man sich einen "Wolf" gelaufen und dabei Haut auf Haut gerieben hat. Sie macht raue und ausgetrocknete Haut geschmeidig und liefert mit Vitamin A und E klassische zellschützende Vitamine.
Ein selbsthelfendes und -heilendes Organ
Fans von Sheabutter und auch anderen puren Pflanzenfetten wie Kakaobutter, Kokos, Jojobaöl etc. sollten auch diese nur nach Bedarf auf die trockenen Hautpartien auftragen und nicht alles zuschmieren. Eincremen also nur an Stellen, die trocken sind und spannen oder an den Händen, die durch häufiges Waschen strapaziert werden. Eine fettige Aknehaut muss und sollte man damit nicht einfetten, denn da produziert die Haut schon genug eigenes Fett.
Angenehm sind auch andere Cremes oder Lotionen mit hautverwandten Lipiden pflanzlichen Ursprungs, die unsere Hautbarriere stärken und wiederherstellen können. Sie enthalten Lipide wie Caprylic/Capric Triglyceride, Phytosterole, Palmitinsäure, Phosphatidylcholin, Ceramide und Squalan. Diese "biomimetischen" Cremes kommen ohne klassische Emulgatoren aus, sodass sie auch bei Problemhaut gut vertragen werden. Sie sind frei von Mineralölen, Silikonen und verzichten auf Duft-, Farb- und klassische Konservierungsstoffe. Auch sie sind nur an bedürftigen Stellen nötig, an denen es die Haut – auch im Winter ein selbsthelfendes und selbstheilendes Organ – doch nicht ganz alleine hinbekommt.
Lassen Sie die Luft rein
Reine Fettsalben und eben Sheabutter behindern zudem das Verdunsten körpereigener Feuchtigkeit. Sie bleibt länger eingeschlossen und plustert die Oberhaut-Hornschicht so ebenfalls auf. Eine Feuchtigkeitscreme, die Wasser enthält, ist also eigentlich nicht zwingend nötig. Sie kommt dann zum Einsatz, wenn eine reine Fettcreme oder Salbe dem Anwender zu fettig ist. Im Winter bei klirrender Kälte ist eine wasserfreie Butter oder Salbe draußen sinnvoll, da der Wassergehalt einer herkömmlichen Feuchtigkeitscreme sonst Erfrierungen begünstigen kann.
Neben der Winterfürsorge mit direktem Hautkontakt können Sie sich natürlich auch im näheren Lebensumfeld Gutes tun. Wenn Sie die überwiegende Zeit des Tages bei der Arbeit und zu Hause in geschlossenen Räumen zubringen, ist knackige Heizungswärme ein echter Wohlfühlfaktor. Die Kehrseite: Die Luftfeuchtigkeit wird dabei mehr und mehr zu einer trockenen Angelegenheit. Deshalb besser alle paar Stunden kurz kräftig durchlüften, auch um neuen Sauerstoff reinzulassen. Sind die Fenster zu, gibt es spezielle Luftbefeuchter; es tut aber auch das gute alte Wassergefäß auf dem oder am Heizkörper. Die optimale Luftfeuchtigkeit in Innenräumen bewegt sich übrigens zwischen 40 und 60 Prozent. Wer es damit übertreibt, hört bald den Schimmel wiehern.
Küssen ist auf keinen Fall verboten
Wie in jedem Winter weise ich außerdem darauf hin, dass auch das Küssen eine praktische und an- bis erregende, schöne Lippenpflege ist, vorausgesetzt, man knutscht nicht zu nass: Beim Kuss verteilen wir gegenseitig Fette auf unseren Lippen. Zudem ist er gut für das Immunsystem: Mit der oder dem Geküssten tauschen wir nämlich unkompliziert und zeitsparend ungefähr 700 Arten Bakterien aus. Wir können uns das leisten, weil jeder von uns an die zweiundzwanzig Millionen Bakterien in seiner Mundhöhle beherbergt – eine aktive Immunisierung, die die Durchblutung steigert, Stress abbaut, die Cortisolwerte senkt und Glücks- und Belohnungshormone flott macht.
Mehr solcher Lippen-Bekenntnisse, und Sie kommen gesund durch die Zeit!
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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