Französisches Modell Grüne fordern Energiebonus für Geringverdiener
Ein kleiner Zuschuss gegen hohe Kosten: In Europa wird Strom, Heizöl, Gas und auch Sprit seit Wochen teurer. Geringverdiener sollen daher laut den Grünen einen Zuschuss erhalten – die Ampel sieht das kritisch.
Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt hat kurzfristige finanzielle Hilfen für hohe Energiepreise mit niedrigen Einkommen gefordert. "Der Staat muss auch Geringverdiener und Leistungsempfänger in die Lage versetzen, solche kurzfristigen Preisspitzen auffangen zu können", sagte sie der "Bild am Sonntag".
Wer heute mit dem Auto zur Arbeit fahre, habe meistens keine Alternative, denn der öffentliche Nahverkehr sei oft zu schlecht ausgebaut. Hintergrund ist auch, dass Frankreichs Regierung gerade Haushalten mit einem Einkommen unter 2.000 Euro eine 100 Euro-Prämie als Ausgleich für die stark gestiegenen Energiekosten zahlen will.
In der sich aktuell bildenden Ampelkoalition von SPD, Grünen und FDP ist dieser Punkt allerdings bisher nicht geeint. Die bisherige Bundesregierung verweist darauf, dass die kommende Regierung über eine finanzielle Entlastung entscheiden müsse.
Grüne sind bei Verhandlungen zu Kompromissen bereit
Die drei Parteien wollen am kommenden Mittwoch in 22 Arbeitsgruppen inhaltlich mit den Koalitionsverhandlungen zur Bildung einer ersten Ampelkoalition auf Bundesebene beginnen. Zuvor hatten sie sich auf ein zwölfseitiges Sondierungspapier geeinigt. Göring-Eckardt verwies darauf, dass dort etwa eine Kindergrundsicherung vereinbart worden sei.
Grünen-Co-Chef Robert Habeck sagte in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", dass die Grünen auch mit einem Ende der Zulassung von Autos mit Verbrennungsmotor erst 2031 statt bereits 2030 einverstanden seien, aber auf den Ausstieg beharrten. Zugleich deutete er an, dass die Grünen ebenso wie die FDP das Finanzministerium beanspruchen könnten.
Er habe sich in dieses Thema eingearbeitet. "Als Minister habe ich Jahr für Jahr Haushaltverhandlungen geführt", sagte er in Anspielung auf seine Zeit als schleswig-holsteinischer Landwirtschafts- und Umweltminister. FDP-Chef Christian Lindner, der ebenfalls Ambitionen hat, verfügt dagegen nicht über Regierungserfahrung. Habeck verwies zudem darauf, dass die Grünen mittlerweile in drei Bundesländern den Finanzminister stellten.
FDP setzt auf die KfW
Zugleich plädierte Habeck für eine Reform der europäischen Schuldenregeln, die jetzt fälschlicherweise in einigen EU-Staaten "sehr rigide Sparprogramme" forderten. "Ich will effektive europäischen Fiskalregeln, die Wachstum sicherstellen, Schuldentragfähigkeit wahren und für Investitionen sorgen", sagte der Grünen-Politiker.
Der potenzielle Koalitionspartner FDP hatte eine Lockerung des europäischen Stabilitätspaktes im Wahlkampf dagegen abgelehnt und als rote Linie bezeichnet. Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte nach der Wahl mit Hinweis auf die hohe Verschuldung einiger EU-Staaten und die bereits heute vorhandene Flexibilität vor einer Aufweichung der EU-Regeln gewarnt. Den von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron geforderten Pro-Atomkraft-Kurs lehnte Habeck ab – auch wenn 13 EU-Länder dies unterstützten.
Die FDP setzt bei der Finanzierung der aus Sicht der Ampel-Parteien nötigen Investitionen auf die Ausweitung der Arbeit der staatlichen Förderbank KfW. "Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) mit ihren marktwirtschaftlich kompatiblen Instrumenten soll dabei eine Rolle spielen. Sie kann viele Investitionen etwa für die notwendige Transformation im Klimaschutz finanzieren und stärker als Innovations- und Investitionsagentur wirken", sagte FDP-Generalsekretär Volker Wissing der "Rheinischen Post".
Streit um Nordstream 2
Im Ampel-Sondierungspapier wird eine Aufweichung der im Grundgesetz vorgeschriebenen Schuldenbremse abgelehnt. Habeck betonte jedoch, dass man die in der Schuldenbremse vorgesehenen Spielräume für eine Neuverschuldung nutzen wolle.
Streit deutet sich zwischen SPD und Grünen in der Frage der Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2 an. Der Vorsitzende der SPD, Norbert Walter-Borjans, sprach sich trotz neuer Kritik der Grünen für die Inbetriebnahme der umstrittenen Gaspipeline Nordstream 2 aus. "Lieferanten kann man sich leider selten nach der Sympathie für ein politisches System aussuchen, das ist beim Öl ganz genauso", sagt Walter-Borjans der "Augsburger Allgemeinen".
Unabhängigkeit sichere man nicht dadurch, dass man Verbindungen zu anderen kappe, sondern möglichst viele Verbindungen zu möglichst vielen Partnern habe, sagte der SPD-Vorsitzende. "Es geht in diesem Fall aber nicht um Handel, sondern um eine Infrastruktur, die uns hilft, den Übergang unseres hochindustrialisierten Landes zur Klimaneutralität zu schaffen." Grünen-Co-Chefin Annalena Baerbock hatte gefordert, der Pipeline keine Betriebsgenehmigung zu erteilen.
- Nachrichtenagentur Reuters