Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Vorstoß aus der FDP Eine gesetzliche Rente auf Aktien ist längst überfällig
Der gesetzlichen Rente droht der Kollaps. In nur wenigen Jahren könnte das aktuelle Umlagesystem ins Wanken geraten. Die FDP-Idee einer Aktienrente könnte Abhilfe schaffen – geht aber nicht weit genug.
Wer böse sein will, könnte der FDP Populismus vorwerfen – und dabei mit der Google-Statistik argumentieren: Im Januar 2020 verzeichnete die Suchmaschine rund 60.500 Anfragen für die Wortkombination "Aktien kaufen". Knapp ein Jahr später, im vergangenen Dezember, waren es 74.000 Anfragen, ein Plus von 22 Prozent. Ähnliche Zuwächse zeigen sich für die Suchworte "Aktien Altersvorsorge" und "Aktienfonds".
Das Volk, so belegen es auch die Zahlen neu eröffneter Depots, hat die Börse wiederentdeckt. Aktien sind en vogue, nicht zuletzt, um im andauernden Zinstief Vermögen fürs Rentenalter aufzubauen.
Klar, dass die Liberalen ein solches Momentum nicht verstreichen lassen können. Endlich schlägt die Stunde jener, die es schon immer besser wussten. Derer, die seit jeher für eine stärkere Aktienkultur werben, dafür, dass jeder seinen Teil abhaben kann vom großen Kapitalismuskuchen. Doch sollte man die Idee einer "Aktienrente" deshalb belächeln? Mitnichten, denn die Zeit drängt.
Die Aktienrente ist erfolgsversprechend
Schon jetzt droht der gesetzlichen Rente der Kollaps. Spätestens wenn in den kommenden 15 Jahren der letzte Vertreter der Babyboomer-Generation in Rente gegangen ist, gerät das aktuelle Umlagesystem in Schieflage. Viel weniger junge müssen dann für die Bezüge deutlich mehr alter Menschen aufkommen. Eine Rechnung, die nicht aufgehen kann. Zumindest wenn der Staat die Rente nicht noch mehr als bislang mit Steuergeldern bezuschussen will.
Es müssen also neue Ideen, Konzepte, Ansätze her. Und der einer Rente auf Aktien, einer gesetzlichen "Aktienrente", ist durchaus erfolgsversprechend.
Warum das so ist, belegt ein weiterer Blick in die Statistik, diesmal in die der Finanzmärkte: Während die Zinsen in den vergangenen 30 Jahren kontinuierlich auf nunmehr knapp über null Prozent sanken, zeigten sich die langfristigen Kurserträge von Aktien stabil.
Wer im selben Zeitfenster über einen beliebigen 15-Jahres-Zeitraum etwa Geld in den breit gestreuten Aktienindex MSCI World anlegte, machte niemals Verluste, sondern fuhr im Schnitt eine stattliche Rendite von durchschnittlich mehr als 6 Prozent pro Jahr ein.
Der Staat muss die Bürger anstupsen
Dass es erst die FDP brauchte, um mit Blick auf die Renten eins und eins zusammenzuzählen, ist fast erstaunlich. Eine gesetzliche Rente, die auf Aktien-Renditen setzt, ist längst überfällig – und im Sinne eines libertären Paternalismus absolut geboten.
Denn nicht erst seitdem es Verhaltensökonomen bewiesen haben, ist klar: Das Gros der Menschen ist träge, wenn es um die eigenen Finanzen geht. Die meisten kümmern sich erst dann um die Altersvorsorge, wenn es zu spät ist. Selbst jetzt, wo sich immer mehr Menschen mit der Börse beschäftigen, bleiben noch immer zu viele zurück.
Ein staatlicher Stupser, sogenanntes "Nudging", per gesetzlicher Vorsorge mit Aktien, kann da Wunder wirken. Ist die langfristige Geldanlage an der Börse der Standard, dem niemand entkommen kann, werden – wie in Schweden – alle von der Aktienrente profitieren.
Ein größerer Aktienanteil wäre noch besser
Damit das Konzept jedoch nachhaltig ist und dauerhaft hilft, wird der Aktienanteil von zwei Prozent der Beiträge kaum ausreichen. Langfristig müsste aller Voraussicht nach noch deutlich mehr Geld der Beitragszahler an den Kapitalmärkten angelegt werden.
Ob das eine künftige Regierung, eine mögliche Koalition aus Union und Grünen, ähnlich sieht, ist jedoch fraglich. Mit dem Vorschlag der FDP liegt nun eine gute Idee auf dem Tisch. Nun kommt es darauf an, dass sie – von wem auch immer – umgesetzt wird.
- Eigene Recherche
- Aktienrente-Konzept der FDP-Fraktion im Bundestag
- Cass Sunstein und Richard Thaler: "Nudge"