Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Krise in Deutschland Warum es an der Zeit für Corona-Optimismus ist
Das Jahr 2020, das Corona-Jahr, geht zu Ende. Die Bilanz ist aus vielerlei Hinsicht furchtbar. Doch es gibt auch Hoffnung. Fünf Gründe gegen einen allgemeinen Corona-Pessimismus.
Was für ein verfluchtes Jahr! Fast 30.000 Corona-Tote in Deutschland, volle Intensivstationen, eine globale Rezession, Millionen Arbeitslose und Menschen in Kurzarbeit, eine Zunahme der häuslichen Gewalt im Zuge der Lockdowns: An Argumenten, das Jahr 2020 zu verdammen, mangelt es wahrlich nicht.
Doch sollten wir deshalb in Endzeitstimmung verfallen, uns in Jammern, Klagen oder Verzweifeln flüchten? Sollten wir die Regierung, unseren Arbeitgeber oder unsere Mitmenschen verfluchen? Und sollten wir mit diesem Pessimismus auf 2021 blicken?
Nein. Denn es gibt zahlreiche Gründe, warum das Corona-Jahr 2020 zwar schlimm, aber mit Sicherheit nicht das schlimmste aller Zeiten war. Und es gibt Anlässe zur Hoffnung, zum Optimismus, ja, gar zur vorsichtigen Vorfreude auf 2021. Zum Beispiel die folgenden fünf:
1. Auf den Staat ist Verlass
Niemand musste sich in der Corona-Krise so viel Kritik gefallen lassen wie der Staat, wie "die Politiker". Doch es handelte sich oftmals um Klagen auf sehr hohem Niveau. Denn der Staat stand parat, als es Hilfe brauchte.
Als Angela Merkel im März den Lockdown verkündete, reagierte die sonst so behäbige große Koalition zügig und setzte ein gigantisches Maßnahmenpaket auf. Das Kurzarbeitergeld hat Millionen von Menschen vor der Arbeitslosigkeit bewahrt, die Überbrückungshilfen Zehntausende Firmen liquide gehalten. Klar, die Senkung der Mehrwertsteuer mag nicht sonderlich zielgerichtet gewesen sein. Insgesamt aber zeigten die Maßnahmen Wirkung.
Und auch als im Herbst und Winter Corona mit voller Wucht zurückkehrte, war der Bund erneut da. Ja, der Lockdown light war unnötig. Ja, ein harter Lockdown im November hätte einen zweiten Lockdown jetzt verhindert. Und ja, die Schulen sind Infektionstreiber und hätten im Sommer auf die zweite Welle vorbereitet werden müssen.
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Für die Unternehmen aber gilt: Sie wurden und werden auch in dieser schwierigen Situation nicht alleingelassen. Tatsächlich hat der Bund noch einmal Milliarden in die Hand genommen, um ihnen durch den Corona-Winter zu helfen. Und das beste daran: Deutschland kann sich die neuen Schulden angesichts der niedrigen Zinsen auch mittelfristig gut leisten, ohne dass wir mit Steuererhöhungen rechnen müssen.
Das heißt: Der Staat musste liefern – und hat dies auch getan. Er wird erneut liefern, wenn das nötig werden sollte. Diskussionen über zu hohe Staatsschulden sind ebenso schädlich wie solche über höhere Steuern.
2. Die Wirtschaft funktioniert
Zwar musste der Staat einspringen, um die Konjunktur zu stützen. Doch nur weil das Virus die deutsche Wirtschaft durch einen Angebots- und einen Nachfrageschock doppelt getroffen hat. Eine systemische Krise, wie beim Finanzcrash 2008/2009, ist die Corona-Pandemie nicht. Im Umkehrschluss heißt das: Mit dem staatlichen Schub läuft die Wirtschaft wieder – und wenn die Infektionszahlen heruntergehen, kann der Staat seine finanziellen Hilfen zügig herunterfahren.
Schon jetzt läuft die Industrie wieder auf Hochtouren. Die Exporte haben sich vom Corona-Schock erholt. Solange das Virus auf anderen Erdteilen – etwa im wichtigen Exportmarkt China – nicht erneut ausbricht und Lieferketten lahmlegt, werden die Ausfuhren die deutsche Wirtschaft stützen.
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Und selbst wenn es als Folge der Corona-Krise zu einer Reihe von Firmenpleiten kommen sollte, muss das der deutschen Volkswirtschaft nicht dauerhaft schaden. Denn Insolvenzen haben auch einen reinigenden Effekt: Unternehmen verschwinden vom Markt, die durch den Strukturwandel auf lange Sicht ohnehin nicht überlebt hätten. An ihre Stelle werden Firmen treten, die ein zukunftsfähiges Geschäftsmodell haben – und somit auch dauerhaft überleben und Arbeitsplätze sichern können.
Das heißt: Abgesehen vom Coronavirus ist die deutsche Wirtschaft gesund – und durch den pandemiebedingt beschleunigten Strukturwandel wird sie für die Zukunft fitgemacht.
3. Es gibt noch Helden
In Krisenzeiten zeigt sich erst recht, dass es Menschen gibt, die tagtäglich ihr Leben für das Gemeinwohl aufs Spiel setzen. Pfleger, Ärztinnen, Reinigungskräfte, Kassierer – die Liste derer, die in Corona-Zeiten schier Unmenschliches leisten, ist lang.
Bislang gab es für sie lediglich einen kleinen Bonus sowie Applaus auf dem Balkon. Bliebe es dabei, wäre das eine Farce. Tatsächlich aber stehen die Chancen gut, dass die Krise mehr in Gang setzt. Corona könnte dafür sorgen, dass Menschen in sozialen Berufen – übrigens überwiegend Frauen – künftig deutlich besser bezahlt werden. Dass sich die Arbeitsbedingungen insgesamt verbessern – und man es schafft, mehr junge Menschen für solche Berufe zu begeistern.
Das heißt: Viele Menschen leisten in Corona-Zeiten Unmenschliches. Sie müssen endlich besser bezahlt werden – und werden es hoffentlich auch.
4. Die große Mehrheit ist nicht ignorant, sondern menschlich
Corona-Leugner, Querdenker, Covidioten – es gibt viele Bezeichnungen für Menschen, die die Existenz der Pandemie verneinen oder dem Coronavirus die Gefährlichkeit absprechen. Das am besten passende Wort für sie ist aber Solidaritätsverweigerer. Denn sie setzen mit ihrer Ignoranz nicht nur die Gesundheit ihrer Mitmenschen aufs Spiel, sondern riskieren auch eine Verlängerung der Einschränkungen. Das Gute aber ist: So groß die Auswahl an Namen für diese Menschen sein mag, so klein ist die Gruppe selbst. Experten schätzen, dass gerade einmal wenige Prozent der Deutschen so denken.
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Deutlich mehr Leute hingegen dürften im Alltag einfach unachtsam sein. Dann, wenn ihnen die Maske verrutscht. Dann, wenn sie sich trotz Kontaktbeschränkungen zum Glühwein verabreden. Dann, wenn sie einander in Sehnsucht nach Normalität an Weihnachten besuchen. Das alles ist nicht ignorant – es ist menschlich. Denn anders als die wirklichen Covidioten sind sie für die Argumente zugänglich. Auch wenn es manchmal mehrere Hinweise braucht.
Das heißt: Die Mehrheit der Menschen achtet auf die Corona-Regeln. Und wenn nicht, ist das nur menschlich. Zusammenreißen sollten wir uns trotzdem – oder gerade deswegen.
5. Ein Ende ist in Sicht – und wir haben viel gelernt
Klar, die Infektionszahlen gehen gerade wieder bergauf. Das Ende des jetzigen Lockdowns war ursprünglich für 10. Januar geplant. Daraus wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nichts. Nicht zuletzt wegen des mutierten Virus aus Großbritannien werden wir womöglich noch bis Mitte März in einem mehr oder weniger harten Lockdown bleiben müssen, vielleicht wird er sogar durch allgemeine Ausgangssperren verschärft.
Das aber darf nicht darüber hinwegtäuschen: Ein Ende der Pandemie ist bereits zu sehen. Am 27. Dezember soll in Deutschland mit dem Impfen begonnen werden – mit einem Vakzin, entwickelt von Özlem Türeci und Uğur Şahin, zwei Deutschen mit Migrationshintergrund, die so gar nicht ins Weltbild des konservativen, verschrobenen Deutschen passen mögen. Allein darüber können wir uns freuen.
Mindestens genauso groß sollte bei allem Leid, das die Corona-Pandemie gebracht hat, unsere Freude über das Gelernte sein: Wenn wir an einem Strang ziehen, bekommen wir globale Probleme auch gelöst. Nötig ist dafür wie immer Geld. Richtig eingesetzt kann es Existenzen sichern und Leben retten. Das sollten wir mitnehmen – weitere Herausforderungen warten auf uns.
Das heißt: Die Corona-Pandemie sollte spätestens in einem Jahr Geschichte sein. Bei der anschließenden Feier sollten wir drängende Zukunftsprobleme aber nicht vergessen – allen voran die Bewältigung der Klimakrise.
- Eigene Recherche