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Corona-Krise | Wirte über 2G-plus: "Wir sind Gastronomen, keine Kontrolleure"


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Wirte über 2G+
"Wir sind Gastronomen, keine Kontrolleure"


Aktualisiert am 07.01.2022Lesedauer: 4 Min.
Fanis und Ingrid Zafiratos: Die Eheleute betreiben das Restaurant "Fanissimo" in Westerburg.Vergrößern des Bildes
Fanis und Ingrid Zafiratos: Die Eheleute betreiben das Restaurant "Fanissimo" in Westerburg. (Quelle: Kloft/t-online)

Auch Geimpfte und Genesene müssen künftig bundesweit einen Corona-Test vorzeigen, wenn sie im Restaurant essen gehen wollen. t-online hat mit Gastronomen in Rheinland-Pfalz gesprochen, wo die Regel schon vorher galt.

Ingrid und Theofanis Zafiratos wirken erschöpft. Sie stehen in ihrem griechischen Restaurant "Fanissimo" in der kleinen Stadt Westerburg, Rheinland-Pfalz. Um sie herum: umgedrehte Stühle, gestapelt auf Tische, hinter ihnen die zugestellte Theke. Theofanis, genannt Fanis, seufzt. "Wir haben den Vor-Ort-Betrieb Mitte Dezember geschlossen", sagt er. Der Grund: Die 2G-plus-Regel.

Was mit dem Bund-Länder-Beschluss vom Freitag spätestens ab dem 15. Januar bundesweit und unabhängig von den Infektionszahlen gelten soll, ist in Rheinland-Pfalz seit Anfang Dezember Realität: An Mosel, Rhein und in der Pfalz ist der Besuch von Restaurants, Cafés und ähnlichen Einrichtungen ausschließlich für Geimpfte und Genesene möglich, die zusätzlich einen tagesaktuellen Test vorweisen können.

Ausnahmen gibt es lediglich für Geboosterte. Sie dürfen auch ohne Test einkehren. In Niedersachsen und Baden-Württemberg beispielsweise gibt es ähnliche Regelungen, auch Hamburg kam jüngst hinzu.

"Es ist nervig, Polizei zu spielen"

"Es tut schon weh, Kunden abzusagen. Doch die Unsicherheit und der Aufwand waren uns einfach zu groß", sagt der 44-jährige Wirt, der gemeinsam mit seiner Ehefrau bereits 2004 sein erstes Restaurant eröffnete, damals noch im Nachbarort Kölbingen. "Und es ist nervig, Polizei zu spielen." Seine Frau ergänzt: "Wir sind Gastronomen, keine Kontrolleure."

Anfang Dezember seien noch zu wenige Menschen geboostert gewesen – viele Geimpfte und Genesene hätten daher einen Test vorlegen müssen. Eine große Hürde, die manch anderer Restaurantbetreiber mit einer eigenen Teststation umging. Aber, so Theofanis Zafiratos: "Wir hatten schlicht keine Kapazitäten, um hier zu testen." In Westerburg habe es vor einem Monat ohnehin lediglich eine Teststelle gegeben. "Und dort gab es keine Testtermine mehr."

Viele Gäste seien genervt gewesen. Sie wollten nicht für einen spontanen Restaurantbesuch extra noch einen offiziell zertifizierten Corona-Test machen, viele sagten ihre Reservierungen ab. "Wir mussten schnell eine betriebswirtschaftliche Entscheidung treffen", sagt Ingrid Zafiratos. Die Konsequenz: die Schließung des Ladens, wieder nur kochen für Selbstabholer.

Branchenverband: "Katastrophe für Kneipen und Restaurants"

Dieses Schicksal könnte jetzt Tausende Gastronomen ereilen. Deutschlandweit liegt jetzt, Anfang Januar, die Auffrischungsquote gerade einmal bei 41,6 Prozent. Umgekehrt heißt das: Die rund 25 Millionen zweifach geimpften Deutsche bräuchten, Stand heute, einen Test, auch wenn sie nur ein kurz ein kleines Bier in der Kneipe trinken wollen. Die rund 17 Millionen Ungeimpften müssen ohnehin draußen bleiben.

Für die Gastronomie eine Belastungsprobe, unter der schon im ersten Corona-Lockdown viele Betriebe in die Knie gingen. Entsprechend hart ist die Kritik des Branchenverbands Dehoga an der 2G-plus-Regel. Dessen Hauptgeschäftsführerin, Ingrid Hartges, bezeichnet sie als "Katastrophe für Kneipen und Restaurants". Besonders die fehlenden Testkapazitäten seien ein Problem.

Ihre Befürchtung: Wirte dürften nicht die Leidtragenden sein, wenn die Regierung "offenbar Anreize für die dritte Impfung" schaffen wolle, so Hartges in einem Artikel der "Bild"-Zeitung am Freitag. Stattdessen müssten Bund und Länder die Impf- und Testkapazitäten sofort ausbauen, "damit diese zermürbende Situation schnellstmöglich beendet wird", forderte Hartges.

Wüst verteidigt Regel

Der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Nordrhein-Westfalens Regierungschef Hendrik Wüst (CDU), verteidigte die Regelung indes. Dem Fernsehsender "Welt" sagte er vor dem Gipfel der Ministerpräsidenten mit Kanzler Olaf Scholz (SPD): "In Innenräumen, wo man keine Maske trägt, muss man getestet sein oder geboostert. Das wird jetzt überall gleichgestellt werden."

In Restaurants sei man gemütlich. "Da wird gegessen, getrunken, die Maske ist ab. Also muss man den maximal verfügbaren Schutz anderer Art eben haben. Und das heißt geboostert zu sein", betonte Wüst. "Und das, finde ich, ist schon zumutbar. Wir bieten es ja jedem an."

Restaurantbesitzer: In der Pandemie müsse man kreativ sein

Die Eheleute Zafiratos können die Regelung grundsätzlich verstehen. Auch sei es gut, dass nun zumindest eine bundesweit einheitliche Vorschrift komme. "Das schafft Fairness", sagt Ingrid Zafiratos. Denn im benachbarten Hessen galt die 2G-plus-Regel bislang nicht. "Viele Kunden fuhren die paar Kilometer und gingen bei der Konkurrenz essen."

Doch die 42-Jährige ist auch verärgert. "Die Politik beschließt gerne eine Regelung, doch überlegt nicht genau, wie es vor Ort umgesetzt werden kann", sagt sie. "Dann müssen wir kreativ werden."

Das habe die Corona-Krise deutlich gezeigt. Denn auch wenn Speisen im Restaurant aktuell nicht möglich sind, sollten die Kunden nicht auf Gyros, Bifteki und Co. verzichten. "Wir bieten einen Drive-in-Service an", sagt sie. Kunden können anrufen, erhalten eine Abholnummer und die ungefähre Abholzeit und können dann direkt vors Restaurant fahren.

Die Speisen werden dann ans Auto gebracht. "Das Geschäft klappt sehr gut. Darauf haben wir uns im Dezember vollends konzentriert." Durch den Drive-in hätten die wegbrechenden Umsätze immerhin halbwegs ausgeglichen und die vier festen Angestellten und acht Minijobber gehalten werden können.

"Es bringt nichts, ständig zu jammern"

Die Hoffnung auf ein baldiges Ende dieses Zustandes haben die beiden derweil schon aufgegeben. Ein Betrieb vor Ort? "Bis mindestens Ostern wird das Restaurant wohl zu bleiben", sagt Theofanis Zafiratos.

Etwas Gutes jedoch habe die Situation sogar auch. Der Drive-in werde sicher über Corona hinaus erhalten bleiben. "Unsere Kunden nehmen das voll an. Und wir haben da so viel Energie hineingesteckt", sagt er. Und so geben sich die Wirte dennoch optimistisch. "Es bringt nichts, ständig zu jammern. In der Pandemie müssen wir alle zusammenhalten."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Vor-Ort-Gespräch mit Ingrid und Theofanis Zafiratos
  • impfdashboard.de
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen AFP und dpa
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