Influencer machen es vor Einstiegsdroge E-Zigarette? Experten fordern ein Verbot von süßen Aromen
Sie sind klein, bunt und kommen in verschiedensten Geschmacksrichtungen. Doch die nach Spielzeug aussehenden E-Zigaretten bergen Gesundheitsrisiken.
Ob auf dem Sportplatz, in der Einkaufszone oder sogar auf dem Schulhof: Immer mehr Jugendliche greifen zu sogenannten Vapes, selbst Zwölfjährige sieht man mit Einweg-E-Zigaretten den oft nikotinhaltigen, aromatisierten Dampf einatmen. Der Sucht- und Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Burkhard Blienert, warnt vor den Gefahren der Geräte, die eigentlich nur an Erwachsene verkauft werden dürfen und zudem die Umwelt belasten.
Die fruchtigen, süßen Aromen könnten junge Menschen zum Rauchen animieren, der Weg zur richtigen Zigarette sei dann nicht mehr weit. "Alle Anreize, die Jugendliche unnötig auf den Geschmack bringen könnten, gehören aus meiner Sicht abgeschafft", sagt Blienert. Daher sei "ein konsequentes Verbot von Aromen sinnvoll", betont der Drogenbeauftragte.
Rauchen liegt wieder im Trend
Laut der Ende 2022 veröffentlichten Deutschen Befragung zum Rauchverhalten (Debra) hat sich der Anteil der Raucherinnen und Raucher unter den 14- bis 17-Jährigen innerhalb eines Jahres nahezu verdoppelt - von 8,7 auf 15,9 Prozent. Bei den 18- bis 24-Jährigen stieg er von 36,1 auf 40,8 Prozent.
Auch bei der Nutzung von E-Zigaretten und ähnlichen Produkten gab es einen starken Anstieg. Bei den 14- bis 17-Jährigen stieg der Konsum von 0,5 auf 2,5 Prozent und bei den 18- bis 24-Jährigen von 2,4 auf 4,0 Prozent.
Influencer zeigen sich in sozialen Netzwerken gern in einer Dampfwolke mit Vapes in der Hand. Zu #vape oder #vaping gibt es Tausende Beiträge, etwa auf TikTok. Deutschrapper wie Haftbefehl oder 187 Strassenbande haben sogar eigene Vapes auf den Markt gebracht.
Ist ein Aromaverbot sinnvoll?
"Die E-Zigaretten wirken clean und trendy. Im Grunde wird ein Zerrbild des gesunden Rauchens vermittelt", sagt Rainer Thomasius, der das Deutsche Zentrum für Suchtfragen des Kinder- und Jugendalters am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) leitet. Er plädiert für ein schnelles Verbot von Aromastoffen sowie ein Werbeverbot. "Die Suchtprävention in Deutschland hat bei diesem Thema geschlafen", kritisiert der Kinder- und Jugendpsychiater. Bisher gebe es vonseiten der Politik nur Ankündigungen von strengeren Maßnahmen.
Australien dagegen verbietet künftig die Einfuhr von allen Vapes, die nicht für Apotheken bestimmt sind. Die Regierung begründet diesen Schritt mit dem Jugendschutz. "Keine Kaugummi-Aromen mehr, keine rosa Einhörner oder E-Zigaretten, die als Textmarker getarnt sind, damit Kinder sie in ihren Federmäppchen verstecken können", sagte Gesundheitsminister Mark Butler am 2. Mai. Wer dampfe, werde mit einer dreimal höheren Wahrscheinlichkeit auch mit dem Rauchen von Tabakzigaretten anfangen.
Das Bündnis für Tabakfreien Genuss (BFTG), ein Zusammenschluss von Unternehmen der E-Zigaretten-Branche, sieht das anders und verweist auf eine bereits 2016 erschienene Studie, wonach 98 Prozent der E-Zigaretten-Nutzer erwachsene Ex-Raucher seien. Laut dem BFTG-Vorsitzenden Dustin Dahlmann seien Aromen wichtig für den Umstieg auf und das Dranbleiben an der E-Zigarette. Das Beispiel USA zeige: "Wenn Aromenverbote für E-Zigaretten ausgesprochen werden, steigt die Zahl der Raucher wieder und der illegale Handel blüht auf."
Für Erwachsene gedacht
Es sei nicht im Sinn der Hersteller, dass TikTok-Stars oder Rapper E-Zigaretten bewerben, betont Dahlmann. "Jugendliche oder Nichtraucher sollten weder rauchen noch dampfen. Die E-Zigarette ist eine Alternative für erwachsene Raucher, um einen Tabakstopp zu erreichen." Unternehmen hätten sich auf eine Selbstverpflichtung für verantwortungsvolle Werbung geeinigt. Dazu gehöre, dass keine Personen im Alter von unter 30 Jahren gezeigt würden.
Die Geräte mit Geschmacksrichtungen wie Blaubeere, Donut oder Erdnussbutter zielen aber auf den Markt der Kinder und Jugendlichen ab, betont dagegen die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS). Zahlreiche Studien belegen demnach, dass es einen Übergang vom Probieren von E-Zigaretten zum Rauchen von Tabakzigaretten gebe.
Laut DHS bestehen "grundlegende Zweifel an einem positiven Effekt der E-Zigarette auf die rauchende Bevölkerung".
Nur bedingt weniger schädlich
Wegen ihres hohen Nikotingehalts machen viele Einweg-E-Zigaretten schnell abhängig, warnt der Leiter der Debra-Studie, Daniel Kotz, vom Schwerpunkt Suchtforschung am Institut für Allgemeinmedizin der Universität Düsseldorf. Manche Vapes enthalten laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) doppelt so viel Nikotin wie herkömmliche Zigaretten.
In Studien zu Gesundheitsrisiken von E-Zigaretten seien bereits Herz-Kreislauf-Erkrankungen, hoher Blutdruck und Lungenprobleme nachgewiesen worden.
Nach Angaben des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Heidelberg ist der Konsum von E-Inhalationsprodukten im direkten Vergleich zum Tabakrauchen wahrscheinlich etwas weniger schädlich, da die Liquids nicht verbrannt, sondern erhitzt werden. Allerdings enthalte das Aerosol von E-Zigaretten gesundheitsschädliche Substanzen, wie beispielsweise Formaldehyd und Acrolein. Tabakrauchen ist laut DKFZ in Deutschland jährlich für 127.000 vorzeitige Todesfälle verantwortlich. Das stark abhängig machende Nikotin stehe im Verdacht, Krebs zu erzeugen.
Studien zeigten zudem, dass auch die Aromatisierung der Flüssigkeit in den Geräten gesundheitliche Risiken bergen und etwa eine entzündungsfördernde Wirkung haben könnte. Damit wären auch Vapes ohne Nikotin bedenklich.
Bessere Aufklärung nötig
Suchtberatungen beobachten die Verbreitung der Vapes unter Teenagern mit Sorge. "Über Jahre ist es gelungen, das Rauchen unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu reduzieren", sagt Tobias Trillmich von der Niedersächsischen Landesstelle für Suchtfragen. "Rauchen war uncool, ungesund, hatte ein schlechtes Image."
Auch weil sich Rapper und Influencer mit E-Zigaretten zeigten, würden sie für manche Jugendliche wieder reizvoller. Hinzu komme der niedrige Preis. "Es ist erwiesen, dass gerade bei Jugendlichen der Preis einen Einfluss auf das Konsumverhalten hat." Durch Onlineshops sei es zudem schwer, die Auflagen des Jugendschutzes durchzusetzen.
Trillmich plädiert für eine bessere Aufklärung, auch der Eltern. Die ahnten oft nicht, dass die harmlos aussehenden Dinger im Kinderzimmer erhebliche Mengen Nikotin enthalten und eine hohe Gefahr der Abhängigkeit bergen könnten.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- Nachrichtenagentur dpa