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Einzelfall oder Blase: China steht bei Evergrande am Scheideweg


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Einzelfall oder Blase?
China steht bei Evergrande am Scheideweg


Aktualisiert am 28.09.2021Lesedauer: 4 Min.
Bauprojekt der Evergrande Gruppe: Viele Menschen haben in Wohnungen investiert, die noch nicht gebaut sind.Vergrößern des Bildes
Bauprojekt der Evergrande Gruppe: Viele Menschen haben in Wohnungen investiert, die noch nicht gebaut sind. (Quelle: Aly Song/reuters)
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Das Schicksal des chinesischen Immobilienkonzerns Evergrande hält die Börsen in Atem. Wohl und Wehe der Märkte hängen dabei an einer Frage: Droht Chinas Wirtschaft ein Dominoeffekt?

Wohntürme, so weit das Auge reicht, manche fast fertig, viele noch im Rohbau: Die Misere des chinesischen Immobilienkonzerns Evergrande lieferte eindrückliche Bilder.

Mit seiner drohenden Pleite gerät nicht nur ein Unternehmen ins Wanken, sondern auch die Vermögen von Millionen Chinesen, die ihr Geld in die Firma gesteckt haben. Und es geht um noch mehr. Längst steht die Frage im Raum, was passiert, wenn Evergrande erst der Anfang ist – und wie die Chinas Staatschef Xi Jinping künftig mit großen Firmenpleiten umgeht.

Rolf Langhammer vom Institut für Weltwirtschaft (IfW) schaut mit gemischten Gefühlen auf China. "Es ist noch unklar, ob die chinesische Regierung Evergrande Konkurs gehen lässt oder das Unternehmen mit einem neuen Management und nach einer Umstrukturierung weiterlaufen lässt", sagte der China-Experte im Gespräch mit t-online.

Erste Signale deuten jedoch darauf hin, dass es für Evergrande tatsächlich eng werden dürfte. Ein Bericht des "Wall Street Journal" über die Lage beim chinesischen Krisenkonzern versetzte Anleger am Donnerstag in Unruhe.

Der Zeitung zufolge traten die chinesischen Behörden an die lokalen Regierungen heran, sich auf einen möglichen Zusammenbruch des Immobilienentwicklers vorzubereiten. Insider sehen das als Zeichen, dass sich die Zentralregierung in Peking sträubt, den Konzern aus dem Schuldensumpf zu ziehen.

Dabei muss man wissen, dass Staat und Wirtschaft im kommunistischen China eng miteinander verknüpft sind. Experten geben deshalb Chinas Regierung unter Xi Jinping zumindest eine Mitschuld an den Problemen des zweitgrößten Immobilienentwicklers des Landes. Die Hintergründe dazu erklärte kürzlich Christian Wildmann, Leiter Emerging Markets bei Union Investment, im Interview mit t-online. Die gesamte Expertenanalyse lesen Sie hier.

Regierung könnte an Evergrande ein Exempel statuieren

Lässt die Regierung Evergrande nun pleitegehen, könnte das heißen: China kündigt den Rettungsmechanismus für seine Firmen auf und statuiert an Evergrande möglicherweise ein Exempel – auf das künftige folgen könnten.

An weiteren Kandidaten dürfte es, allein in der Baubranche, nicht mangeln. Der Immobiliensektor in China wuchs in den vergangenen Jahren stark an – einige Experten sprechen bereits von einer Wirtschaftsblase. "Wir haben in China eine große Risikofreudigkeit bei Investitionen, doch bis jetzt ist es der chinesischen Regierung immer gelungen, Blasen zu entschärfen", sagt IfW-Experte Langhammer.

Auch Tobias Basse, Analyst bei der Nord-LB, sieht Risiken, will aber noch nicht von einer Marktüberhitzung reden. "Es ist vielleicht voreilig, beim aktuellen Hauspreisniveau des chinesischen Marktes bereits von einer Blase zu sprechen", sagt er t-online. "Ja, es gibt teils ambitionierte Bewertungsniveaus, aber das ist auch in anderen Bereichen der Welt der Fall."

"Das war im Grunde ein Schneeballprinzip"

Fakt ist: Die Regierung in Peking hat ein Problem – auch mit der Wut des eigenen Volkes. "Evergrande hat das Geld von den Wohnungssuchenden genommen und damit seine Schulden bedient, aber keine Wohnungen gebaut. Das war im Grunde ein Schneeballprinzip", sagt Langhammer.

Doch auch Kunden, die tatsächlich eine Wohnung für ihr Geld erhalten haben, sind enttäuscht. "Man sollte die spezifischen Bedingungen im Reich der Mitte im Auge behalten. Viele Chinesen haben sich Immobilien in diesen sogenannten 'Geisterstädten' als Altersvorsorge gekauft, weil sie auf steigende Preise gesetzt haben", erklärt Basse. Auch diese Kunden dürften bei den aktuellen Nachrichten nervös werden.

Staatschef Xi Jinping steht also vor einem Konflikt. Er muss seine Kleinanleger befriedigen, die Wirtschaft stabilisieren und gleichzeitig die Unternehmen erziehen, weniger auf die staatliche Hand zu setzen.

"Leichen im Keller"

Chinas Regierung wird deshalb voraussichtlich auch andere Unternehmen aus der Branche unter die Lupe nehmen. "Da Evergrande als zweitgrößter Immobilienentwickler in China jetzt ein Problem hat, wird man auch bei anderen Immobilienunternehmen genau hinschauen, ob da 'Leichen im Keller' sind und dann Kredite und Sicherheiten neu bewerten", sagt Wirtschaftsexperte Langhammer.

Sollte sich ein strukturelles Problem hinter Evergrande verbergen, birgt das auch Gefahren für die internationalen Finanzmärkte. Der Chef der Schweizerischen Nationalbank (SNB), Thomas Jordan, sieht die Lage in China kritisch: "Wir haben immer wieder gesehen, dass aus scheinbar kleinen Entwicklungen plötzlich die Finanzmärkte verunsichert werden und größere Korrekturen kommen. Wir werden das ganz genau verfolgen, wie das alle anderen Zentralbanken auch machen werden."

Nachfrage nach deutschen Autos

Sollte die gesamte Immobilienwirtschaft in China in Schieflage geraten, droht ein deutlich düsteres Szenario für China, das sich international bemerkbar machen könnte. Denn die Immobilienwirtschaft trägt einen erheblichen Anteil zur Wirtschaftsleistung Chinas bei, dessen Wachstum sich ohnehin verlangsamt hat.

Das dürfte dann auch Deutschland spüren, sowohl an den Märkten als auch in den wirtschaftlichen Beziehungen. "Wenn Evergrande nun die Binnennachfrage in China negativ beeinflusst, kann auch die Nachfrage nach deutschen Autos zurückgehen", sagt Langhammer.

Aktuell sieht Analyst Basse aber keine klaren Anzeichen für ein Problem der gesamten Branche. Mehr dazu, wie die Evergrande-Problematik auch den Dax treffen könnte und was Anleger nun beachten sollen, lesen Sie hier.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Gespräch mit Tobias Basse
  • Gespräch mit Rolf Langhammer
  • Nachrichtenagentur Reuters
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