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Sanktionen gegen russische Oligarchen: Das Netz um Putins Freunde wird enger


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Sanktionen gegen Oligarchen
Das Netz um Putins Freunde soll enger werden


Aktualisiert am 03.03.2022Lesedauer: 6 Min.
Ganz nah dran: Aleksey Mordashov 2018 im Gespräch mit Wladimir Putin. Der Oligarch fühlt sich zu Unrecht sanktioniert.Vergrößern des Bildes
Ganz nah dran: Aleksey Mordashov 2018 im Gespräch mit Wladimir Putin. Der Oligarch fühlt sich zu Unrecht sanktioniert. (Quelle: imago-images-bilder)
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Russlands Oligarchen verdanken ihren Reichtum auch Wladimir Putin – und stützen im Gegenzug den russischen Präsidenten. Mit gezielten Sanktionen will der Westen nun einen Keil in dieses Machtgefüge treiben.

Präsident Joe Biden lässt keinen Zweifel daran, dass sich der Wind für Russlands Oligarchen gedreht hat – egal, ob in den USA, Europa oder Großbritannien. "Wir kommen, um ihre unrechtmäßigen Gewinne zu holen." Mit diesen Worten sagte der US-Präsident am Dienstabend den Reichen rund um Putin den Kampf an.

Ein Beispiel für den ungeheuren Luxus, den manche Russen in der Gunst Putins angehäuft haben, ist Roman Abramowitsch, dem neben einer Londoner Villa im Wert von 200 Millionen US-Dollar auch der prestigeträchtige Fußballverein FC Chelsea gehört.

Die USA, Großbritannien und die EU haben diesen Reichtum nun als Einfallstor für ihre Strafmaßnahmen entdeckt: Sie wollen mit ihren Sanktionen immer mehr russische Oligarchen anvisieren und so einen Keil zwischen Putin und seine Unterstützer treiben.

Damit kommt der Westen den Forderungen nach, die vor allem viele Ukrainer immer wieder stellen. Erst am Dienstag richtete die ukrainische Reporterin und Aktivistin Daria Kaleniuk einen hochemotionalen Appell an den britischen Premier Boris Johnson.

Ukrainische Aktivisten: Beschlagnahmt ihre Anwesen

"Die Kinder in der Ukraine spüren die Folgen unter Putins Handel, aber Oligarchen wie Roman Abramowitsch nicht. Warum ist er nicht sanktioniert? Seine Kinder sind nicht inmitten der Bombardierungen, seine Kinder sind in London – in ihren Luxusanwesen", sagte sie aufgewühlt. "Sind diese Anwesen beschlagnahmt worden? Ich sehe davon nichts."

Abramowitsch scheint den steigenden Druck zu spüren, auch wenn er aktuell noch auf keiner Sanktionsliste steht: Er gab die Verantwortung über seinen Fußballverein FC Chelsea überhastet ab und kündigte kurz darauf noch den Verkauf an. Dazu soll er nach britischen Medienberichten ebenso übereilt versuchen, sein Anwesen in London und eine weitere Wohnung zu verkaufen. Andere Oligarchen, wie etwa Oleg Deripaska, verlegen ihre Luxusyachten an internationale Häfen, die außerhalb der Wirkung der Nato liegen.

Wird er es rechtzeitig schaffen? Chris Bryant, ein Labour-Politiker im britischen Parlament, sagte der britischen Zeitung "Guardian": "Meine Sorge ist, dass wir zu lange mit den Sanktionen brauchen." Gegen 120 russische Geschäftsleute kündigte allein Großbritannien Sanktionen an, bisher sind aber nur eine Handvoll Superreicher tatsächlich betroffen.

Putin soll seine reichen Freunde verlieren

Konkret sehen die Sanktionen unter anderem so aus: Wessen Name auf einer entsprechenden Liste steht, hat keinen Zugriff mehr auf seine Gelder in dem Land, das die Sanktionen ausgesprochen hat – etwa in den USA, Großbritannien oder in den EU-Staaten. Zudem wird die Reisefreiheit eingeschränkt.

Dass der Westen nun einzelne Millionäre und Milliardäre gezielt in ihre Sanktionen aufnimmt, hat einen Grund: Die Superreichen, die durch den russischen Präsidenten zu Luxus gelangten, stützen Putins Macht. Vergeht ihnen die Laune, könnten sie zum entscheidenden Faktor werden, der Putin zum Einlenken bewegt.

Viele Politiker und Militärs auf Sanktionsliste

Das Problem: Außer vieler Ankündigungen spüren viele der mächtigen Männer – Frauen gehören kaum zu Putins Zirkel – bislang noch keine Konsequenzen. "Diejenigen Oligarchen, die nicht persönlich auf einer Sanktionsliste sind, können trotz der jetzigen Sanktionen durchaus weiterhin auf Gelder zugreifen", sagt Victor Winkler, Berater und Experte für Sanktionsfragen, t-online.

Hier räche sich in gewisser Weise, dass der Westen Russland nicht als Land sanktioniere, sondern einzelne Banken und Personen. Bisher sind vor allem Mitglieder der Politik, des Militärs oder des Geheimdienstes auf der Sanktionsliste zu finden. Vermögende Geschäftsmänner hingegen machen bisher nur einen geringen Anteil aus.

"Lebensstil wegnehmen"

"Es geht darum, ihnen einen Lebensstil wegzunehmen, an den sie sich gewöhnt haben, den sie wollen", sagt Jamison Firestone, ein US-amerikanischer Anwalt, der nach dem Zerfall der Sowjetunion eine Kanzlei in Russland eröffnete und bis 2009 in Russland lebte, der "Washington Post".

Und weiter: "Wenn man ihnen diesen Lebensstil verweigert, dabei auf die Taten der russischen Regierung verweist und sie zurück in das Chaos schickt, das Putin veranstaltet hat, dann werden die Oligarchen zu den größten Unterstützern gegen den Krieg."

Betroffene wollen sich "mit allen Mitteln" wehren

Auch wenn das Gros der Oligarchen noch nicht betroffen zu sein scheint – vereinzelt regt sich dennoch bereits Widerstand. Die russischen Milliardäre Michail Fridman und Petr Aven kündigten direkt am Dienstag an, sie wollten gegen sie erhobene EU-Sanktionen "energisch und mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln" anfechten.

Die EU hatte Aven als "einen der engsten Oligarchen von Wladimir Putin" bezeichnet. Die EU nannte Fridman einen "führenden russischen Finanzier und Förderer von Putins innerem Kreis". Beide Milliardäre weisen die Vorwürfe als "fadenscheinig und unbegründet" zurück. Fridman soll sich am Sonntag – also einen Tag vor seiner Sanktionierung, zumindest in einem internen Schreiben an seine Mitarbeiter gegen den Krieg ausgesprochen haben.

Kritik an Russland übte der Ukrainer, der in Lviv im Westen der Ukraine aufgewachsen ist, dennoch nicht – obwohl weiterhin russische Raketen auf Kiew und andere ukrainische Städte fallen. "Krieg ist niemals die Antwort (...) den aktuellen Konflikt sehe ich als eine Tragödie für beide Seite", soll der Geschäftsmann geschrieben haben.

Der Oligarch Oleg Deripaska, Gründer des Unternehmens Basic Element, sprach sich für den Frieden und Verhandlungen aus. Einige Oligarchen werden dagegen sehr viel deutlicher. Oleg Tinkov, der Gründer der russischen Tinkoff Bank, schrieb am Montag in einem Post auf dem sozialen Netzwerk Instagram: "Unschuldige Menschen sterben jeden Tag in der Ukraine. Das ist unvorstellbar und inakzeptabel."

Evgeny Lebedev, der Sohn eines KGB-Offiziers und Besitzer der britischen Zeitungen "Evening Standard" und "The Independent" sprach Putin sogar direkt an: "Präsident Putin, bitte beenden Sie diesen Krieg."

Auch wenn die ersten Stimmen laut werden: Die großen Unterstützer Putins äußern noch keine Kritik am Kremlchef. Bisher empören sich die betroffenen Oligarchen nur über den Westen.

Der Großteil des Vermögens liegt im Ausland

So wie etwa auch Tui-Großaktionär Alexej Mordaschow. "Ich kann nicht verstehen, wie diese Sanktionen gegen mich zu der Beilegung des schrecklichen Konflikts in der Ukraine beitragen sollen", erklärte der Oligarch in der Nacht zum Dienstag schriftlich.

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Die Ursache für den Frust der sanktionierten Oligarchen wird schnell deutlich, wenn man ihren Reichtum verfolgt. Denn in Russland ist davon nur der geringere Teil: Eine Studie aus dem "Journal of Public Economics" schätzte bereits 2018, dass 60 Prozent der Vermögen der reichsten russischen Haushalte im Ausland geparkt sind, etwa in Millionenvillen in London oder Feriensitzen in Südfrankreich.

Am Eaton Square, einer prestigeträchtigen Wohngegend unweit des Buckingham Palace, bleiben abends die Lichter meist aus – in den viktorianischen Häuser lebt niemand, sie sind weitgehend leer stehende Spekulationsobjekte russischer Millionäre.

Russisches Geld dominiert "Londongrad"

Die Immobilienlandschaft ist besonders in London derart von russischen Investoren geprägt, dass die britische Hauptstadt bereits Londongrad genannt wird. Manche Ecken wie der Eaton Square heißen scherzhaft "der rote Platz". Laxe Gesetze sollen auch die Geldwäsche für russische Oligarchen erleichtert haben, sagen Kritiker in Großbritannien.

In einem Bericht des Geheimdienst- und Sicherheitsausschusses des Unterhauses von 2020 fiel sogar der Begriff "Londromat" – abgeleitet vom englischen Begriff "laundromat" (Waschsalon), der im Englischen auch häufig als Synonym für Systeme zur Geldwäsche verwendet wird.

Lange Zeit warb Großbritannien mit seinen "goldenen Visas" regelrecht um das russische Geld. Jeder, der sich verpflichtete, mindestens zwei Millionen Pfund auf der Insel zu investieren, erhielt eine Eintrittskarte für das Königreich.

Wer bereit war, sogar etwas mehr Geld auf den Tisch zu legen, bekam für zehn Millionen Pfund ein Expressverfahren für die Aufenthaltserlaubnis. Tausende Superreiche nutzten die "goldenen Visas", doch damit ist nun Schluss. Großbritannien stellte das Programm im Februar ein.

"Die Stadt lechzt nach diesem schmutzigen Geld"

Tatsächlich scheint sich die Stimmung nun deutlich zu drehen: "Die Stadt lechzt nach diesem schmutzigen Geld", kritisierte etwa zuletzt Prem Sikka, Labour-Politiker und Mitglied des Oberhauses, im britischen "Guardian". In London wollen viele Briten das "schmutzige" russische Geld, das die Stadt und das Land jahrzehntelang angelockt haben, nun loswerden.

Im "Telegraph" titelte eine Journalistin am Montag: "Es ist höchste Zeit, bei den Anwälten hart durchzugreifen, die Putins Oligarchen beschützen." Je isolierter der russische Präsident auf dem internationalen Parkett dasteht, desto größer werden die Forderungen, die Bande mit Russland zu brechen.

Weitere Oligarchen könnten sich daher bald auf der Liste der sanktionierten Russen wiederfinden. Prominente Kandidaten wie Roman Abramowitsch mit bekannten Verbindungen zu Putin dürften besonders gefährdet sein – schließlich sendet dies eine internationale Botschaft.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Austausch mit Viktor Winkler
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