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Immobilien: Lassen Sie sich nicht vom Preisanstieg blenden


Verbreitete Irrtümer
Teure Immobilien? Lassen Sie sich von den Preisen nicht blenden

MeinungEine Kolumne von Gerd Kommer

25.02.2022Lesedauer: 4 Min.
Meinung
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Moderne Wohnungen (Symbolbild): Immobilien rentieren längst nicht so gut, wie viele Menschen glauben.Vergrößern des Bildes
Moderne Wohnungen (Symbolbild): Immobilien rentieren längst nicht so gut, wie viele Menschen glauben. (Quelle: Marcel Kusch/dpa)

Die Preise für Häuser und Wohnungen legen seit Jahren stark zu. Doch wer glaubt, er müsste deshalb möglichst bald eine Immobilie kaufen, könnte einem teuren Irrtum aufsitzen.

Seit 2010 scheint die Entwicklung von Wohnimmobilienpreisen in Deutschland nur eine Richtung zu kennen: nach oben. Wir alle und besonders die Nichtimmobilienbesitzer unter uns fragen sich: "Kann das so weitergehen?"

Die simple Antwort ist nein. Es kann nicht so weitergehen und es wird auch nicht so weitergehen.

Seien Sie auf Überraschungen gefasst

Um das zu erkennen, muss man weder Hellseher sein noch Immobilienexperte. Ein einfacher Blick auf die historischen Daten zu Hauspreisentwicklungen in Deutschland und vergleichbaren Ländern genügt. Und damit meine ich ausdrücklich nicht nur diejenigen der letzten zehn Jahre, wie das in der kurzatmigen Medienlandschaft und in der interessenkonfliktbehafteten Immobilienbranche leider der Normalfall ist.

Der "ETF-Papst"
Dr. Gerd Kommer ist seit mehr als 20 Jahren Bestsellerautor für Investment-Ratgeberbücher. Zugleich ist er Geschäftsführer der Gerd Kommer Capital GmbH, einer digitalen Vermögensverwaltung, bei der Kunden bereits mit kleinen Beträgen starten können, sowie der Gerd Kommer Invest GmbH, einem Honorarberatungsunternehmen. In seiner t-online-Kolumne schreibt er gemeinsam mit seinen Kollegen Felix Großmann und Daniel Kanzler alle zwei Wochen über sein Spezialgebiet: den langfristigen Vermögensaufbau mit ETFs.

Schaut man sich diese Zahlen an, treten Fakten zutage, die nach meiner Erfahrung bei Anlegern regelmäßig ungläubiges Erstaunen hervorrufen. Machen Sie sich auf einige Überraschungen gefasst.

Kümmerlicher Preisanstieg in Deutschland

Los geht es damit bereits bei den Daten für Deutschland: Von 1970 bis 2021 – so lange reichen die einigermaßen zuverlässigen Zahlen zurück – sind die Wohnimmobilienpreise im Schnitt real nur um 0,6 Prozent pro Jahr gestiegen – ein kümmerlicher Wert.

Die entsprechende Zahl für 13 westliche Länder (darunter die USA, Australien, Frankreich, Großbritannien und die Schweiz) betrug 1,6 Prozent pro Jahr. Das ist höher als in Deutschland, aber nicht dramatisch höher.

Anmerkung: Bei allen genannten Immobilienpreisdaten ist die Inflation abgezogen. Es handelt sich also um inflationsbereinigte ("reale") Preise und ihre Entwicklung.

Natürlich weichen diese Preissteigerungen für kürzere Zeiträume von beispielsweise fünf oder zehn Jahren in jedem Land stark vom langfristigen Mittelwert nach oben und unten ab, so wie im letzten Jahrzehnt nach oben. Das ist trivial und sollte niemanden überraschen.

Kurz- und mittelfristige Abweichungen vom langfristigen Renditetrend existieren auch bei anderen Vermögenswerten: Aktien, Gold, Rohstoffen, Anleihen und historischen Musikinstrumenten.

Preissteigerung ist sogar noch nach oben verzerrt

Übrigens dürfte die Preissteigerung für Deutschland und die erwähnte 13er-Ländergruppe sogar noch um 0,2 bis 0,4 Prozentpunkte nach oben verzerrt sein. Der Grund: Die meisten Immobilienindizes filtern allmähliche Qualitätsverbesserungen bei Immobilien nicht sauber heraus. Das gilt vor allem für Indexdaten, die länger als 10 bis 20 Jahre zurückliegen.

Solche Qualitätsverbesserungen aufgrund von im Zeitablauf teureren Neubauten oder Modernisierungsmaßnahmen bei Bestandsobjekten erhöhen die in Immobilienindizes einfließenden Preise, sind aber selbstverständlich keine echten, rein marktbedingten Wertsteigerungen, um die es hier eigentlich geht.

Preise fielen von 1981 bis 2010 um fast ein Drittel

Kommen wir zum Risiko. Der maximale kumulative, also aufsummierte, Werteinbruch bei realen Wohnimmobilienpreisen in den besagten 13 Ländern lag, je nach Land, zwischen minus 15 Prozent (Australien 1978) und minus 57 Prozent (Irland 2013). Für Deutschland betrug er minus 31 Prozent.

So tief fielen die realen Hauspreise peu à peu von September 1981 bis März 2010. Danach brauchte es noch gut zehn Jahre, bis dieser Verlust im Juni 2020 wieder vollständig aufgeholt war.

In Wahrheit fast vier Jahrzehnte Nullanstieg

Mit anderen Worten: Die inflationsbereinigten Wohnimmobilienpreise waren in Deutschland im Juni 2020 nicht höher als im September 1981. Noch einmal anders formuliert: Über einen Zeitraum von sage und schreibe 39 Jahren gab es bei deutschen Wohnimmobilienpreisen einen Nullanstieg.

Wenn Sie glauben, dass das ein deutschlandspezifischer Einzelfall ist, liegen Sie falsch. In der Schweiz waren die Wohnimmobilienpreise 2004 nach 30 Jahren nur genauso hoch wie 1974.

Selbst in München ging es tief nach unten

In einzelnen Städten können Immobilienwerte noch weitaus stärker fallen, als im nationalen Mittel. In München – wo Immobilienpreise angeblich immer nur nach oben gehen – fielen sie inflationsbereinigt von März 1990 bis März 2007 um 40 Prozent.

Der vielleicht wichtigste einzelne Grund für den starken Anstieg der Wohnimmobilienpreise in Deutschland von 2010 bis 2021 um real etwa 60 Prozent (inklusive Inflation 90 Prozent) bestand darin, dass die Preise zuvor extrem gefallen waren. Diese für manche "unbequeme Wahrheit" wird in Artikeln und Aussagen zur Immobilienpreiszunahme in Deutschland nahezu immer unter den Tisch gekehrt.

Diejenigen, die am Finanzieren und Verkaufen von Immobilien verdienen, wollen damit verdecken, dass Immobilien eben nicht dauerhaft die hohen Renditen des zurückliegenden Jahrzehnts produzieren. Die Medien, die Auflagen und Klickraten mit Panikmache über hohe Immobilienpreise erzeugen, wollen damit vernebeln, dass ihre schrillen Botschaften schlecht recherchiert und übertrieben sind.

Langfristig kein Unterschied zwischen Stadt und Land

In den 70 Jahren von 1900 bis 1970 nahmen die realen Wohnimmobilienpreise in allen Ländern, für die solche Langfristdaten vorliegen, noch weitaus langsamer zu als nach 1970. Beispiel USA: Dort stiegen Wohnimmobilienpreise in den sieben Jahrzehnten von 1900 bis 1970 um nahezu exakt null Prozent, obwohl sich die US-Bevölkerung in diesem Zeitraum mehr als verdoppelte.

Auch die Annahme, dass Wohnimmobilienpreise in Städten grundsätzlich schneller steigen als auf dem platten Land, ist falsch. Auf lange Sicht existiert kein nennenswerter Unterschied bei Immobilienpreisentwicklungen zwischen Stadt und Land. Ja, Preise in großen Städten sind generell höher als in ländlichen Regionen, aber das war schon vor 100, 200 oder 300 Jahren so. Höhere Preise bedeuten jedoch keinen höheren prozentualen Anstieg im Zeitablauf.

Verstädterungstrend gibt es auf Dauer nicht

Ein damit verwandter, nicht weniger verbreiteter Irrtum besteht im Glauben, dass es in westlichen Ländern einen dauerhaften Verstädterungstrend gäbe. Fehlanzeige. Paris und London hatten 1920 einen höheren Anteil an der jeweiligen nationalen Gesamtbevölkerung als heute.

Zeitweilige Urbanisierungswellen nach oben und nach unten bedeuten noch lange keinen permanenten Trend zu mehr Verstädterung. Wenn überhaupt, gab es seitdem in vielen entwickelten Staaten eine Deurbanisierung. Ein dauerhafter Urbanisierungstrend existiert nur in Schwellenländern und auch dort endet er, sobald ein bestimmtes Wohlstandsniveau erreicht ist.

Preise werden nicht ewig steigen

Die oben genannten Zahlen zur langfristigen Entwicklung von Immobilienpreisen geben mir persönlich die Gewissheit, dass die starke Zunahme der Preise in Deutschland während der zurückliegenden zwölf Jahre ein vorübergehendes Phänomen ist. Im Englischen gibt es das Sprichwort "What goes up, must come down". Das gilt auch für inflationsbereinigte Wohnimmobilienpreise in Deutschland. Darauf können wir uns verlassen.

Wer also glaubt, er müsse baldmöglichst eine Wohnimmobilie zur Selbstnutzung oder zur Vermietung kaufen, weil die Preise in Zukunft weiter so steigen werden wie von 2010 bis 2021, könnte einem kostspieligen Irrtum unterliegen.

Generell sollte sowieso niemand allein auf Immobilien fixiert sein, weil er hofft, sein Vermögen zu vermehren oder hohe Renditen zu erzielen. Auf lange Sicht haben nämlich Aktien, daran lässt die Wissenschaft wenig Zweifel, die höchste Rendite aller Anlageklassen.

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