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Inflation: Was für und was gegen immer weiter steigende Preise spricht


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Hohe Inflation
Steigen die Preise jetzt immer weiter?


Aktualisiert am 20.10.2021Lesedauer: 4 Min.
Einkauf in einem Supermarkt: Steigende Preise bereiten den Kunden Sorgen.Vergrößern des Bildes
Einkauf in einem Supermarkt: Steigende Preise bereiten den Kunden Sorgen. (Quelle: imago-images-bilder)

Die Preise steigen schneller, die Inflation ist momentan so hoch wie zuletzt vor 30 Jahren. Geht das jetzt immer so weiter? Eine neue Studie, die t-online vorliegt, gibt eindeutige Hinweise.

Nicht nur beim Tanken und beim Heizen spüren die Deutschen die steigenden Preise. Auch im Supermarkt ist dieses Jahr vieles deutlich teurer als 2020. Die Preise für Gemüse etwa lagen im September rund 9,2 Prozent über denen im Vorjahresmonat, Milchprodukte und Eier kosten 5,5 Prozent mehr, für Kaffee, Tee und Kakao sowie Brot mussten Verbraucher laut Statistischem Bundesamt im Schnitt 4,9 Prozent mehr ausgeben als noch vor einem Jahr.

Ein wichtiger Grund für diese Entwicklung ist, dass die Bundesregierung im vergangenen Jahr die Mehrwertsteuer abgesenkt hatte, wodurch im Herbst 2020 die Preise fielen. Die Folge: Die Inflationsrate, die die Entwicklung der Verbraucherpreise stets im Vergleich zum Vorjahr angibt, fällt jetzt deutlich höher aus. Zuletzt lag sie bei durchschnittlich 4,1 Prozent – und damit so hoch wie seit fast 30 Jahren nicht mehr.

Zwar gilt als sicher, dass dieser rein statistische Effekt Anfang 2022 wieder entfällt, da sich die Mehrwertsteuer seit Januar dieses Jahres wieder auf Normalniveau befindet. Und doch fragen sich viele Menschen in Deutschland zu Recht: Geht das jetzt immer so weiter – und woher kommen die extremen Preissteigerungen?

"Die meisten Faktoren wirken temporär"

Eine neue Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), die t-online vorab vorliegt, hat sich mit genau diesen Fragen beschäftigt und verschiedene Faktoren für Preissteigerungen untersucht. Das Ergebnis kurz zusammengefasst: Entwarnung – zumindest vorerst.

Zwar spreche viel dafür, dass die Teuerungsraten noch einige Monate hoch bleiben. Mittelfristig, voraussichtlich ab nächstem Frühjahr, werde sich die Lage jedoch wieder entspannen – auch wenn ein Restrisiko bleibt, dass es doch noch anders kommt.

"Die meisten preissteigernden Faktoren wirken zeitlich begrenzt", sagt Studienautorin Kerstin Bernoth t-online. "Noch müssen wir uns keine Sorgen wegen einer dauerhaft hohen Inflation machen. Gleichwohl gibt es durchaus Risiken, die wir im Auge behalten müssen."

Konkret hat sich Bernoth gemeinsam mit ihrem Co-Autor Gökhan Ider folgende Faktoren angeschaut, die grundsätzlich für höhere Verbraucherpreise sorgen können:

  • Produktionsengpässe und wenig Arbeitslosigkeit: Sind die Fabriken stark ausgelastet und die Firmen händeringend auf der Suche nach neuen Angestellten, führt das in der Regel zu steigenden Preisen – weil die Arbeitnehmer dann höhere Löhne durchdrücken können. "Das ist aber noch nicht der Fall", sagt Bernoth. "Die Firmen arbeiten noch längst nicht am Anschlag." Zudem seien in der Corona-Krise viele Menschen aus dem Arbeitsmarkt ausgeschieden ohne sich arbeitslos zu melden. "Wir gehen deshalb davon aus, dass es momentan deutlich größere Arbeitskräftereserven gibt als die Statistik vermuten lässt, sodass die Löhne nicht so stark steigen und die Inflation antreiben werden." Fazit: Geringes Inflationsrisiko.
  • Mehr Konsum: In der Corona-Krise sind die Sparvermögen der Deutschen enorm gewachsen, da es weniger Möglichkeiten gab Geld auszugeben. Holen sie den gesparten Konsum nun schlagartig nach, gerät das Geld in den Umlauf, treibt die Nachfrage und damit die Preise in der Theorie stark an. "In Teilen geschieht das auch", sagt Bernoth. "Doch der Effekt ist nicht exorbitant." Ein Grund: Wegen eines ausgefallenen Skiurlaubs fährt kaum einer dieses Jahr zweimal in die Berge. "Die Auswirkungen des Nachholkonsums auf die Inflation ist deshalb begrenzt", so die Ökonomin. Fazit: Geringes Inflationsrisiko.
  • Hohe Staatsausgaben: Verglichen mit dem privaten Konsum fallen die staatlichen Ausgaben stärker ins Gewicht. Während der Pandemie haben die Staaten im Euroraum Corona-Konjunkturpakete in Höhe von rund 1,3 Billionen Euro geschnürt – eine gigantische Summe Geld, die in der Regel weitere Ausgaben in der Privatwirtschaft nach sich zieht und so die Inflation antreibt. Bernoth: "Käme dieses Geld auf einen Schlag in den Umlauf, könnte das die Inflation im Euroraum um 0,6 bis 1,7 Prozentpunkte nach oben treiben." Da die Staatsausgaben jedoch über einen längeren Zeitraum gestreckt sind, dürfte sich dieses Inflationsplus entsprechend über einen längeren Zeitraum verteilen und vor allem nur vorübergehend wirken, so die Expertin. Fazit: mittleres Inflationsrisiko.
  • Steigende Erzeugerpreise: Nicht nur Energie kostet mehr, auch zahlreiche Zuliefererprodukte und der Transport von Waren sind unlängst teurer geworden. Eine Entspannung dieser Lieferkettenkrise ist derzeit nicht in Sicht, gibt auch Bernoth zu. "Deshalb kann es sein, dass dieser Faktor die Inflation auch noch auf längere Sicht erhöht halten wird", so Bernoth. Fazit: mittleres Inflationsrisiko.
  • Inflationserwartungen: Hier liegt das größte Risiko für eine länger anhaltende hohe Inflation. Wenn nämlich zu viele Menschen glauben, dass die Inflation weiter hoch bleibt, versuchen sie bei ihren Chefs eine Gehaltserhöhung herauszuhandeln. Der wiederum holt sich die steigenden Personalkosten über höhere Preise beim Verkauf seiner Waren oder Dienstleistungen herein. "Befragungen unter Ökonomen und Finanzexperten deuten derzeit noch nicht auf einen nennenswerten Anstieg der Inflationserwartung hin", sagt Bernoth. Das aber müsse nichts heißen, gehe es doch vor allem um die Annahmen der breiten Bevölkerung. "Je länger die Phase des Preisschubs anhält, desto wahrscheinlicher ist es, dass sich die Angst vor einer längeren erhöhten Inflation Bahn bricht", so Bernoth. "Das wäre fatal." Fazit: potenziell hohes Inflationsrisiko.

Die meisten der untersuchten Faktoren wirken also nur vorübergehend und dürften kaum dafür sorgen, dass die Preise dauerhaft unkontrolliert steigen. Einzig den letzten Punkt, die erwartete Inflation, müsse man jedoch im Auge behalten, heißt es in der DIW-Studie.

Dafür zuständig ist vor allem die Europäische Zentralbank (EZB), deren wichtigste Aufgabe es ist, für stabile Preise in der Eurozone zu sorgen, indem sie die Inflationsrate langfristig bei einem Wert von 2 Prozent hält. Ob ihr das gelingt und ob den Währungshütern genügend Menschen abnehmen, dass sie notfalls einschreitet und die Zinsen erhöht, werden die kommenden Monate zeigen.

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit DIW-Ökonomin Kerstin Bernoth
  • DIW-Wochenbericht 42: "Inflation im Euroraum: Faktoren wirken meist nur temporär, aber Risiko für länger erhöhte Inflation vorhanden"
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