Freunde und Familie Krebsdiagnose im Umfeld: Wie stehe ich Betroffenen bei?
Vielleicht hat es den Vater getroffen, die Arbeitskollegin, den Nachbarn: die Diagnose Krebs. Darf man die Person darauf ansprechen? Und wenn ja: wie?
Es ist ein Gedanke, der Druck nehmen kann: Wenn man mit Menschen über ihre Krebserkrankung spricht, muss nicht alles perfekt laufen. Es ist normal, dass solche Gespräche manchmal holprig sind, dass es unangenehme Pausen gibt. Unsicherheiten dürfen sein – und man darf sie auch aussprechen. Das sagt Prof. Anja Mehnert-Theuerkauf, Vorstandsmitglied der Deutschen Krebsgesellschaft.
"Ein Weg kann auch immer Ehrlichkeit sein", so die Psychologische Psychotherapeutin. "Also zum Beispiel, dass man sagt: 'Ich bin mir gar nicht sicher, ob du gerade über deine Krebserkrankung sprechen magst. Aber ich möchte dich trotzdem fragen, wie es dir geht.'"
Die Signale deuten – und einhaken
Diese Herangehensweise kann sowohl bei Menschen funktionieren, die einem nahestehen, als auch bei solchen, mit denen man weniger vertraut ist, etwa dem Nachbarn oder der Arbeitskollegin. Doch vorher stellt sich die Frage: Sollte man diese Personen überhaupt auf die Erkrankung ansprechen, wenn man von ihrer Krebsdiagnose weiß?
Mehnert-Theuerkauf rät dazu, die Signale zu deuten. "Sagt jemand so gar nichts über die Krankheit, kann das ein Zeichen sein, dass er oder sie wirklich nicht darüber reden mag. Wenn jemand aber fallen lässt: 'Ich war im Krankenhaus', dann kann man das im Gespräch aufgreifen und schauen, wie derjenige reagiert."
In der Familie: Das Schweigen nicht gewinnen lassen
Geht es um einen Krebsfall in der Familie, sei es allerdings wichtig, dass nicht das Schweigen über die Erkrankung einzieht. "Über das Thema zu sprechen, kann am Anfang schwer sein, entlastet mittelfristig aber sowohl die Betroffenen als auch die Angehörigen und Freunde."
Ganz abgesehen davon, dass es Angelegenheiten gibt, die Familien klären müssen – zum Beispiel, wenn es um das Aufsetzen einer Patientenverfügung geht. Und natürlich möchten enge Angehörige wissen, was die erkrankte Person beschäftigt, wie sie fühlt, was sie braucht. Auch wenn es für beide Seiten nicht leicht ist, Worte zu finden.
Sinnvoll sind offene Fragen: Was brauchst du momentan? Oder: Wie geht es dir heute? Was Mehnert-Theuerkauf zufolge bei vielen Krebskranken hingegen nicht gut ankommt: Ratschläge oder Floskeln wie "Kopf hoch" oder "Das wird schon wieder". Beides könne dazu führen, dass das Gespräch schnell zum Erliegen kommt, weil sich die erkrankte Person nicht ernst genommen fühlt.
Tipp: Beim Spazieren reden
Die Psychotherapeutin hat noch einen Tipp, wie solche Gespräche über Krebs besser laufen können. Und zwar: beim Spazieren. "Man muss sich nicht die ganze Zeit anschauen, hält Pausen besser aus. Das ist für so ein Gespräch einfach angenehmer, als wenn man sich gegenübersitzt und sich am Tisch festhält." Und man könne danach noch etwas Schönes unternehmen, auf einen Kaffee einkehren beispielsweise.
Und was, wenn so ein Gespräch über Krebs emotional wird, auf einmal die Tränen kullern? Davor haben viele Angehörige Angst. Helfen kann es, die Perspektive auf das Weinen zu verändern. "Weinen ist ein Teil der seelischen Verarbeitung, zum Beispiel von Wut", erklärt Anja Mehnert-Theuerkauf. Und: Fließen die Tränen, öffnet sich ein Mensch – und das kann eine Bindung in so einer Krise noch enger machen.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- Nachrichtenagentur dpa