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E-Scooter | Tier-Chef Lawrence Leuschner: "E-Tretroller können nerven"


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Tier-Chef Leuschner
Kommen E-Tretroller bald aufs Dorf?


Aktualisiert am 16.02.2022Lesedauer: 6 Min.
Vor dem Berliner Hauptbahnhof wartet gleich ein ganzer Fuhrpark aus E-Scootern (Symbolbild): Tier-CEO Leuschner spricht sich für feste Parkmöglichkeiten aus.Vergrößern des Bildes
Vor dem Berliner Hauptbahnhof wartet gleich ein ganzer Fuhrpark aus E-Scootern (Symbolbild): Tier-CEO Leuschner spricht sich für feste Parkmöglichkeiten aus. (Quelle: Stefan Zeitz/imago-images-bilder)
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Klimaschützer oder Stolperfalle: E-Scooter sorgen in vielen Städten für Diskussionen.

In vielen Städten stehen sie an jeder Ecke: E-Tretroller, Leihfahrräder und Mietmopeds mit den bunten Logos verschiedenster Anbieter. Das führt immer wieder zu Konflikten, wenn die Fahrzeuge auf dem Weg geparkt oder gar mutwillig beschädigt werden.

Der CEO des deutschen Anbieters Tier, Lawrence Leuschner, ist sich sicher, dass er mit seinem Angebot nicht nur in der Großstadt punkten kann. Im Interview mit t-online räumt er mit der Fehleinschätzung auf, dass nur Touristen auf E-Scootern fahren und berichtet wie er die Tretroller auch in kleineren Städten bringen will.

t-online: Viele Menschen ärgern sich über Ihre Roller. Oft stehen sie im Weg, teilweise werden sie mutwillig in Flüsse und Gebüsche geworfen. Können Sie den Zorn nachvollziehen?

Lawrence Leuschner: Da gibt es aus meiner Sicht eine große Fehlwahrnehmung.

Ach ja?

Ja. Gerade als die E-Scooter in Deutschland noch recht neu waren, gab es viele Berichte darüber, dass sie in Flüssen und im Gebüsch landen. Bei uns ist die Zahl solcher Fälle verschwindend gering. Auch werden kaum Scooter geklaut, denn es ist schwierig, sie zu hacken. Die Scooter tauchen nach einer Zeit einfach wieder auf.

Aber auch am Straßenrand können die Scooter durch falsches Abstellen oder Umfallen den Weg versperren und sind damit ein Ärgernis.

Ich sehe auch, dass E-Tretroller nerven können. Deswegen bin ich auch überzeugt, dass es an jeder Straßenecke einen Parkplatz für die Scooter und auch Fahrräder braucht, genauso wie es auch überall Autoparkplätze gibt. Dafür müssen die Städte von ihrem Auto-first-Denken abrücken. Als Unternehmen bemühen wir uns da schon sehr, eine Veränderung anzustoßen. In der Wahrnehmung ist man dann aber oft nur so gut wie der schlechteste Mitbewerber: Alle Scooter werden über einen Kamm geschoren.

Wie viele Leute arbeiten denn daran, die Scooter wieder aufzuladen und auf den Straßen wieder aufzustellen?

Europaweit haben wir einige Tausend Leute dafür, unsere sogenannten Ranger. Das macht auch einen Großteil des Teams aus. Die sind dafür zuständig, dass die Tiere wieder in den Stall kommen. Alle vier Tage wird dabei auch überprüft, ob Reparaturen nötig sind. In Deutschland sind für uns rund 3.500 Leute im Außendienst tätig und noch einmal etwa 500 bis 600 Leute in der Zentrale.

Wie lange hält ein Scooter denn?

Mehr als fünf Jahre. Das setzt uns auch von anderen Herstellern ab, bei denen die Roller deutlich schneller kaputtgehen. Wir bemühen uns auch, unsere Scooter immer wieder zu reparieren und Batterien weiterzuverwenden.

Ihr Ziel war es, mit den Scootern die letzte Meile zu erleichtern und bei kurzen Strecken den Verzicht auf das Auto zu ermöglichen. Häufig sieht man gerade in den Metropolen aber vor allem Touristen auf den Rollern. Werden die Roller so genutzt, wie Sie es geplant haben?

Auf jeden Fall. Nur ungefähr 15 Prozent unserer Kunden sind Touristen. Unser Ziel ist weiterhin, dass wir mit den Scootern möglichst viele Autofahrten ersetzen. Denn umgerechnet auf einen Kilometer werden durch die Roller nur ein Viertel der CO2-Menge ausgestoßen. Aktuell sagen etwa 20 Prozent unserer Nutzer, dass sie durch die Fahrt mit dem Scooter auf eine Autofahrt verzichten.

Und der Rest?

Das sind Menschen, die dadurch entweder auf den öffentlichen Nahverkehr verzichten oder den Scooter als Zubringer zu einer Bus- oder Bahnstation nutzen. Das hätten die Menschen sonst vielleicht zu Fuß gemacht, aber das hätte deutlich länger gedauert. Für uns ist auf lange Sicht wichtig, verschiedene Fahrzeuge anzubieten, um Sharing-Alternativen zum eigenen Auto zu schaffen.

Wann werden E-Scooter einen signifikanten Teil zur Verkehrswende beitragen?

Wir sparen aktuell bereits mehr als 3.000 Tonnen CO2 in den Städten ein, weil wir Autofahrten ersetzen. Das wird kontinuierlich steigen, wenn die Infrastruktur besser wird und die Anreize für Autos reduziert werden. Dann wird der Anteil der Autofahrten, die wir ersetzen, immer größer. In den nächsten fünf bis zehn Jahren werden wir sicher an die 40 bis 50 Prozent herankommen müssen, davon macht dann nur 20 Prozent der E-Scooter aus, der Rest sind Fahrräder und Mopeds.

Ältere Menschen könnte das wacklige Fahren abschrecken. Für andere ist sicher auch der Preis ein Thema: 15 Cent pro Minute, das ist nicht gerade wenig. Dazu kommt ein Euro als Freischaltgebühr. Werden die Preise noch steigen?

Nein, das denke ich nicht. Ich glaube, wir können die Preise konstant halten. Die Durchschnittsdistanz liegt bei 1 bis 2 Kilometern, bei 10 Minuten Fahrt ist man ungefähr bei dem Preis eines ÖPNV-Tickets. Aber es gibt auch spezielle Programme, etwa für Leute, die den Scooter öfter nutzen.

Bislang geschieht das ohnehin nur in der Stadt. Kommt der E-Tretroller auch aufs Dorf?

Ich denke nicht. Es lohnt sich für uns nicht, in kleinen Gemeinden E-Scooter anzubieten. Das wäre auch nicht sehr nachhaltig, weil wir die Scooter warten und laden müssen. Allerdings: Für Kleinstädte ist das auf jeden Fall sinnvoll.

Wieso?

Weil der öffentliche Nahverkehr noch schlechter ist als in größeren Städten. Mittlerweile kommen deshalb auch Städte auf uns zu.

Damit meinen Sie Städte wie Langenhorn und Lokstedt, wo seit vergangenem Jahr 200 E-Scooter am Ende der U-Bahnlinie zur Weiterfahrt bereitstehen?

Richtig. Hier geht es dann vor allem um spezielle Parkzonen für die Scooter oder auch die Frage, wie es angenommen wird. Aktuell arbeiten wir mit vier, fünf Städten zusammen, um zu schauen, wie das genau funktioniert.

Lawrence Leuschner, 1982 geboren, ist seit der Gründung 2018 Chef des E-Tretroller- und Fahrradverleihers Tier, Eigenschreibweise TIER. Nach dem Abitur baute er mit Freunden Trade-a-game auf, eine Plattform zum Weiterverkauf von Computerspielen, die später in Rebuy umbenannt wurde. Um sich voll der Firma widmen zu können, brach er später sein Studium ab. 2017 verließ Leuschner das Unternehmen und ging auf Weltreise. Wieder zurück in Deutschland gründete er gemeinsam mit Matthias Laug und Julian Blessin Tier Mobility mit Sitz in Berlin.

In einigen Kleinstädten sieht es jedoch ganz anders aus. Zum Beispiel die Stadt Brühl bei Köln setzt viel daran, die Roller zu vergraulen, mit hohen Gebühren und festen Stellplätzen. Wie groß sind die Widerstände in den Gemeinden?

Ehrlich gesagt: Mir ist keine Stadt bekannt, die sagt: "Alle Scooter raus." Natürlich: Es gibt Städte, die nicht sonderlich glücklich über die Scooter sind – Köln und Düsseldorf zum Beispiel. Mit den Städten versuchen wir, eine Lösung zu finden.

Wie sieht die konkret aus?

Es soll Ausschreibungen geben, damit es nicht vier oder fünf Anbieter in einer Stadt gibt, sondern nur einen oder zwei. Die müssen dann gewisse Standards erfüllen, etwa Nachhaltigkeits- oder Sicherheitsaspekte. So kommt nur der Anbieter zum Zug, der sich auch wirklich um seine Scooter kümmert. Aber es ist doch wie immer: Wenn man etwas Neues aufzieht, ist das Misstrauen erst einmal groß, besonders hier in Deutschland.

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Wie meinen Sie das?

Nun ja. Deutschland kommt aus einer Autokultur. In der Hinsicht sind die Deutschen etwas konservativ. Wir haben akzeptiert, dass das Auto gefährlich ist, Schadstoffe ausstößt und viel Platz wegnimmt. Die Wahrnehmung unseres Unternehmens hat sich aber deutlich verbessert.

Das liegt wahrscheinlich auch an Ihrem Auftreten als besonders klimafreundlich. Sie werben damit, anfallenden CO2-Ausstoß zu kompensieren. Nun ist das durchaus umstritten, denn dadurch wird zwar an anderer Stelle CO2 eingespart oder gebunden, doch der Ressourcenverbrauch im Unternehmen selbst sinkt nicht. Wie stehen Sie dazu?

Da müssen wir differenzieren.

Gerne.

Die Frage ist: Was kann ich in einer Firma CO2-neutral umsetzen und produzieren – und wo ist das noch nicht möglich? In unserem Fall machen wir all das, was wir in der Hand haben, klimaneutral.

Sie meinen etwa, dass Sie mit E-Vans oder Lastenrädern die Scooter zum Laden einsammeln oder es in Kantinen nur vegetarisches Essen gibt?

Richtig. Es gibt aber Emissionen, die ich nicht vermeiden kann. Dazu gehört die Produktion eines E-Scooters, aber auch der Transport von Asien nach Europa. In dem Fall müssen wir auf CO2-Kompensation zurückgreifen. Das ist das Mindeste, was wir – aber auch andere Firmen – machen sollten.

Das Argument gefällt auch Investoren. Tier hat eine weitere Finanzierungsrunde über 170 Millionen Euro hinter sich, ist mittlerweile rund 2 Milliarden Euro wert. Dennoch haben Sie bislang noch keine schwarzen Zahlen geschrieben. Wann wird es bei Ihnen endlich der Fall sein?

Einspruch! Ein Quartal sind wir bereits profitabel gewesen.

Aber noch nicht über ein ganzes Jahr.

Da haben Sie recht. Allerdings: Bei einem so jungen Unternehmen, das dreistellige Millionenumsätze macht, wird es noch dauern, bis es vollständig profitabel ist. Schließlich investieren wir in Übernahmen, in unsere Mitarbeiter und neue Technik. Mein Ziel ist es, ein nachhaltiges Unternehmen aufzubauen, und dazu gehört selbstverständlich, schwarze Zahlen zu schreiben.

Wann wird das denn der Fall sein?

Ich denke, in zwei bis drei Jahren ist Tier profitabel.

Helfen soll auch Ihr letzter Zukauf im November 2021: Nextbike, das traditionsreichste Sharing-Unternehmen in Deutschland. Welche Konkurrenten wird Tier bald noch schlucken?

Lassen Sie sich überraschen, wir haben für die nächsten Monate und Jahre noch große Pläne. Zunächst müssen wir Nextbike gut integrieren. Das ist ein großes Unternehmen mit vielen Standorten, was es nicht einfach macht.

Herr Leuschner, vielen Dank für das Gespräch!

Verwendete Quellen
  • Videointerview mit Lawrence Leuschner
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