Richtig vorsorgen Wie Sie leicht Ihre spätere Rente aufbessern
Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Die Welt der Börse halten viele für kompliziert. Doch in Wahrheit ist es ganz simpel, sich ein Finanzpolster fürs Alter aufzubauen. Hier erfahren Sie, wie es funktioniert.
Vor zwei Wochen habe ich Ihnen eine Möglichkeit vorgestellt, wie Sie an der Börse für Ihr Alter vorsorgen können, ohne schlaflose Nächte zu riskieren: das "Weltportfolio". Dieses einfache und bequeme Konzept ermöglicht es Ihnen, ohne viel Finanzwissen ein zusätzliches finanzielles Polster für Ihre Rente aufzubauen.
In diesem Beitrag erfahren Sie, wie viel Risiko Sie sich ins Depot, sprich Portfolio, holen sollten und mit welchen ETFs Sie Ihren "Rendite-Turbo" im Gesamtdepot abbilden können.
Ich illustriere das am Beispiel unserer fiktiven Privatanlegerin Lisa. Lisa ist 35 Jahre alt, Single, und konnte über die letzten Jahre 40.000 Euro ansparen. Von diesem Betrag möchte sie nun 30.000 Euro gewinnbringend für ihre Altersvorsorge anlegen. Die restlichen 10.000 Euro hält sie als "persönliche Liquiditätsreserve" für unvorhergesehene Notfälle bereit – eine für jeden empfehlenswerte Vorsichtsmaßnahme.
Mit ETFs legen Sie clever und einfach in Aktien an
Aus heutiger Sicht wird Lisa bis ins Alter von 67 Jahren arbeiten müssen. Bis zu ihrem Renteneintritt sind es also noch 32 Jahre. Lisa ist sich sicher, dass sie auf die 30.000 Euro in den nächsten fünf Jahren und vermutlich auch darüber hinaus allenfalls in einem unvorhersehbaren Notfall zugreifen muss.
Dass ein Tagesgeld oder eine kapitalbildende Lebensversicherung für die langfristige Vermögensbildung und die Altersvorsorge keine sinnvollen Vermögensanlagen ist, ist allgemein bekannt. Auch Lisa weiß das. Für die langfristige Vermögensbildung braucht es zumindest bis zu einem gewissen Grad Aktien, jedenfalls dann, wenn man sich kein Eigenheim leisten kann oder will. In Aktien können Privatanleger kaum cleverer und simpler investieren als mit ETFs. Lesen Sie hier acht Gründe, warum Sie ETFs kaufen sollten.
Mit dieser Formel ermitteln Sie Ihr Risikoprofil
Lisa stellt sich nun die Frage, wie groß der prozentuale Aktienteil, genauer gesagt der Aktien-ETF-Anteil, in ihrem Gesamtdepot sein sollte. Die einfache Faustformel "100 minus Lebensalter" ist dabei ein guter Start. Für Lisa würde die Rechnung so aussehen: 100 minus 35 = 65. Der so ermittelte prozentuale Aktienanteil im Depot wäre bei Lisa also 65 Prozent. Auf 30.000 Euro bezogen sind 65 Prozent genau 19.500 Euro.
Wer es etwas "sportlicher" will, der kann auch die Formel 110 minus Lebensalter verwenden. Grundsätzlich gilt dabei, dass man nur solches Geld für den Aktienteil des Portfolios verwenden sollte, das man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in den nächsten fünf Jahren nicht benötigt.
Die anderen 35 Prozent (in Lisas Fall sind das 10.500 Euro) parkt sie bei ihrer Bank als – derzeit leider unverzinsliches – Tagesgeld oder Girokontoguthaben. Kontoguthaben bis zu 100.000 Euro sind durch die staatliche Einlagensicherung geschützt. Lisas Bank dürfte also pleite gehen und trotzdem hätte sie dadurch keinen Schaden.
Der "ETF-Papst"
Dr. Gerd Kommer ist seit mehr als 20 Jahren Bestsellerautor für Investmentratgeberbücher. Zugleich ist er Geschäftsführer der Gerd Kommer Capital GmbH, einer digitalen Vermögensverwaltung, bei der Kunden bereits mit kleinen Beträgen starten können, sowie der Gerd Kommer Invest GmbH, einem Honorarberatungsunternehmen. In seiner t-online-Kolumne schreibt er gemeinsam mit seinen Kollegen Felix Großmann und Daniel Kanzler alle zwei Wochen über sein Spezialgebiet: den langfristigen Vermögensaufbau mit ETFs.
Wie wir zuletzt im Jahr 2020 während der Corona-Pandemie gesehen haben, kann es an der Börse jederzeit zu größeren Aktienmarktabstürzen kommen. Diese können bis zu 50 Prozent betragen, im vergangenen Jahr waren es immerhin knapp 40 Prozent. Wichtig dabei: Diese starken Kursrückgänge sind für einen Anleger, der weltweit diversifiziert ist, immer nur vorübergehend. Es ist de facto garantiert, dass ein ETF-Aktieninvestment, sofern gestreut ("diversifiziert") über 1.500 bis 3.000 verschiedene Aktien aus allen Ländern der Erde und allen Branchen, nach einem Crash – egal wie tief er sein mag – wieder zurückkommen wird. Lediglich wie lange es bis zur vollständigen Erholung der Kurse dauern wird, das ist nicht im Vorhinein klar.
In den letzten 120 Jahren dauerte das für einen global diversifizierten Anleger längstens etwa fünf Jahre. Das war nach dem Aktien-Crash in der Weltwirtschaftskrise ab September 1929. Im Corona-Crash in der ersten Hälfte 2020 dauerte es nach dem Einbruch von knapp 40 Prozent unüblich kurz weniger als ein Jahr.
Hätte Lisa Anfang 2020 ein 65/35-Weltportfolio gehabt, wäre ihr Gesamtdepot von 40.000 Euro (ohne die persönliche Liquiditätsreserve) im März 2020 in der Spitze "nur" etwa um 25 Prozent eingebrochen. In ihrem Depot wären das minus 10.000 Euro Buchverlust gewesen. Heute stünde ihr Depot merklich über dem Stand von Januar 2020, vorausgesetzt Lisa hätte die Füße stillgehalten und im Abschwung nicht verkauft.
Diese ETFs eignen sich für ein Weltportfolio
Mit welchen ETFs könnte Lisa nun den Aktienteil ihres Weltportfolios umsetzen? Ein besonders einfacher Vorschlag: Lisa könnte die komplette Weltwirtschaft mit nur einem ETF abbilden. Hier bietet sich beispielsweise der Vanguard FTSE All-World-ETF an .
Wenn Lisa das Gewicht der Region USA von etwa 60 Prozent in dem Vanguard-ETF zu hoch erscheint, könnte sie stattdessen einen ETF auf den bekannten MSCI World-Index und einen ETF auf den MSCI Emerging Markets Index im Verhältnis 2 zu 1 mischen. Der erste Index repräsentiert Industrieländer, der zweite Schwellenländer. Zwei beispielhafte ETFs, die sie hierzu verwenden könnte, sind der SPDR MSCI World und der iShares Core MSCI Emerging Markets IMI .
Da Lisa jeden Monat etwa 200 Euro ansparen kann und sie es möglichst einfach haben möchte, richtet sie einen ETF-Sparplan auf den Vanguard-ETF ein.
Wenn Lisa nach ein oder zwei Jahren "Lernkurve" mit ihrem ETF-Depot merkt, dass sie mental gut damit zurechtkommt, dann könnte sie von der 65/35-Aufteilung auch einen Gang hochschalten, zum Beispiel auf 75/25. Das würde die langfristig durchschnittliche Rendite des Gesamtdepots erhöhen.
Für den Fall, dass Lisa das Selberbauen eines ETF-Depots zu schwierig erscheint, könnte sie als noch einfachere Alternative einen der rund 30 Robo-Advisor in Deutschland nutzen. Robo-Advisor sind benutzerfreundliche digitale Vermögensverwalter, mit denen man schon zu kleinen Beträgen Geld an der Börse anlegen kann. "Robos" vereinfachen den Anlagevorgang, arbeiten auf der Produktebene überwiegend mit ETFs, sind preisgünstig und leiden – anders als konventionelle Banken – nicht oder jedenfalls viel weniger an Interessenkonflikten.
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