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Corona-Hilfen: Bekommt jeder bald einen Corona-Gutschein?


Konjunkturhilfen
Bekommt jeder bald einen Corona-Gutschein?


Aktualisiert am 09.05.2021Lesedauer: 6 Min.
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Die Innenstadt von Bochum (Symbolbild): Die Idee eines Corona-Einkaufsgutscheins steht im Raum.Vergrößern des Bildes
Die Innenstadt von Bochum (Symbolbild): Die Idee eines Corona-Einkaufsgutscheins steht im Raum. (Quelle: Jochen Tack/imago-images-bilder)

Das Impftempo zieht an, die Hoffnung kehrt zurück. Braucht es nun ein weiteres Konjunkturpaket? Ökonomen sind sich uneins – auch in der Frage nach Corona-Gutscheinen für die Bürger.

In Deutschland ist rund jeder Dritte mindestens einmal geimpft, Lockerungen für Geimpfte kommen. Und auch die deutsche Wirtschaft erholt sich langsam.

Vor einem Jahr brachte der Bund ein gewaltiges Konjunkturpaket auf den Weg – mit einem Umfang von 130 Milliarden Euro, um der Corona-gebeutelten Wirtschaft nach dem ersten Lockdown wieder auf die Beine zu helfen. Nun steht erneut die Frage an: Braucht es ein Konjunkturpaket? Und wenn ja: Wie soll das aussehen? Könnte es gar Corona-Gutscheine geben – für jeden? t-online beantwortet die wichtigsten Fragen.

Wie steht es um die deutsche Wirtschaft?

Kurze Antwort: Besser als noch vor einem Jahr, aber immer noch nicht wie vor der Corona-Krise. Vergangenes Jahr war die Wirtschaftsleistung um 4,9 Prozent gesunken, auch der Start ins neue Jahr war verhalten. So brach die Wirtschaft in den ersten drei Monaten 2021 um 1,7 Prozent zum Vorquartal ein. Ausschlaggebend dafür waren die Einschränkungen durch den neuerlichen Corona-Lockdown.

Besonders schwer haben es daher die verbrauchernahen Dienstleister, wie Ökonomen sie nennen. Gemeint sind damit Friseure, Einzelhändler, Gastwirte oder Hoteliers – also alle Branchen, die wegen der Pandemie dichtmachen müssen oder mussten und denen Umsätze entgehen.

Exportfirmen sind Treiber der Erholung

Dagegen ist der Wirtschaftstreiber aktuell die exportorientierte Industrie. Die Weltwirtschaft wächst wieder, vor allem die für deutsche Firmen wichtigen Absatzmärkte in China und den USA. Auch Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) spricht davon, dass der "Exportmotor" wieder angesprungen sei. Für 2021 rechnet die Bundesregierung im deutschen Export mit einem Plus von 9,2 Prozent – auch wenn aktuell ein Mangel an Mikrochips Probleme bereitet.

Insgesamt geht die Regierung im laufenden Jahr von einem Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts in Höhe von 3,5 Prozent aus. Im Januar rechnete sie noch mit einem Wachstum von nur 3 Prozent. Allerdings ist der Bund immer noch pessimistischer als mehrere Wirtschaftsforschungsinstitute, die in einer Gemeinschaftsdiagnose ein Wachstum von 3,7 Prozent prognostiziert hatten. Im kommenden Jahr erwartet Altmaier ein Plus von 3,6 Prozent.

Aufgrund einer sinkenden Inzidenz besteht nun Hoffnung auf Normalität – und die Frage nach einem weiteren Konjunkturpaket kommt auf.

Brauchen wir ein weiteres Konjunkturpaket?

Das ist die entscheidende Frage. Geht es nach Achim Truger, einem der Ökonomen im Rat der "Wirtschaftsweisen", lautet die Antwort: Ja. "Es darf nicht sein, dass die öffentlichen Haushalte zu früh auf die Bremse treten. Das würde die wirtschaftliche Erholung gefährden", sagt er im Gespräch mit t-online.

Wirtschaftsweisen
Die "Wirtschaftsweisen" ist die umgangssprachliche Bezeichnung für die fünf Mitglieder des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR). Das wissenschaftliche Gremium berät die Bundesregierung zu Wirtschaftsfragen und erstellt jährlich ein Gutachten zur gesamtwirtschaftlichen Lage. Seit dem Ausscheiden des Vorsitzenden Lars Feld Ende Februar 2021 gibt es nur vier Wirtschaftsweisen.

Truger schlägt daher vor, ein weiteres Konjunkturprogramm aufzulegen. Bereits vergangenen Sommer schnürte der Bund ein Paket in Höhe von 130 Milliarden, das etwa die umstrittene Mehrwertsteuersenkung von Juli bis Ende 2020 enthielt.

"Wir können einen gezielten Konjunkturschub brauchen", sagt Truger. "Denn viele gebeutelte Branchen wie das Gastgewerbe oder der Einzelhandel werden nicht sofort und von allein wieder auf die Beine kommen, sobald es Lockerungen gibt."

200 Milliarden Euro an Einsparungen

Anders sieht das dagegen Torsten Schmidt, Konjunkturchef am Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Essen. "Ein weiteres Konjunkturpaket halte ich für falsch. Das ist unnötig", sagt er t-online. Der Grund: "Die Nachfrage zieht automatisch an, sobald es Lockerungen gibt." Zusätzliches Geld auszugeben sei folglich überflüssig.

Die Deutschen hätten bislang rund 200 Milliarden Euro gespart. "Dieses Geld wird bald ausgegeben", sagt er. Allerdings nicht auf einmal – wie Schmidt einräumt. "Zunächst wird sich die Nachfrage erst einmal erholen. Nach und nach werden wir aber sehen, dass sie anzieht."

Die Deutschen wollten konsumieren, ins Restaurant gehen, in den Urlaub fahren. "Das konnten sie mehr als ein Jahr lang nicht", so Schmidt. Weitere allgemeine Konjunkturanreize wären daher überflüssig – und schlicht zu teuer. "Wir müssen die öffentlichen Haushalte nicht weiter belasten", so Schmidt.

Auch der Politiker Michael Theurer hält ein Konjunkturpaket für überflüssig. Der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion sagte t-online: "Ich warne bei einem weiteren Konjunkturpaket vor Strohfeuereffekten." Das sei auch gar nicht nötig. "Kluge Öffnungsschritte sind das beste Konjunkturpaket."

Welche Konjunkturhilfen könnten kommen?

Derzeit sind einige Konjunkturhilfen im Gespräch. Ob und wenn ja in welchem Umfang sie umgesetzt werden, ist aber noch offen. Ein Überblick:

  • Kinderbonus: Schon im Konjunkturpaket 2020 war ein Kinderbonus enthalten. Nun gibt es solche Ideen erneut. "Um den Konsum generell zu stützen, fände ich einen weiteren Kinderbonus sinnvoll. Der käme gezielt Familien mit unteren und mittleren Einkommen zugute", so Truger. Auch ein Pro-Kopf-Bonus – also unabhängig von den Kindern – steht auf der Liste möglicher Konjunkturanreize.
  • Erweiterter Verlustrücktrag: Der Vorschlag kommt von Arbeitgeberverbänden sowie der FDP. Firmen können bislang ihre Verluste aus Corona-Zeiten mit früheren Gewinnen nur für ein Jahr verrechnen – und so ihre Steuerlast senken. "Sinnvoll ist, den Verlustrücktrag für Firmen auf drei bis fünf Jahre zu erweitern. Das hilft Firmen, ihre Verluste leichter zu verrechnen – und sie so zu entlasten", sagt Theurer. Das wirke ebenfalls "konjunkturstimulierend, ist mittelfristig aber nahezu aufkommensneutral".
  • Corona-Gutschein: Mehrere Ideen gibt es, einen Corona-Gutschein aufzulegen (siehe unten). "Anders als die Mehrwertsteuersenkung wären Corona-Gutscheine zielgerichtet und effektiv", so Truger. Sonderlich realistisch ist die Idee allerdings nicht.

Im vergangenen Jahr noch hatte die Bundesregierung die Mehrwertsteuer für ein halbes Jahr abgesenkt. Diesen Schritt zu wiederholen halten Ökonomen allerdings nicht für sinnvoll. Neben Konjunkturanreizen ist auch gefordert, die Corona-Krisenmaßnahmen einfach fortzuführen – etwa Ausnahmen der Kurzarbeiterregelungen. "Der Bund sollte die Corona-Maßnahmen verlängern", sagt Truger. "Wir dürfen auf den letzten Metern der Pandemie nicht riskieren, dass viele, die es bis jetzt geschafft haben, dichtmachen müssen."

Zusätzlich fordern viele Firmen, dass die Überbrückungshilfen schneller und unbürokratischer fließen sollten. Auch FDP-Mann Theurer sagt: "Herr Altmaier ruht sich hier aus – während bei vielen Firmen die Uhr tickt." Und er geht noch weiter: "Wir sollten auch über einen Schuldenerlass für kleinere und mittlere Firmen nachdenken. Das kann – als letzte Option – durchaus ein Schritt sein, um den Unternehmen nach der Krise wieder auf die Beine zu helfen."

Wie sollen Corona-Gutscheine funktionieren?

Hierfür gibt es mehrere Ideen. Der Ökonom Peter Bofinger, bis Ende Februar 2019 Mitglied des Sachverständigenrates, hatte Einkaufsgutscheine bereits im Februar 2021 ins Spiel gebracht. Sein Vorschlag: Die sogenannten "Lockup-Voucher" sollen nur in Betrieben einsetzbar sein, die durch den Corona-Shutdown schließen mussten und dadurch wirtschaftlich stark getroffen wurden.

Von den Gutscheinen könnten neben Geschäften also auch Restaurants, Fitnessstudios oder Kultureinrichtungen profitieren. Nach dem Shutdown müssten "gezielt die Unternehmen und Selbstständigen unterstützt" werden, "die durch die Schließung ihres Betriebs massive Einkommensverluste hinnehmen mussten", sagte Bofinger damals dem "Spiegel".

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Die Betriebe könnten die Gutscheine bei ihrer Hausbank wie Bargeld einzahlen. Die Banken würden die Wertgutschriften an die Bundesbank weiterreichen, die dann mit dem Finanzministerium abrechnen würde. Das sei "administrativ einfach zu gestalten", so Bofinger.

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"Corona-Gutscheine sind sinnvoll"

Auch der Handelsverband Deutschland (HDE) hatte Einkaufsgutscheine im Wert von 500 Euro gefordert – für alle Bürgerinnen und Bürger, unabhängig von einer bürokratischen Bedarfsprüfung. "Ein zusätzliches Einkommen von 500 Euro je Einwohner würde einen Nachfrageimpuls von bis zu 40 Milliarden Euro bedeuten", sagte der HDE-Hauptgeschäftsführer, Stefan Genth, Ende März.

Truger unterstützt diese Idee, wenn auch mit Einschränkungen. "Corona-Gutscheine für die zweite Jahreshälfte, um besonders von Schließungen betroffene Betriebe zu unterstützen, sind sinnvoll", sagt er. "500 Euro scheint mir aber um ein Vielfaches zu hoch gegriffen."

Sein Volkswirtkollege Schmidt hält Einkaufsgutscheine dagegen generell für nicht sinnvoll. "Corona-Gutscheine sind die falsche Idee. Sie sind zu undifferenziert – und die Ausgestaltung ist zu kompliziert."

Wie realistisch ist ein weiteres Konjunkturpaket?

Nicht sonderlich. Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) antwortet auf die Frage von t-online nach einem weiteren Konjunkturpaket jedenfalls nur ausweichend – und verweist auf die jüngste Konjunkturprognose (siehe oben).

Das Ministerium geht davon aus, "dass Lockerungen der aktuellen Maßnahmen im zweiten Quartal 2021 zu einer deutlichen Erholung der Binnenwirtschaft und der privaten Konsumausgaben führen werden". Auch präsentierten sich – trotz des anhaltenden Infektionsgeschehens – "vor allem die Industriekonjunktur und das außenwirtschaftliche Umfeld als wichtige Impulsgeber im laufenden Jahr". Von einem Konjunkturpaket ist indes keine Rede. Somit wären auch Corona-Gutscheine nicht realistisch.

Die Hilfsgelder für Firmen sollen jedoch länger fließen. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) habe "wiederholt deutlich gemacht, dass er sich für die Verlängerung der Corona-Wirtschaftshilfen (Überbrückungshilfe) bis zum Jahresende einsetzt, um die Unternehmen zu unterstützen, die noch Hilfe benötigen und weiter von den aktuellen Corona-Beschränkungen betroffen sind", so das BMWi. Hierzu liefen die Gespräche innerhalb der Bundesregierung.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Gespräch mit Achim Truger
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