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Unterschätzte Folgen: Grippewellen können gefährlich werden


Unterschätzte Folgen
Grippewellen können gefährlich werden

Von dpa
12.09.2018Lesedauer: 3 Min.
Eine Grippeinfektion ist alles andere als harmlos: Für die Saison 2016/17 geht RKI von 22.Vergrößern des Bildes
Eine Grippeinfektion ist alles andere als harmlos: Für die Saison 2016/17 geht RKI von 22.900 Grippetoten aus. Die vergangene Grippewelle könnte noch mehr Opfer gefordert haben. (Quelle: Maurizio Gambarini./dpa)

Berlin (dpa) - Welche Infektionskrankheit in Deutschland kann innerhalb weniger Monaten mehr als 20.000 Menschen das Leben kosten? Hand aufs Herz: Die wenigsten würden spontan an Grippe denken.

Fieber, Husten, ein paar Tage matt - na und? Das Unterschätzen der Influenza hat Folgen. Besonders im Alter kann Grippe zum Killer werden. Für die Saison 2016/17 geht das Robert Koch-Institut (RKI) von 22.900 Grippetoten aus. "Die vergangene Welle könnte sogar noch darüber liegen", sagt Forscherin Silke Buda.

Dass sich bisher nur ein Drittel der Senioren in Deutschland gegen Grippe impfen lässt, macht das Problem noch größer. "Das Immunsystem altert mit", sagt Silke Buda. Wer über 60 ist und vielleicht schon andere Krankheiten hat, ist besonders empfänglich für die Viren. "Mit keiner anderen Impfung lassen sich hierzulande mehr Leben retten", betont RKI-Präsident Lothar Wieler. Das Gesundheitssystem finanziert die Vorsorge. Die gesetzlichen Kassen gaben nach Angaben der Apothekenorganisation ABDA zuletzt in einer Grippesaison rund 1,2 Milliarden Euro aus - allein für 35 Millionen Dosen Impfstoff.

Doch auch in Krankenhäusern gibt es Impflücken. Nach einer RKI-Umfrage ließ sich in der Saison 2016/17 nur ein Drittel des Pflegepersonals mit dem kleinen Piks immunisieren. Damit ist nicht allein das Ansteckungsrisiko für Schwestern und Pfleger hoch - sie können auch Patienten anstecken. Doch Impfen allein würde noch nicht alle Probleme lösen. Dass Grippe gefährlich werden kann, hat weitere Gründe. Ausgewählte Faktoren:

- Lauernde Gefahr: Vor rund 100 Jahren brachte die "Spanische Grippe" wahrscheinlich mehr Menschen in Europa um als der Erste Weltkrieg. Das ist im kollektiven Gedächtnis jedoch nicht haften geblieben. Auch wenn die Lebensbedingungen heute viel besser sind und es deutlich mehr Medikamente gibt - Grippe-Seuchen (Pandemien) sind weiterhin möglich. Deshalb untersuchen ausgewählte Laboratorien auf der ganzen Welt ständig zirkulierende Influenzaviren und übermitteln Ergebnisse an die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Mit diesen Daten legt sie die Zusammensetzung für Impfstoffe jedes Jahr neu fest.

- Erreger: Die Erreger der Influenza sind Viren, die Wissenschaftler in die Typen A, B und C unterteilen. Für Menschen sind die saisonal auftretenden Influenza A- und B-Viren besonders relevant. Sie können durch winzige Tröpfchen - ein Niesen reicht schon - übertragen werden. Tückisch ist vor allem, dass Grippeviren einzelne ihrer Gensegmente schnell verändern können. So entstehen beim Typ A unterschiedliche Subtypen, beim Typ B neue Linien.

- Grippewellen: Die Stärke der Wellen kann von Jahr zu Jahr erheblich schwanken. Früher wechselten sich starke und schwache Saisons oft ab. In den vergangenen Jahren gab es laut RKI mehrere heftige Wellen hintereinander. Die Arbeitsgemeinschaft Influenza (AGI) schätzt, dass pro Jahr zwischen einer und sieben Millionen Bundesbürger wegen Grippesymptomen zum Arzt gehen. Im vergangenen Winter lagen die Werte sogar noch darüber - bei geschätzten neun Millionen Besuchen. Bei schweren Grippewellen können in Deutschland mehr als 20.000 Menschen sterben. In milden Saisons ist oft keine vermehrte Sterblichkeit durch Grippe zu belegen.

- Impfstoffe: Für die kommende Grippesaison gibt es von der Ständigen Impfkommission erstmals eine Empfehlung für einen Vierfachimpfstoff - mit jeweils zwei A- und B-Komponenten. Zuvor waren bei Grippewellen in Europa eher A-Subtypen dominant. Deshalb gab es eine Empfehlung für Dreifachimpfstoffe mit zwei A- und einer B-Komponente. Von der "Aufrüstung" gegen B-Viren profitieren nun auch Kassenpatienten. Zuvor hatten häufig nur Privatpatienten Vierfach-Dosen angeboten bekommen.

- Wirksamkeit: Bei einer sehr guten Übereinstimmung mit dem Impfstoff beobachten Forscher bei jungen Erwachsenen eine Schutzwirkung bis zu 80 Prozent. Ältere Menschen können ihr Risiko im Mittel halbieren - die Wirksamkeit liegt dann zwischen 40 bis 60 Prozent. Passen die Komponenten schlecht, kann die Wirksamkeit deutlich niedriger liegen. In der vergangenen Saison, als eine B-Linie (Yamagata) überraschend dominierte, lag der Schutz gegen dieses eine Virus bei der Dreifachimpfung laut RKI bei einem Prozent. Die A-Komponenten aber blieben wirksam. Eine Impfung gilt trotz dieser Unwägbarkeiten als bester Schutz, den es geben Grippe gibt.

- Zielgruppen: Die Ständige Impfkommission empfiehlt die Grippeimpfung generell Menschen ab 60 Jahren, Bewohnern von Alten- oder Pflegeheimen und Patienten mit chronischen Krankheiten oder Grundleiden jeden Alters. Eine Empfehlung gibt es auch für Schwangere. Der Vorteil ist, dass dann auch das Baby in den ersten Monaten einen Grippeschutz hat. Impfen lassen sollte sich auch medizinisches Personal.

- Zeitpunkt: Auch wenn noch die Sonne scheint: Grippeimpfungen sind im Oktober und November sinnvoll. Nach dem Piks dauert es 10 bis 14 Tage, bis sich der Impfschutz vollständig aufbaut. Die Wellen starten meist im Dezember oder Januar.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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