Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Debatte über Sterbehilfe Absage an einen würdevollen Tod
Das Thema Sterbehilfe ist hochumstritten – und befindet sich in Deutschland in einer rechtlichen Grauzone. Dass das vorerst so bleibt, ist eine unerträgliche Zumutung.
Wir alle hatten keinen Einfluss auf unseren Anfang. Dass wir gezeugt, wo wir geboren und als wessen Kind wir aufwachsen werden – das alles ist Sache des Zufalls. Anders aber verhält es sich mit dem Ende eines Menschenlebens.
Auch wenn wir alle möglichst lange leben wollen – dass Menschen an einen Punkt kommen können, an dem ihnen Selbsttötung als der einzige Ausweg erscheint, dafür gibt es gute Gründe. Eine fortschreitende Demenz etwa oder unerträgliche Schmerzen durch eine schwere, nicht heilbare Krebserkrankung.
Weiter keine klaren Gesetze zur Sterbehilfe
Doch in welchen Fällen Sterbewillige legal Zugang zu tödlichen Medikamenten erhalten können und wann andere sie dabei straflos unterstützen dürfen, darüber gibt es politisch leider noch keinen Konsens. Obwohl eine klare gesetzliche Regelung fehlt, konnte sich der Bundestag am 6. Juli nicht auf eine Reform der Sterbehilfe einigen. Das ist für jene, die ihrem Leben aufgrund unerträglicher Leiden ein Ende setzen wollen, eine Zumutung. Es wäre höchste Zeit gewesen, dass der Gesetzgeber Klarheit schafft, unter welchen Bedingungen wir selbstbestimmten Suizid als Gesellschaft akzeptieren, Betroffene in ihrem Wunsch aktiv unterstützen und gleichzeitig – so weit wie möglich – Missbrauch verhindern.
Denn seit Jahren bewegt sich, wer Beihilfe zum Suizid leistet, in einer rechtlichen Grauzone. Und das bedeutet selbst für Menschen mit einer unheilbaren, tödlichen Erkrankung weiterhin oft, dass todbringende Medikamente nur unter großen Schwierigkeiten legal zu bekommen sind.
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts war Meilenstein
Es war ein guter und wichtiger Meilenstein, als das Bundesverfassungsgericht im Februar 2020 das Verbot der "geschäftsmäßigen Sterbehilfe" für verfassungswidrig erklärte und argumentierte, das Recht auf selbstbestimmtes Sterben beinhalte auch die Freiheit, "hierfür bei Dritten Hilfe zu suchen und Hilfe, soweit sie angeboten wird, in Anspruch zu nehmen".
Doch solange klare Gesetze zur Sterbehilfe fehlen, verharren wir weiter in einem belastenden Schwebezustand.
Dass es anders ginge, zeigen liberale Vorbilder wie die Niederlande. Dort ist seit 2002 die aktive Sterbehilfe durch einen Arzt straffrei, wenn bestimmte Voraussetzungen ärztlich bestätigt erfüllt sind: Zum einen muss der Wunsch zur Selbsttötung freiwillig vom Patienten geäußert werden. Die Person muss sich zudem in einer medizinisch ausweglosen Situation befinden, sich dessen bewusst sein und alle weiteren – auch palliativen – Behandlungsmöglichkeiten ablehnen.
Keine leichtfertige Hilfe zur Selbsttötung
Natürlich darf eine gesetzliche Regelung nicht dazu führen, dass Suizidhilfe auch depressive Menschen in Anspruch nehmen können, die eigentlich psychologische und psychiatrische Hilfe bräuchten. Genauso darf älteren, hilfsbedürftigen Menschen nicht das Gefühl vermittelt werden, sie sollten lieber früher als später aus dem Leben scheiden, um anderen nicht mehr zur Last zu fallen.
Der Staat muss das Leben jedes Einzelnen schützen. Dazu gehört auch, suizidwillige Menschen zuerst mit allen sinnvollen Mitteln – wie Therapie- und Gesprächsangeboten – dabei zu unterstützen, ihren Lebenswillen bestenfalls zurückzugewinnen.
Ein Leben in Würde beinhaltet auch einen würdevollen Tod
Wenn allerdings das alles nichts am Sterbewunsch ändert, müssen diese Menschen das Recht haben, über Art und der Zeitpunkt ihres Todes selbst zu entscheiden.
"Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt", heißt es in Artikel 1 des Grundgesetzes. Zu einem Leben in Würde muss aber auch die Freiheit gehören, das eigene Dasein würdevoll und selbstbestimmt zu beenden.
Dieser schwere letzte Schritt sollte unter klar definierten Bedingungen sorgenlos und sicher gangbar sein. Denn das Letzte, was wir einem leidenden Menschen zumuten sollten, ist ein Abschied in Angst, Einsamkeit und noch mehr Schmerz.
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- Eigene Recherche
- Mit Material der Nachrichtenagenturen AFP und dpa