RKI-Chef Wieler: "Das Virus wird nicht verschwinden"
Die Corona-Lage in Deutschland entspannt sich. Am Vormittag informierten Gesundheitsminister Spahn und RKI-Chef Wieler über die aktuelle Situation. Schnellen Öffnungen erteilten sie eine Absage.
Das Impfen in Deutschland kommt immer schneller voran, gleichzeitig sinken die Infektionszahlen kontinuierlich: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und der Chef des Robert Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, hatten am Freitag in Berlin viel Positives zur Corona-Lage zu berichten. Die dritte Welle scheint gebrochen, sagte Spahn gleich zu Beginn der regelmäßigen Pressekonferenz. Die Zahlen seien zwar immer noch hoch, aber sie sinken.
RKI-Chef Wieler erläuterte, dass in allen Altersgruppen die Sieben-Tage-Inzidenzen rückläufig seien. Es sei gelungen, den R-Wert auch bei der besonders ansteckenden Corona-Variante B.1.1.7 deutlich zu drücken – von etwa 4 zu Beginn des Jahres auf nun etwa 1. "Das haben wir alle gemeinsam geschafft", zeigte sich Wieler erfreut.
Möglich geworden sei dies dadurch, dass die Menschen ihre Kontakte weiter reduziert, ihre Mobilität deutlich eingeschränkt, und über Ostern auf Reisen verzichtet hätten. Dieser Erfolg geriete nach Wielers Ansicht aber in Gefahr, wenn die Kontaktbeschränkungen nun rasch wieder aufgehoben würden. Auf den Intensivstationen sei die Lage weiter angespannt, die Zahl der intensivmedizinisch betreuten Covid-19-Patienten immer noch sehr hoch.
Auch Spahn mahnte, das Erreichte zu verstetigen und nicht mit schnellen Öffnungen aufs Spiel zu setzen. Lockerungen sollte es wenn dann draußen und testgestützt geben. Als Beispiel nennt der CDU-Politiker Großbritannien, dass trotz schneller Impfkampagne erst langsam wieder öffnet. Der RKI-Chef betonte erneut, dass der Kampf gegen die Pandemie ein langfristiger sei. "Das Virus wird nicht verschwinden", sagte er. Die Pandemie sei noch in vollem Gange. Weltweit stiegen Infektions- und Todeszahlen noch. Deswegen müsse man wachsam bleiben und eine vierte Welle verhindern.
Spahn: Nächste Woche eine Million Astrazeneca-Dosen für Hausärzte
Beim Impfen sieht Spahn die Bundesrepublik im internationalen Vergleich inzwischen auf der Überholspur. Dazu wird nach seiner Ansicht auch die Aufhebung der Impfpriorisierung für den Wirkstoff von Astrazeneca beitragen. Für die kommende Woche kündigte er die Lieferung von einer Million Dosen des Vakzins an die deutschen Hausärzte an, die es dann nach eigenem Ermessen vergeben können.
Spahn verteidigte die Entscheidung, dass die Ärzte den Abstand zwischen den beiden Astrazeneca-Impfungen künftig flexibler handhaben können. Viele wollten sich augenscheinlich derzeit nicht mit Astrazeneca impfen lassen, weil sie dann erst im August den vollen Impfschutz bekommen. Der Minister betont zwar, dass die Wirksamkeit des Präparats umso höher ist, desto länger der Abstand zwischen Erst- und Zweitimpfung ist – laut Studien liegt sie bei einem Abstand von vier bis acht Wochen bei 50,4 Prozent, bei zwölf und mehr Wochen bei bis zu 82,4 Prozent. Eine geringere Akzeptanz sei jedoch für die Pandemiebekämpfung insgesamt nicht gut. "In dieser Phase der Pandemie haben wir ein großes Interesse daran, dass viele Menschen sich impfen lassen."
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RKI-Chef Wieler machte gleichwohl deutlich, dass er für sich selbst den Impfabstand bei Astrazeneca nicht verkürzen wird. "Natürlich werde ich mich erst nach zwölf Wochen impfen lassen", sagte er mit Blick auf seine noch ausstehende Zweitimpfung.
Spahn: Freigabe von Patenten nicht das Hauptthema
Weiterhin skeptisch blieb der Gesundheitsminister in der Frage der Freigabe von Patenten auf Impfstoffe. Die US-Regierung hatte einen solchen Schritt in die Diskussion gebracht, um die weltweite Impfstoffproduktion in kurzer Zeit auszuweiten. "Das Hauptthema ist nicht die Frage von Patenten, sondern von Produktionskapazitäten", sagte er.
Spahn wies darauf hin, dass sich etwa die modernen mRNA-Impfstoffe wie der von Biontech/Pfizer "nicht einfach per Lizenz mal irgendwo produzieren" ließen. Wichtig seien hier Kooperationen, wie es sie auch beispielsweise mit Indien und Südafrika bereits gebe. "Wenn mehr Kooperation möglich ist, helfen wir gerne mit, solche Kooperationen zu befördern."
Spahn führte an, dass es gerade die USA seien, die bislang anders als europäische Staaten fast gar keinen Impfstoff exportiert hätten. "Ich freue mich, wenn die USA jetzt bereit sind, in den USA produzierte Dosen auch für den Export freizugeben", sagte der Minister. Deutschland tue dies jetzt schon und werde seine Exporte noch steigern. Spahn betonte aber auch, dass Deutschland "als Innovationsstandort auch ein Interesse daran hat, dass es geistiges Eigentum gibt". Es gehe hier auch um die Anerkennung von Forschungsleistungen, die "wir gerade gefeiert haben".
- Bundespressekonferenz am 7. Mai 2021
- Nachrichtenagenturen dpa, AFP, Reuters