Pränataler Test Mehr Abtreibungen bei Down-Syndrom befürchtet
Seit einigen Jahren kann durch Bluttests ein Down-Syndrom bei Ungeborenen zuverlässig erkannt werden.
Ohne das Kind zu gefährden, kann mithilfe eines derzeit kostenpflichtigen Bluttests die Wahrscheinlichkeit für ein Down-Syndrom beim Ungeborenen berechnet werden. Geplante kostenlose Tests dieser Art könnten Experten zufolge zu mehr Abtreibungen führen.
Bluttests als Kassenleistung
"Wir befürchten, dass künftig weniger Kinder mit Down-Syndrom zur Welt kommen als bislang", sagt die Geschäftsführerin des Deutschen Down-Syndrom InfoCenters, Elzbieta Szczebak.
Die Einrichtung gehört zu einem Bündnis von Organisationen, das sich gegen Pläne des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) ausgesprochen hat, Bluttests für Risiko-Schwangere zur Kassenleistung zu machen. Dazu zählen unter anderem Frauen ab 35 Jahren.
Test soll allen Schwangeren zur Verfügung stehen
Die Deutsche Gesellschaft für Pränatal- und Geburtsmedizin (DGPDM) hält die Pläne aus "Gründen der Gerechtigkeit" für richtig. "So gibt es kein Gefälle mehr zwischen den Schwangeren, die sich den Test leisten können und denen, die ihn nicht bezahlen können", sagt der Präsident Dieter Grab. Bislang müssen Schwangere den ab rund 130 Euro teuren Bluttest meist selbst zahlen. Und sie tun es häufig: Die LifeCodexx AG – der erste Anbieter – hat eigenen Angaben zufolge seit 2012 in Deutschland rund 75.000 der sogenannten Praena-Tests verkauft.
"Es ist davon auszugehen, dass künftig deutlich mehr Frauen einen solchen Test machen werden. In der Summe wird es schon so sein, dass mehr Frauen einen Schwangerschaftsabbruch durchführen lassen", schätzt auch Grab. Es entscheiden sich derzeit etwa zehn Prozent der Schwangeren bewusst für ein Baby mit Down-Syndrom (Trisomie 21). 90 Prozent der Kinder kommen nicht zur Welt.
Entscheidung vermutlich im Herbst
Voraussichtlich im Spätsommer will der G-BA entscheiden, ob die Leistung in den Katalog der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen werden soll. Eine Sprecherin bestätigt, dass der Ausschuss am 22. März zunächst ein offizielles Stellungnahmeverfahren zu seinem Beschlussentwurf einleiten will.
Wie funktioniert der Bluttest?
Für die Tests wird den Schwangeren ab der elften Woche Blut abgenommen. Anhand der darin enthaltenen Chromosomenteile des Kindes oder der Plazenta kann unter anderem die Wahrscheinlichkeit berechnet werden, mit der das Kind mit Down-Syndrom auf die Welt kommen würde.
Mit einer Treffsicherheit von 99 Prozent gilt dieses Verfahren als statistisch sicherer als das sogenannte Erst-Trimester-Screening mit einer Quote von 95 Prozent. Dabei wird der Fötus in der 11. bis 14. Schwangerschaftswoche mit einem Ultraschallgerät vermessen, zusätzlich werden bestimmte Blutwerte der Mutter analysiert. Nach Angaben der Praena-Test-Anbieter liegt die Falsch-Alarm-Rate bei 0,1 Prozent – das bedeutet, eine von 1.000 Frauen bekommt mit dem Test fälschlicherweise die Information, ihr Kind habe Trisomie 21.
Die Fruchtwasseruntersuchung
Lange ließ sich während der Schwangerschaft nur mit einer Fruchtwasseruntersuchung feststellen, ob das Kind eines seiner Chromosomen drei- statt zweifach besitzt. Bei unklaren Befunden nach Bluttests oder Erst-Trimester-Screenings empfehlen die Ärzte diesen Test zur Absicherung weiterhin. Auch ein Trisomie-Befund nach den nichtinvasiven Verfahren müsse durch eine Fruchtwasseruntersuchung bestätigt werden, erläutert der Berliner Pränataldiagnostiker Holger Janke. Sie birgt Risiken: Laut Grab überleben etwa ein bis drei von 1.000 Föten den Eingriff nicht.
Mögliche andere Krankheiten werden vernachlässigt
"Insgesamt ist der Bluttest dennoch kritisch zu betrachten", gibt der DGPGM Präsident zu bedenken. "Man sucht damit ja lediglich nach den Trisomien 13, 18 und 21. Alles andere, was es an Entwicklungsstörungen gibt, würde unter den Tisch fallen", warnt der Arzt. "Man darf nicht glauben, dass mit dem Bluttest die gesamte pränatale Diagnostik erledigt ist. Er ist kein Ersatz für normalen Standard der Überwachung", ergänzt er.
"Bei der Ultraschalluntersuchung im Erst-Trimester-Screening haben wir die Chance, den Kindern zu helfen, denn es werden auch wichtige Organe wie Herz, Magen und Gehirn untersucht", ergänzt Holger Janke. Das sei vielen nicht bekannt. "Es geht bei Schwangeren oft nur um die Frage: Down-Syndrom, ja oder nein?". Janke befürchtet, dass Frauen künftig nur noch den Bluttest nutzen und dadurch Krankheiten, die sich schon im Bauch behandeln lassen – wie etwa ein offener Rücken – zu spät erkannt werden.
Beratungs- und Hilfsangebot muss verbessert werden
Grab weist auch auf ein ethisches Problem hin: "Man entdeckt die Trisomie 21 damit noch häufiger. Das muss einem bewusst sein." Andererseits müsse aus seiner Sicht jedes Paar selbst entscheiden dürfen, ob es sich in der Lage fühlt, ein Kind mit schwerwiegenden Entwicklungsdefiziten aufzuziehen. Bei den Chromosomenstörungen 13 und 18 geben Ärzte Kindern keine Chancen – anders als bei der Trisomie 21.
Down-Syndrom-Organisationen warnen davor, dass die Angst vor Behinderung verstärkt werde und Menschen mit Beeinträchtigungen in der Gesellschaft als "vermeidbar" und nicht willkommen bewertet würden. Eltern von Kindern mit Behinderung gerieten immer stärker unter Rechtfertigungsdruck – nach dem Motto: Ihr hättet es doch wissen können, wie Szczebak sagt. "Auch viele Menschen mit Down-Syndrom sind sehr besorgt. Sie fragen: 'Warum sollen wir nicht leben?'"
Sie fordert, das Beratungs- und Hilfsangebot für Schwangere und betroffene Familien stärker auszubauen. Bislang sei die Beratung Schwangerer oft defizitorientiert. "Ärzte sagen ihnen oft sofort: 'Sie müssen das Kind nicht bekommen.'" Diese Sichtweise müsse sich ändern, fordert die Familienberaterin.
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Rund 101.000 Schwangerschaftsabbrüche gab es laut Statistischem Bundesamt im vergangenen Jahr deutschlandweit. In rund 3.800 Fällen lag eine medizinische Indikation vor – etwa eine hohe psychische Belastung der Frau wegen der Trisomie ihres Kindes. Bekommt eine Schwangere eine solche Bescheinigung, ist eine Abtreibung auch nach der zwölften Woche nach Empfängnis noch straffrei möglich.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- Nachrichtenagentur dpa