Mängel in der Pflege Zehntausende leiden unter schlechter Versorgung
Tausende neue Fachkräfte für die Pflege versprechen Union und SPD in einer vorläufigen Koalitionsvereinbarung – weil Heimbewohner oft mangelhaft versorgt werden. Ein neuer Bericht zeichnet ein erschreckendes Bild.
Schlecht versorgte Wunden, zu wenig Hilfe beim Essen, unzureichende Beatmung: Zehntausende Pflegebedürftige werden in Deutschlands Heimen Opfer mangelhafter Betreuung. In einigen zentralen Bereichen hat sich die Qualität der Pflege binnen weniger Jahre sogar verschlechtert. Das stellt ein nun veröffentlichter Qualitätsbericht der Medizinischen Dienste der Krankenkassen (MDK) fest.
Die Ergebnisse seien zwar insgesamt "gut", sagt Gernot Kiefer vom Vorstand des Kassen-Spitzenverbands, es gebe aber "Fehlentwicklungen". So bekam rund jeder vierte Bewohner, der eine Wundversorgung braucht, diese 2016 nicht ausreichend oder hygienisch unzulänglich. Drei Jahre zuvor war es nur rund jeder fünfte, den das betraf. Hier gebe es großen Handlungsbedarf, sagte Kiefer. Bei jedem vierten Bewohner wurde das Gewicht nicht kontrolliert, obwohl Gefahr für Gewichtsverlust bestand und sich dann die Pfleger nicht extra um Essen und Trinken kümmern. 2013 war dies nur jeder zehnte.
Leichte Verbesserungen gab es bei der Vorbeugung von Druckgeschwüren. Allerdings wurde dies weiter in jedem fünften Fall, in dem es nötig gewesen wäre, versäumt. 12,3 Prozent der Bewohner, die Hilfe bei Arzneien brauchten, bekamen falsche oder nicht sachgerechte Medikamente.
Beatmung nicht sachgerecht durchgeführt
Der Anteil der Heime, die speziell Stürzen vorbeugen, stieg von 86 auf 92 Prozent. Bei fast jedem zehnten Bewohner (8,9 Prozent) wurden zuletzt Bauchgurte oder andere freiheitsentziehende Maßnahmen angewendet – nach 12,5 Prozent 2013.
Auch ambulant werden Betroffene regelmäßig Risiken unzureichender Pflege ausgesetzt. So wurde bei jedem vierten künstlich beatmeten Pflegebedürftigen die Beatmung nicht sachgerecht durchgeführt oder dokumentiert. Nur jeder fünfte Betroffene bekommt von seinem Pflegedienst genügend Beratung über Leistungen, Vorbeuge-Möglichkeiten oder den Umgang mit Demenz.
Oft werde die Pflege negativ dargestellt
Mehr als jeder dritte Pflegedienst wies bei Prüfung der Abrechnungen mindestens eine Auffälligkeit auf, fast sieben Prozent sogar häufige Auffälligkeiten. Auch MDK-Geschäftsführer Peter Pick sprach davon, dass es Probleme gebe. Er betonte aber, oft werde die Pflegequalität durchweg negativ dargestellt. Das sei ein "Zerrbild".
Kiefer räumte ein, dass sich der neue Pflege-TÜV mit einem besseren Notensystem weiter verzögert. 2019 solle die Einführung beginnen, im Jahr darauf sollten die Heime flächendeckend nach neuen Kriterien bewertet werden. Ursprünglich hatte der Gesetzgeber eine Frist bis März 2017 für Vorschläge von offiziell beauftragten Wissenschaftlern zur Messung der Pflegequalität gesetzt. Noch werde daran gearbeitet, sagte Kiefer. Beim Pflege-TÜV werden Heime und Pflegedienste vom MDK geprüft und benotet. Die Noten gelten aber als viel zu gut und wenig aussagekräftig.
Union und SPD planen 8000 neue Fachkräfte
Die Pflege-Pläne von Union und SPD, die unter anderem ein Sofortprogramm für 8000 neue Fachkräfte versprechen, bewertete Kiefer zurückhaltend. Sie gingen in die richtige Richtung, die Maßnahmen seien aber nicht unbedingt durchweg sachgerecht. Kiefer sagte einen stabilen Pflegebeitragssatz bis 2020 oder 2021 voraus, allerdings baue die Pflegeversicherung derzeit ihre Überschüsse ab. Für mögliche Mehrkosten durch die GroKo-Pläne brauche es Steuermittel.
Weitere Informationen finden Sie im Überblicksartikel von t-online.de-Redakteur Jonas Schaible.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.