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Apotheken schlagen Alarm: Diese Medikamente werden in Deutschland knapp


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Apotheken schlagen Alarm
Schmerzmittel und Insulin sind knapp


Aktualisiert am 10.11.2022Lesedauer: 5 Min.
Tabletten und Kapseln: Viele Medikamente sind von Lieferengpässen betroffen.Vergrößern des Bildes
Tabletten und Kapseln: Viele Medikamente sind von Lieferengpässen betroffen. (Quelle: Monika Skolimowska/dpa)
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Hunderte Arzneimittel sind derzeit Mangelware – für Patienten eine große Belastung. Welche Wirkstoffe fehlen? Und droht in Deutschland ein Versorgungsengpass?

Ob Diabetes-, Schmerz- und Narkosemittel oder Fiebersaft für Kinder: In Deutschland werden viele Medikamente knapp. Laut dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bestehen derzeit Lieferengpässe bei 291 verschreibungspflichtigen Medikamenten. Nicht nur in Apotheken, sondern auch in Krankenhäusern fehlen etliche Arzneimittel.

Die Gefahren sind lange bekannt

Die Gründe sind vielfältig – und das Problem ist ingesamt nicht neu. Der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (Abda) zufolge gehören die Lieferengpässe "schon seit Jahren zu den größten Ärgernissen für die Apotheken".

Durch den Mehraufwand in der Beschaffung von alternativen Medikamenten – etwa in Bezug auf den Hersteller oder die Darreichungsform – geht wertvolle Zeit für den Patienten verloren, so Christian Splett, stellvertretender Pressesprecher des Abda. Dieser Aufwand sei jedoch nötig, damit die Versorgung von Patienten und Patientinnen gesichert sei, mahnt er.

Diese Medikamente sind derzeit betroffen

Die Liste der betroffenen Arzneien ist lang. Sie umfasst laut Abda-Sprecher Splett neben nur selten nachgefragten Medikamenten auch solche, die "millionenfach gebraucht werden". Allerdings verändere sich die Liste ständig und einige Wirkstoffe seien nur relativ kurz nicht verfügbar.

Dennoch bedeutet der Zustand für Patienten eine teils enorme Belastung. Im Folgenden sind einige der wichtigsten, verschreibungspflichtigen Arzneimittel aufgelistet, die derzeit nicht verfügbar sind:

  • Medikament zur Behandlung von Reizhusten (zum Beispiel: Codeinphosphat und Dihydrocodein)
  • Medikament zur Behandlung bei akutem Herzinfarkt, akuter Lungenembolie und akutem ischämischem Schlaganfall (zum Beispiel: Alteplase)
  • Insulinanaloga zur Behandlung von Diabetes Mellitus (zum Beispiel: Insulin aspart,
    Insulin lispro)
  • Schmerz- und Narkosemittel (zum Beispiel: Paracetamol, Ibuprofen, Fentanyl, Lachgas, Oxycodonhydrochlorid, Morphinsulfat)
  • Antibiotika (zum Beispiel: Linezolid, Phenoxymethylpenicillin, Sulfamethoxazol)
  • Asthmamittel (zum Beispiel: Flutiform, Budesonid)
  • Schilddrüsentherapeutikum (zum Beispiel: Levothyroxin)
  • Medikamente zur Behandlung von Hautreaktionen (zum Beispiel: Hydrocortison, Prednicarbat)
  • Augenmedikamente (zum Beispiel: Acitretin, Dexamethason-haltige Augentropfen)
  • Medikament zur Behandlung von Lebererkrankungen (zum Beispiel: Ornithinaspartat)
  • Medikamente zur Behandlung von psychischen Erkrankungen

Ist das benötigte Medikament nicht verfügbar, sind die Möglichkeiten für Betroffene begrenzt. Experten raten in diesem Fall, in verschiedenen Apotheken nachzufragen und sich von Ärzten und Apothekern zu möglichen Ersatzpräparaten beraten zu lassen.

Wird es zu einem Versorgungsengpass in Deutschland kommen?

Nein, von einem Lieferengpass auf eine generell drohende Versorgungsknappheit zu schließen, wäre falsch, so die Einschätzung der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände. Es sei zwar schwierig, eine Aussage für jeden einzelnen Wirkstoff zu treffen, erklärt Splett. Allerdings gehe man "weiterhin von einer stabilen Versorgung in Deutschland aus".

Auch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte betont: Nur weil ein Medikament kurzfristig nicht geliefert werden kann, also ein Lieferengpass vorliegt, bedeute das nicht automatisch, dass es zu einem Versorgungsengpass in der Bevölkerung kommen wird.

Was ist ein Lieferengpass?

Laut dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ist ein Lieferengpass als eine über voraussichtlich zwei Wochen hinausgehende Unterbrechung einer Auslieferung im üblichen Umfang definiert. Auch eine deutlich vermehrte Nachfrage, der nicht angemessen nachgekommen werden kann, kann demzufolge einen Lieferengpass bedeuten.

Ist ein Arzneimittel also über voraussichtlich zwei Wochen oder länger nicht lieferbar, prüft das BfArM, ob die Versorgung der Bevölkerung gefährdet ist. Hierbei ist wichtig, ob alternative Präparate zur Verfügung stehen – und ob diese Alternativen lieferbar sind. Wenn diese Kriterien erfüllt sind, ist die Versorgung weiter sichergestellt, heißt es auf der Internetseite des Bundesinstituts.

Kommt es zu einer zeitweisen Versorgungsknappheit – wie es zu Beginn des Jahres etwa bei dem Brustkrebsmittel Tamoxifen der Fall war – sei es wichtig, alle Beteiligten zu informieren, erklärt Christian Splett vom Abda. Das heißt unter anderem: die Patienten zu bitten, dass sie keine Medikamente horten.

Zudem müssten die Hersteller aufgerufen werden, mehr zu produzieren. Die Ärzte sollten gebeten werden, dass sie Medikamente nur bedarfsgerecht verordnen. Die Apotheken wäre aufgerufen, Medikamentenpackungen mit Augenmaß abzugeben. Nur so könne sichergestellt werden, dass die Menschen, die ein Medikament am dringendsten brauchen, es auch bekommen.

Mentale Belastung für Patienten

Für Betroffene bedeuten Lieferengpässe einen enormen Kraft- und Zeitaufwand. Auch die Unabhängige Patientenberatung (UPB) kann – neben dem Ausweichen auf Ersatzmedikamente – nur raten, das nötige Medikament in verschiedenen Apotheken zu suchen. Im schlimmsten Fall bleibt die Suche erfolglos.

Die einzige Alternative: Ersatzmedikamente. Das können Arzneien eines anderen Herstellers sein, oder sie unterscheiden sich von dem ursprünglichen Medikament im Bezug auf die Darreichungsform.

Allerdings kann diese Umstellung Betroffene verunsichern, weiß die UPB. Ein Beispiel: Auch Medikamente zur Behandlung von psychischen Erkrankungen sind aktuell von Lieferengpässen betroffen. Gerade bei psychischen Erkrankungen sei jedoch eine medikamentöse Umstellung häufig schwieriger. In manchen Fällen drohe eine Verschlechterung des Krankheitszustands.

Welche Ursachen stecken hinter den Lieferengpässen?

Eine Ursache für die derzeitige Entwicklung sehen viele Experten im Kostendruck im Gesundheitswesen. Das führe dazu, dass "die Krankenkassen nur die preiswertesten Medikamente bezahlen und Hersteller ihre Produktion nach China oder Indien verlegen, um möglichst preiswert zu produzieren", so Christian Splett von der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände.

Das bestätigt auch eine Studie aus dem Jahr 2020, die die Herkunft der hierzulande benötigten Wirkstoffe untersuchte und eine Übersicht der Herstellungsstätten von mehr als 500 Wirkstoffen bietet. Das Ergebnis: Der überwiegende Teil der in Deutschland verwendeten Arzneimittelwirkstoffe – etwa 65 Prozent – kommt inzwischen aus Asien. Dabei ist die Produktion in Indien und China in den letzten 20 Jahren am stärksten angestiegen.

Die Studie wurde im Auftrag von Pro Generika erstellt – einem Verband, der sich für die Interessen von Generikaunternehmen einsetzt.

Generika

Der Begriff Generika bezeichnet Arzneimittel, die den identischen Wirkstoff wie ein ehemals patentgeschütztes Präparat enthalten und deshalb genauso wirken. Generika dürfen erst dann auf den Markt kommen, wenn das Patent für das Original abgelaufen ist. Generika sind meistens kostengünstiger als das Originalpräparat.

Die Auslagerung der Produktion nach Fernost birgt Risiken, meint Abda-Vertreter Splett: So könnten Logistikketten plötzlich unterbrochen werden, weil eine Fabrik die Qualitätsstandards nicht erfüllt oder sich das Ablegen eines Frachtschiffs verzögert.

Eine weitere Ursache sehen Experten in der Monopolisierung der Märkte. Das heißt: Viele europäische Medikamentenhersteller beziehen durch den Kostendruck ihre Wirkstoffe nur noch von einem einzigen Lieferanten. Gerät nun die Produktion einer einzigen Firma in Verzug, kann das zu einem Lieferengpass eines Medikaments von gleich mehreren Herstellern führen. Denn in kurzer Zeit einen anderen Wirkstofflieferanten oder eine andere Produktionsfirma zu finden, die die Produktion übergangslos weiterführen könnte, ist oft nicht möglich.

Der Kostendruck und die Globalisierung sind demnach die entscheidenden Ursachen dafür, dass seit mehreren Jahren immer wieder Medikamente nicht lieferbar sind. Aber auch die Umstände der jüngsten Jahre haben Auswirkungen. So ist der Bedarf an vielen Arzneimitteln durch die Corona-Krise und den Krieg in der Ukraine gestiegen, insbesondere an Schmerz-, Fieber- und Narkosemitteln.

Blick in die Zukunft: Günstig oder sicher?

Das Europäische Parlament hat bereits im Jahr 2020 gefordert, Europas Unabhängigkeit im Gesundheitsbereich abzusichern. Für eine bessere Versorgung soll gewährleistet werden, dass die lokale Arzneimittelproduktion gefördert und nationale Gesundheitsstrategien auf EU-Ebene besser koordiniert werden.

Auch für den Apothekerverband ist klar: Wenn man auf eine bessere Versorgungssicherheit in Deutschland abzielt, könnte das bedeuten, dass man die Arzneimittelproduktion für bestimmte wichtige Wirkstoffe entweder in Europa hält oder wieder hier ansiedeln muss. Eine zuverlässige Arzneimittelversorgung sei allerdings nicht zu "Dumping-Preisen" zu haben.

Klar ist jedoch auch: Eine Rückverlagerung der Produktion nach Europa würde Jahre dauern und erfordert hohe Investitionen.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
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