t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomeGesundheitYael Adler: Gesundheit!

Tattoos: Hautärztin warnt vor unterschätzten Gesundheitsrisiken


Unterschätzte Gefahr
Dieser Trend ist gesundheitsgefährdend

MeinungEine Kolumne von Dr. med. Yael Adler

Aktualisiert am 13.07.2024Lesedauer: 4 Min.
Meinung
Was ist eine Meinung?

Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
Steht auf Tattoos: Schauspielerin und Moderatorin Sophia Thomalla.Vergrößern des Bildes
Steht auf Tattoos: Schauspielerin und Moderatorin Sophia Thomalla. (Quelle: Instagram/ Sophia Thomalla)

Tattoos liegen voll im Trend. Doch immer mehr Studien warnen vor möglichen gesundheitlichen Risiken und Nebenwirkungen der bunten Kunstwerke.

Ärzte kommen manchmal wie Spaßbremsen rüber: Lass lieber dieses, verkneif dir besser jenes, und dies und das ist sowieso ungesund! Aber es gibt nun mal so etwas wie ein ärztliches Gewissen und unumstößliche medizinische Fakten. Außerdem wichtig: Jeder Mensch bleibt trotzdem frei in seinen Entscheidungen.

Yael Adler
(Quelle: Markus Höhn)

Zur Person

Dr. med. Yael Adler ist Fachärztin für Dermatologie, Venerologie, Phlebologie und Ernährungsmedizin (DGEM). Seit 2007 praktiziert sie in ihrer eigenen Praxis in Berlin. Ihr Talent, komplexe medizinische Sachverhalte anschaulich und unterhaltsam zu vermitteln, stellt sie seit Jahren in Vorträgen, Veranstaltungsmoderationen und den Medien unter Beweis. Über Prävention und Therapien spricht sie regelmäßig in ihrem Podcast "Ist das noch gesund?". Ihre Bücher "Haut nah" und "Darüber spricht man nicht" standen auf Platz 1 der Spiegel-Bestsellerliste. Mit ihrem letzten Buch "Genial vital! –Wer seinen Körper kennt, bleibt länger jung" durfte sich die leidenschaftliche Ärztin erneut über diese Spitzenplatzierung freuen.

Das zeigt sich auch in der anhaltenden, wenn nicht gar weiter anwachsenden Beliebtheit von Tattoos. Mittlerweile soll fast jeder fünfte Deutsche eine Tätowierung oder sogar mehrere davon am Körper tragen.

Für Dermatologen ist das Stechen der dekorativen, liebeserklärenden oder anderswie bekenntnishaften Motive ein echter Splattermovie für die Haut: Der Fremdkörper "Farbe" wird in die Hautschichten gewaltsam eingestochen und damit die Barriere überwunden, die uns vor dem Eindringen genau solcher Schadstoffe eigentlich schützen möchte.

In unsere Haut platscht schwarze oder bunte Farbe schlicht als Sondermüll herein: störende Fremdkörperpartikel, teilweise krebs- und allergieauslösende Farbpigmente, Konservierungsstoffe und Schwermetalle. Und es gibt keinen Weg zurück. Denn die Farben werden nicht über Leber oder Niere verstoffwechselt und ausgeschieden, wie dies bei Medikamenten möglich ist. Medikamente sind zudem über viele Jahre in Studien getestet, um möglichst große Sicherheit zu gewährleisten. Dies ist bei Tätowierfarbe nicht der Fall.

Gefährliche Inhaltsstoffe früherer Tätowierfarben

Kosmetikartikel dürfen übrigens die Hautbarriere nicht überwinden, sonst wären es Arzneimittel. Tätowierfarben enthielten früher nicht selten Schwermetalle wie Nickel, Blei, Cadmium, Chrom, Mangan, Kobalt, aber auch Gifte – Arsen, Aluminium, Quecksilber und industriell hergestellte Stoffe, die teilweise hoch allergieauslösend und krebserregend sein können. Sogar eine Schädigung des Erbguts durch sie ist möglich, die Fortpflanzung könnte beeinträchtigt werden.

Aus diesem Grund hat eine EU-Verordnung seit Januar 2022 die Verwendung bestimmter Farbpigmente in Tätowierfarben inklusive Permanent-Make-up eingeschränkt (REACH-Verordnung: Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals).

Ein bedeutender Teil dieser Regulierung ist das Verbot der Pigmente Blue 15:3 und Green 7, für die derzeit keine sicheren Alternativen existieren. Dies hat erhebliche Auswirkungen auf die Verfügbarkeit von Tätowierfarben, sodass viele Tätowierer derzeit nur noch schwarze und weiße Farben verwenden können. Einige Hersteller haben bereits damit begonnen, REACH-konforme Farben zu entwickeln, die sicherer für den Gebrauch sind. Doch auch hier gibt es keine mit Arzneimitteln vergleichbaren Studien.

Risiko für Lymphome erhöht

Eine aktuelle schwedische Untersuchung deutet darauf hin, dass Tätowierungen das Risiko für die Entwicklung von Lymphomen, also Lymphdrüsenkrebs, erhöhen könnten. Dies wird weiter untersucht.

Der Mechanismus hinter diesem erhöhten Risiko könnte damit zusammenhängen, wie das Immunsystem auf die in die Haut eingebrachten Fremdstoffe reagiert. Die Tintenbestandteile werden zu den Lymphknoten transportiert, wo sie sich ansammeln und möglicherweise zu chronischen Entzündungen führen können, die das Risiko für Lymphome erhöhen.

Es ist wichtig zu betonen, dass Lymphome dennoch relativ selten sind und weitere Forschung erforderlich ist, um diese Ergebnisse zu bestätigen und die zugrunde liegenden Mechanismen besser zu verstehen. Im Inneren der Lederhaut versuchen jedenfalls körpereigene Aufräumkommandos (die Fresszellen) und Müllabfuhr (die Lymphe), den Schaden einzudämmen und den Dreck zu beseitigen.

"Think before you ink!"

Ein Teil der Farbpigmente wird von Immunzellen umschlossen und bleibt so auf ewig in der Lederhaut als Fremdkörperpaket liegen. Ein weiterer Teil der Tätowierfarbe wird über die Lymphe abtransportiert und verbleibt in den Lymphknoten wie in einer Art Giftmüll-Endlager oder wird weiter in den Organismus geschwemmt. Autoimmunerkrankungen sind gelegentlich beobachtbar. Die betroffenen Lymphknoten verfärben sich jedenfalls.

Erst der Pathologe (Gewebekundler) erkennt unter dem Mikroskop den Unterschied zwischen "Lymphknoten-Tattoos" und Lymphknotenmetastasen von schwarzem Hautkrebs. Leider sieht man regelmäßig Tattoos, die über Leberflecke gestochen worden sind, sodass eine hautärztliche Diagnostik nicht mehr einfach möglich ist. Das Risiko, dass Zellen unbemerkt entarten, kann nicht ausgeschlossen werden.

Es gilt also definitiv das Motto "Think before you ink!".

Der stolze Adler im Dekolleté ist durch Hauterschlaffung zum schrumpligen flügellahmen Trauervogel geworden, der direkt im Intimbereich platzierte Name der Freundin hat sich kurzfristig geändert, oder das aufwendige Steißtattoo (Arschgeweih) ist schlicht aus der Mode gekommen.

Lasertechnik hilft bei Entfernung

Glücklicherweise ist die technische Entwicklung inzwischen so weit vorangeschritten, dass die wirksame Entfernung von Tattoos mittlerweile möglich ist – mittels moderner Lasertechnik. Mit nur noch einem kleinen Restrisiko, dass Narben übrig bleiben könnten. Der Laser gibt Lichtimpulse direkt an der Hautoberfläche ab und dringt in sie ein, die nehmen die Farbpigmente auf. Die Farbpartikel werden zersprengt, wie ein großer Felsen, der in kleinere Steine oder Sand zerlegt wird. Ein Teil dieser Steine wird über die Haut nach außen abgegeben, ein weiterer Teil durch die Lymphe abtransportiert und wieder ein Teil durch Immunzellen umschlossen.

Die Laserbehandlung muss mehrmals wiederholt werden, bis man möglichst alle Farbpigmente erwischt hat. Es stehen mehrere Lasertechniken zur Verfügung, mit unterschiedlichen Wellenlängen und Einwirkzeit des Lichtimpulses. Je nach Farbe und Behandlungsfortschritt kann man die Technik variieren.

Spitzenqualität im technischen Equipment muss sich allerdings mit einer guten Ausbildung und einem hohen Maß an Verantwortungsbewusstsein beim Therapeuten treffen: Die moderne Lasertechnik spielt eine ebenso große Rolle wie sein Know-how.

Therapie nur bei einem Arzt

Der Erfolg wird zudem durch die Art der Tätowierung (bunte Farben sind schwieriger zu behandeln als schwarze Farbe, Farbdichte, Farbmischung, Einstechtiefe), das Alter des Tattoos, ob es von einem Profi oder vom Laien gestochen wurde, und welcher Hauttyp (hell oder dunkel) vorliegt. Der Therapeut muss das aus der Haut des Patienten lesen, um zu beurteilen, ob Laser-Wellenlänge, Dosierung und Einwirkzeit des Laserimpulses gut zusammenpassen. Nur so kann ein optimales Behandlungsergebnis erreicht werden. Zudem muss er übermäßige Hautreaktionen noch während der Behandlung einschätzen und mögliche Gegenmaßnahmen einleiten können, eine effektive Nachbehandlung für die Abheilung ist wichtig.

Bei sehr seltenen, aber durchaus möglichen, starken allergischen Reaktionen hilft oft nur eine medikamentöse Gegenbehandlung. Das kann ein Kosmetiker oder "Laientherapeut" nicht leisten, daher gilt, dass die Therapie nur durch einen Arzt oder unter ärztlicher Aufsicht ausgeführt werden darf. Andere Methoden, die gerne auch fürs Do-it-yourself oder medizinische Laien beworben werden, führen häufig zu Verätzungen und Narben.

Bleiben Sie definitiv in Ihrer Seele farbenfroh und kommen Sie gesund durch die Zeit!

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Eigene Meinung
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Neueste Artikel
Themen A bis Z



TelekomCo2 Neutrale Website