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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Gasspeicher leeren sich Ist das die Rettung?
Die deutsche Hoffnung auf Unabhängigkeit vom russischen Gas hat drei Buchstaben: LNG. Können die Terminals den Verlust russischer Importe auffangen?
Die Temperaturen liegen vielerorts in Deutschland im Minusbereich, der Gasverbrauch steigt. Und weil Russland kein Gas mehr liefert, geht es jetzt an die Reserve: Der Füllstand der Speicher sinkt derzeit erheblich und liegt am heutigen Samstags erstmals unter 90 Prozent.
Abhilfe schaffen soll Flüssiggas, auch LNG genannt, das über Schiffe nach Deutschland gelangt. Das erste deutsche Flüssiggasterminal in Wilhelmshaven eröffnete Kanzler Olaf Scholz persönlich am Samstagvormittag. Bereits am Donnerstag hatte hier ein Spezialschiff angelegt. Die "Höegh Esperanza" ist bereits mit LNG-Gas befüllt und soll künftig bei Wilhelmshaven als schwimmende Plattform dienen, um LNG, das von Tankern geliefert wird, vom flüssigen in den gasförmigen Zustand zu verwandeln. Zudem sollen in den kommenden Wochen und Monaten noch zwei weitere Terminals in Betrieb gehen.
t-online erklärt, wie LNG funktioniert, wie weit fortgeschritten die Terminals sind und ob es tatsächlich die Abhängigkeit von russischem Gas beenden wird.
LNG
LNG ist die Abkürzung für Liquified Natural Gas. Dabei handelt es sich um tiefgekühltes, unter hohem Druck verflüssigtes Erdgas. Das Gas muss dafür auf -161 bis -164 Grad Celsius heruntergekühlt werden. Da Flüssigerdgas nur ein Sechshundertstel des Volumens von gasförmigem Erdgas hat, kann es statt durch Pipelines mit Tankern oder auch mit Lkw und Zügen transportiert werden.
Wie funktioniert LNG?
Von den Förderstätten wird das Erdgas in eine Verflüssigungsanlage geleitet. Das Erdgas besteht dabei zumeist aus einer Mischung von Methan, Kohlenwasserstoffen, Stickstoff, Kohlendioxid, Wasser und unerwünschten Bestandteilen wie Schwefelverbindungen. Letztere werden vor der Weiterverarbeitung entfernt. Danach liegt der Methangehalt bei 98 Prozent, was LNG zu einem besonders reinen Gas macht.
In mehreren Schritten wird das Gas heruntergekühlt, wodurch es flüssig wird und dadurch 600 Mal weniger Volumen hat. In dieser Form kann es verladen und ausgeliefert werden, was zumeist Schiffe erledigen. In den Terminals wird das Flüssigerdgas dann in isolierten Lagertanks aufbewahrt.
Wie weit ist der Bau der Terminals?
Die Inbetriebnahme des ersten schwimmenden Terminals in Wilhelmshaven ist vollbracht. Nach Angaben des Betreibers Uniper fließt am 22. Dezember erstmals Gas von dem Terminal aus in das deutsche Pipeline-Netz.
Dieses Gas stammt dann von der "Höegh Esperanza", die als schwimmende Plattform am Terminal bleibt. Der erste Frachter, der nur LNG transportiert, wird Mitte Januar erwartet. Ende des kommenden Jahres soll an diesem Standort ein zweites schwimmendes Terminal entstehen, ein festes ist in den kommenden Jahren geplant.
Das Terminal Wilhelmshaven I wird über eine 26 Kilometer lange Pipeline an das überregionale Gasnetz angebunden. Die Leitung soll anfangs 10 Milliarden, später bis zu 28 Milliarden Kubikmeter pro Jahr transportieren und auch für Wasserstoff genutzt werden können.
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Eigentlich sollte ein Terminal in Lubmin schon am 1. Dezember betriebsbereit sein, doch der Start hat sich verzögert. Derzeit ist offen, wann es in Betrieb gehen kann. Es seien alle infrastrukturellen Voraussetzungen geschaffen, um das Terminal noch im Dezember in Betrieb zu nehmen, teilte der Betreiber Deutsche Regas t-online mit. Allerdings fehlen noch Genehmigungen, darunter die Betriebsgenehmigung. "Die Genehmigungsverfahren liegen in der Verantwortung der jeweils zuständigen Behörde", teilte das Unternehmen weiter mit.
Die Logistikplanungen schreiten währenddessen fort. In einigen Tagen soll der LNG-Tanker "Speapeak Hispania" eintreffen, der künftig als Zwischenlager auf dem Meer dienen soll. Laut der Deutschen Regas wird das Schiff Flüssigerdgas von anderen Tankern aufnehmen und an kleinere Tanker übergeben, die es durch den flachen Greifswalder Bodden zum eigentlichen Terminal im Lubminer Industriehafen transportieren. Eines dieser kleineren Shuttle-Schiffe ist bereits vor der Ostseeinsel Rügen angekommen, wo derzeit auch die "Neptune" liegt, die als schwimmendes Terminal dienen soll. Beide Schiffe müssen noch nach Lubmin verlegt werden.
Ein zweites schwimmendes Terminal soll in der zweiten Jahreshälfte 2023 an den Start gehen. Über beide sollen jeweils fünf Milliarden Kubikmeter Gas eingespeist werden.
Ebenfalls kurz vor der Fertigstellung steht das Terminal im schleswig-holsteinischen Brunsbüttel. Derzeit wird eine rund drei Kilometer lange Gasleitung in das regionale Gasverteilnetz der Schleswig-Holstein Netz integriert. Die Fertigstellung ist laut dem zuständigen Landesministerium der letzte große Meilenstein, bevor das Flüssiggasschiff im Elbehafen festmacht und angeschlossen werden kann. Danach können rund 3,5 Milliarden Kubikmeter Flüssiggas pro Jahr angelandet werden.
In Stade hatte ein privates Konsortium bereits vor dem Krieg Russlands gegen die Ukraine angefangen, eine Anlage in der Nähe des Chemieparks mit dem US-Konzern Dow vorzubereiten. Ende 2023 soll hier eine schwimmende Plattform starten, Bauschritte wie Deichüberfahrten sind genehmigt. Ein fester Umschlagplatz soll bis 2026 fertig sein.
Neben diesen sechs Terminals werden noch weitere anvisiert. Überlegungen zum Einsatz von schwimmenden LNG-Terminals gibt es auch in Hamburg und Rostock.
Insgesamt sind offenbar zehn schwimmende Terminals an der Nord- und Ostsee geplant, davon sechs mit staatlicher Beteiligung. Das berichtet der Mediendienst "Table Media" an diesem Donnerstag aus einem vertraulichen Vorbereitungsbericht des Wirtschaftsministeriums.
Können die Terminals den Verlust russischer Importe auffangen?
Im Jahr 2021 bezog Deutschland über drei Pipelines 54 Milliarden Kubikmeter Gas aus Russland – mehr als die Hälfte des Jahresverbrauchs von rund 90 Milliarden Kubikmetern. Um diese Menge über LNG-Lieferungen auszugleichen, werden etwa 750 Tankerladungen benötigt, die standardmäßig zwischen 125.000 und 147.000 Kubikmeter fassen. Können die schwimmenden Terminals das leisten?
Derzeit entspricht die kurzfristig eingeplante Kapazität nur einem Bruchteil dessen, was in den vergangenen Jahren per Pipeline kam. Wenn in den kommenden Wochen die drei ersten schwimmenden Gasterminals in Wilhelmshaven, Lubmin und Brunsbüttel an den Start gehen, umfasst die Kapazität zunächst mehr als 18 Milliarden Kubikmeter. Mit der Fertigstellung weiterer Terminals wird sich das weiter steigern.
Langfristig geht das Wirtschaftsministerium allerdings offenbar von einer deutlichen Überkapazität aus, heißt es in dem internen Ministeriumspapier, über das der Mediendienst "Table Media" am Donnerstag berichtete. Sind alle zehn schwimmende Terminals fertiggestellt, könnten über sie 53 bis 67 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr importiert werden.
Die festen Terminals, die bis 2026 an Land entstehen sollen, bringen demnach eine zusätzliche Kapazität von 50 Milliarden Kubikmeter. Das würde die bisherigen Importe aus Russland deutlich übersteigen.
Allerdings gilt ein Teil davon als Sicherheitspuffer, weil die Realisierung einiger Projekte derzeit noch unsicher ist, wie "Table Media" weiter aus dem Ministeriumspapier zitiert. Demnach sieht das Ministerium etwa für das in Hamburg vorgesehene Terminal wegen Leitungsengpässen "derzeit keine realistische Option auf Inbetriebnahme".
Kanzler Scholz hatte erst im Februar 2022 angekündigt, dass kurzfristig LNG-Terminals in Deutschland errichtet werden sollen. Dass der Bau nun so schnell gehen musste, liegt vor allem an der starken Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen. Im Frühjahr aber stellte Russland die Lieferungen über die Pipeline Jamal ein, im September auch die über Nord Stream 1.
Weil das russische Gas sehr günstig war, hat sich der Import von LNG bislang aus finanzieller Sicht nicht gelohnt. Denn der Energiebedarf für die Verflüssigung ist sehr hoch und beläuft sich auf etwa 10 bis 25 Prozent des Energieinhaltes des Gases. Das rechnet sich erst ab einem Transportweg von etwa 2.500 Kilometern. Unter dieser Entfernung ist der Transport via Erdgaspipeline energetisch wirtschaftlicher.
Woher könnte das Flüssiggas kommen?
Neben den Kapazitäten ist vor allem entscheidend, an wie viel LNG Deutschland kurzfristig kommt. Bislang sind konkrete Lieferzusagen über große Mengen allerdings rar.
Zwar will Katar Deutschland künftig Gas in einem Umfang liefern, der rund drei Prozent des Jahresbedarfs entspricht. Der Energieriese Qatar Energy unterzeichnete dazu am Dienstag zwei Abkommen mit dem US-Unternehmen Conoco Phillips, das das Gas nach Brunsbüttel liefern soll. Allerdings beginnen die Lieferungen erst ab 2026.
Wie zudem bekannt wurde, hat der Chemiekonzern Ineos einen 20 Jahre laufenden Vertrag für Erdgaslieferungen aus den USA nach Deutschland unterschrieben. Pro Jahr sollen 1,4 Millionen Tonnen Flüssiggas über das Terminal in Brunsbüttel importiert werden, wie der britische Konzern vergangene Woche mitteilte. Start soll 2027 sein.
Bei den LNG-Exporteuren Kanada und Norwegen hatte Deutschland hingegen keinen Erfolg. Die kanadische Regierung gab lediglich eine Absichtserklärung zu enger Zusammenarbeit ab. Und Norwegen, mittlerweile Deutschlands wichtigster Gaslieferant, erklärte, die Produktionsmöglichkeiten seien ausgereizt.
Nicht nur in Deutschland, in der gesamten EU steigt die Nachfrage nach LNG massiv. Zwischen Januar und September haben die EU-Staaten bereits mehr Gas importiert als im bisherigen Rekordjahr 2019, wie die EU-Kommission mitteilte. Dadurch hat sich auf der Anteil der Lieferanten verschoben. Im ersten Halbjahr kam nach EU-Angaben rund 50 Prozent aus den USA, im vergangenen Jahr waren es rund ein Viertel. Experten rechnen damit, dass die USA auch in den kommenden Jahren einer der wichtigsten LNG-Lieferanten für Europa sein werden.
Trotz des Krieges in der Ukraine spielt Russland bei LNG-Lieferungen auch weiterhin eine Rolle. Wie das "Handelsblatt" kürzlich berichtete, erreichten die russischen LNG-Exporte nach Europa gar einen Höchststand.
Kanzler Scholz kündigte für Deutschland eine breite Mischung an. "Wir werden insgesamt dafür sorgen, dass wir sehr viele unterschiedliche Länder haben, die unsere Energieversorgung gewährleisten."
- Eigene Recherche
- Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und Reuters
- Anfrage bei Deutsche Regas
- lngprime.com: Gasunie reveals more details on Dutch LNG capacity expansion plans (englisch)
- energy.ec.europa.eu: Liquefied natural gas
- consilium.europa.eu: Infographic - Liquefied natural gas infrastructure in the EU
- handelsblatt.de: LNG-Importe aus Russland steigen auf Rekordhoch