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Schufa könnte ins Ausland verkauft werden – Investor streckt die Fühler aus


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Mögliche Millionen-Übernahme
Das bedeutet der geplante Schufa-Deal für Verbraucher


Aktualisiert am 01.02.2022Lesedauer: 5 Min.
Schufa-Bonitätsauskunft (Symbolbild): Das Unternehmen ist die größte Wirtschaftsauskunftei Deutschlands.Vergrößern des Bildes
Schufa-Bonitätsauskunft (Symbolbild): Das Unternehmen ist die größte Wirtschaftsauskunftei Deutschlands. (Quelle: Sven Simon/imago-images-bilder)

Kampf um die Datenhoheit: Ein schwedischer Investor will bei der Schufa einsteigen – und entfacht Widerstand bei Banken und Aktivisten. Wer darf aus unseren sensiblen Daten Kapital schlagen?

Wer in Deutschland eine Wohnung mieten, ein Auto kaufen oder ein Haus bauen möchte, kommt um sie nicht herum: die Schufa, die größte Wirtschaftsauskunftei Deutschlands.

Sie ist im Besitz von mehr als einer Milliarde hochsensibler Kundendaten, sie errechnet anhand geheimer Formeln einen Schufa-Score, der die Zahlungsfähigkeit der Kunden bewerten soll. Wer Rechnungen nicht bezahlt, sackt auf dieser Skala ab – und mindert seine Chancen auf einen Kredit oder eine Anschaffung.

Doch nun könnte die Schufa ins Ausland verkauft werden. Denn ein Finanzinvestor greift nach einem Teil des Unternehmens. Datenschützer schlagen daher Alarm. t-online erklärt, was ein möglicher Deal für Verbraucher bedeuten könnte.

Warum kann die Schufa verkauft werden?

Anders als viele Menschen denken, ist die Schufa keine staatliche Stelle, sondern ein privatwirtschaftliches Unternehmen, organisiert in Form einer Aktiengesellschaft.

Das heißt: Sie ist in Besitz von Investoren, genauer: von Handelsfirmen, Genossenschaftsbanken, Sparkassen und Privatbanken wie der Deutschen Bank oder der französischen Société Générale. Letztere will ihren Anteil von zehn Prozent an der Schufa abstoßen – und zwar an einen Finanzinvestor, EQT aus Schweden. Die beiden einigten sich bereits im Herbst vergangenen Jahres auf eine Summe von rund 200 Millionen Euro, EQT meldete die Übernahme beim Kartellamt an.

Anders als in einem herkömmlichen Unternehmen haben bei der Schufa die Altgesellschafter ein Vorkaufsrecht, wenn ein Investor seine Anteile abstoßen will. Das wollen die Sparkassen und Genossenschaftsbanken offenbar auch nutzen (siehe unten) und befinden sich mit dem Investor in einem Bieterstreit um die Anteile.

Der Plan von EQT ist indes nicht neu. Bereits im März 2021 bekundete der Finanzinvestor gemeinsam mit dem US-Partner Hellman & Friedman offenbar Interesse an den Anteilen der Commerzbank und der Deutschen Bank, berichtete damals die Nachrichtenagentur "Bloomberg".

Was hat der Investor mit der Schufa vor?

EQT will offiziell die Schufa-Daten transparenter machen. Man wolle die Verbraucher- und Datenschutzinteressen "konsequent" verfolgen und konsumentenfreundliche Produkte in den Vordergrund stellen, teilte der Investor auf Anfrage der "Süddeutschen Zeitung" mit. Darunter sei auch ein "Datencockpit", in dem jeder Kunde die gespeicherten Daten einsehen könnte, heißt es weiter.

Tatsächlich will auch die Schufa-Chefin, Tanja Birkholz, die seit Mitte 2020 Vorstandsvorsitzende der Auskunftei ist, das Unternehmen transparenter machen. Ihre Pläne würden also mit dem Vorhaben von EQT übereinstimmen. Auf der anderen Seite ist allerdings fraglich, ob sie die Impulse des Investors überhaupt bräuchte, um ihre Pläne umzusetzen.

Datenschützer glauben zumindest nicht, dass die Schufa von dem Investor profitieren würde – sie rechnen vor allem mit negativen Folgen.

Warum schlagen Experten jetzt Alarm?

Trotz der Versprechungen von EQT steht die Befürchtung im Raum, dass der Finanzinvestor andere Interessen verfolgt als die anderen Aktionäre – und versuchen will, mit den Kundendaten vor allem Rendite zu erwirtschaften.

Der Kampagnen-Verein Campact hat diese Woche eine Initiative gestartet, um den Verkauf der Anteile an EQT zu verhindern. Viele Verbraucher teilen offensichtlich die Sorgen: Innerhalb von 20 Stunden unterzeichneten mehr als 158.000 Menschen die Petition des Vereins, heißt es von Campact.

"Schufa-Daten sind hochsensibel", sagte Antonia Becher, Kampagnenmitarbeiterin bei Campact. "Sie wirken sich auf unser Leben aus, entscheiden, ob jemand eine Wohnung bekommt, ein Haus bauen oder ein Unternehmen starten kann. Solche wichtigen Daten dürfen nicht zum Spielball von Finanzinvestoren werden."

Es bliebe wohl kaum bei zehn Prozent

Der Verein hat die Sorge, dass es im Fall der Fälle nicht bei zehn Prozent der Anteile an der Schufa bleiben würde. Eine Meldung des Bundeskartellamtes zeigt, wohin der Weg gehen könnte: EQT könnte langfristig die Mehrheit an der Schufa an sich ziehen wollen. So hat es offiziell sein Interesse an einem Erwerb von bis zu 100 Prozent der Anteile sowie der alleinigen Kontrolle beim Bundeskartellamt angemeldet.

Das liegt allerdings nicht im Interesse der Banken, die gemeinsam 47 Prozent der Anteile halten. "Die Schufa ist Datenlieferant für die Teambank und die gesamte Genossenschaftliche Finanzgruppe und daher für uns von hoher strategischer Bedeutung", sagte eine Sprecherin der Teambank t-online. Die Teambank hält insgesamt fast 18 Prozent der Anteile und ist der größte Einzelaktionär. Verbraucher kennt die Bank vor allem als Vertreiber von Ratenkrediten unter dem Namen "easyCredit".

Auch die Teambank hat beim Bundeskartellamt Pläne für den "Erwerb einer Minderheitsbeteiligung und wettbewerblich erheblichen Einflusses an der Schufa Holding AG" angemeldet. In anderen Worten: Der Wettbewerb um die deutschen Daten läuft auf Hochtouren. Auf Anfrage von t-online möchte sich die Teambank daher auch nicht zu Einzelheiten des Verfahrens äußern.

Fokus auf hohe Wachstumsraten

Die Schweden geben sich indes öffentlich kompromissbereit. Im Interview mit der "Börsen Zeitung" hat der Partner der Gesellschaft, Matthias Wittkowski, betont, dass sich ETQ auch mit der Position des bedeutenden Minderheitenaktionärs anfreunden könnte. Auch dann sei der Investor bereit, einen dreistelligen Millionenbeitrag in die Schufa zu investieren.

Das Geld würde aber nicht ohne Hintergedanken fließen: Die "Süddeutsche Zeitung" schreibt unter Berufung auf interne Dokumente von EQT, dass der Investor einen "deutsch-europäischen Champion" aus der Schufa machen möchte. Die Schweden sehen das Potenzial für zweistellige Wachstumsraten im Unternehmen. Dieses Wachstum dürfte bei EQT womöglich an erster Stelle stehen, fürchten Experten, und eben nicht der Datenschutz.

Wie wahrscheinlich ist der Verkauf?

Es ist unwahrscheinlich, dass das gesamte Unternehmen Schufa in naher Zukunft ins Ausland verkauft wird. Die Genossenschaftsbanken und Sparkassen haben bereits ihr Interesse an der Schufa deutlich geäußert und haben das Vorkaufsrecht.

"Gemeinsam mit anderen Bestandsaktionären ist es im gegenseitigen Interesse, stabile Mehrheitsverhältnisse und langfristig das Grundprinzip der Neutralität der Schufa zu erhalten", sagte eine Sprecherin der Teambank t-online. Gerade dieses Neutralitätsprinzip sehen die Banken bedroht, sollte EQT Anteile an der Schufa gewinnen.

Wenn die Aktionäre also die benötigten 200 Millionen Euro für die Anteile der Société Générale aufbringen können, geht der schwedische Investor in diesem Fall leer aus. Fakt ist aber auch: Noch haben die Aktionäre auch in diese Richtung kein eindeutiges Signal gegeben.

Deutsche Bank und Commerzbank könnten Anteile verkaufen

Zudem gibt es noch andere Einstiegstore für den schwedischen Investor. So könnten sich etwa die Commerzbank oder die Deutsche Bank, die mit sechs beziehungsweise zwölf Prozent an der Schufa beteiligt sind, im Zuge der aktuellen Entwicklungen von ihren Anteilen trennen.

Immerhin hatten die Banken wohl bereits im Frühjahr 2021 über einen möglichen Verkauf ihrer Anteile mit einem US-Investor und EQT gesprochen. Die "Süddeutsche Zeitung" schreibt, zumindest bei der Deutschen Bank wäre ein Verkauf möglich.

Noch halten sich die beiden Banken bedeckt: Auf Anfrage von t-online wollen sich die Commerzbank und die Deutsche Bank zur Schufa-Debatte nicht äußern. Für Verbraucher bleibt vorerst die Unsicherheit.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Anfrage an Deutsche Bank und Commerzbank
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