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Statistikfehler bei Arbeitslosenzahlen – wahre Zahlen sind höher


Wahre Zahlen sind höher
Statistikfehler bei Arbeitslosenzahlen entdeckt

Von dpa, reuters
Aktualisiert am 02.06.2019Lesedauer: 3 Min.
Logo der Bundesagentur für Arbeit: Wie stark die Zahl der Arbeitslosen am Ende des Datenchecks die bisherige Jobsucherzahl übersteigen werde, ist im Moment noch unklar.Vergrößern des Bildes
Logo der Bundesagentur für Arbeit: Wie stark die Zahl der Arbeitslosen am Ende des Datenchecks die bisherige Jobsucherzahl übersteigen werde, ist im Moment noch unklar. (Quelle: Felix Kästle/dpa)

Die Zahl der Arbeitslosen scheint seit geraumer Zeit kontinuierlich zu sinken. Liegt das an einem Rechenfehler? Eine Datenüberprüfung hat nun Näheres dazu herausgefunden.

Eine auf Druck des Bundesrechnungshofs veranlasste Datenüberprüfung in 302 deutschen Jobcentern legte Statistikfehler offen und zwingt die Bundesagentur für Arbeit (BA) nun zur Korrektur ihrer Arbeitslosenzahlen. Bereits nach gut der Hälfte der 136.000 anstehenden Überprüfungen müsse von rund 30.000 bis 40.000 Arbeitslosen mehr ausgegangen werden, erläuterte eine Statistikexpertin am Rande der Arbeitsmarkt-Pressekonfererenz in Nürnberg.

Wie stark die Zahl der Arbeitslosen am Ende des Datenchecks die bisherige Jobsucherzahl übersteigen werde, sei im Moment noch unklar, sagt die Expertin. Bundesagentur-Chef Detlef Scheele geht davon aus, dass die bereits im April angelaufene "Qualitätsoffensive" bei der Hartz-IV-Statistik noch ein bis zwei Monate dauern werde.

Unplausible Fälle geprüft

Auf die Unstimmigkeiten, bei denen es sich nach BA-Einschätzung keineswegs um vorsätzliche Statistikmanipulationen handele, war der Bundesrechnungshof bei Prüfungen gestoßen. Er hatte festgestellt, dass manche erwerbsfähige Hartz-IV-Bezieher irrtümlich als "arbeitssuchend" eingestuft worden waren, obwohl sie nach dem Ende einer Erkrankung oder Fortbildung längst wieder vermittelbar waren und daher als "arbeitslos" hätten eingestuft werden müssen – oder umgekehrt.

Nach BA-Angaben hatten sich solche Überprüfungen von unplausiblen Fällen bisher auf die 156 Arbeitsagenturen beschränkt. Die meisten der gemeinsam mit den Kommunen betriebenen 302 Jobcenter haben nach BA-Informationen solche Plausibilitätskontrollen bisher abgelehnt. Personalräte hätten darin unter anderem eine unzulässige Leistungskontrolle der Jobcenter-Mitarbeiter gesehen, heißt es. Inzwischen hätten die Kommunen einer solchen Plausibilitätsprüfung bei den gemeinsam mit der BA betriebenen Jobcentern zugestimmt.

Konjunkturflaute trifft Jobmarkt

Vorab teilte die Bundesagentur für Arbeit (BA) die Arbeitslosenquote mit und betonte, dass die steigende Zahl unter anderem durch die maue Wirtschaftslage bedingt ist. "Auf dem Arbeitsmarkt zeigen sich erste Auswirkungen der zuletzt etwas schwächeren konjunkturellen Entwicklung", sagt BA-Chef Detlef Scheele. "Die Nachfrage der Betriebe nach neuen Mitarbeitern schwächt sich auf hohem Niveau merklich ab." Die Zahl der Arbeitslosen kletterte auch wegen Sondereffekten zum Vormonat um 7.000 auf 2.236 Millionen. Bereinigt um jahreszeitliche Schwankungen gab es sogar den ersten Anstieg seit zwei Jahren.

Scheele betont allerdings, dass sich die Beschäftigung weiter auf Wachstumskurs befinde – auch wenn der Schwung etwas nachgelassen habe. So eilt die Zahl der Erwerbstätigen derzeit noch von Rekord zu Rekord. Im April gab es saisonbereinigt mit 45,1 Millionen einen neuen Höchstwert. Manche Branchen wie das Gesundheits- und Sozialwesen koppeln sich laut Scheele von der Konjunktur ab. "Zum anderen sichern sich Unternehmen die zunehmend knappen Fachkräfte, auch wenn die Auftragslage schwächer wird." Chefökonom Thomas Gitzel von der VP Bank sagte ebenfalls, Firmen suchten händeringend nach Personal. "Daran würde selbst eine Rezession nichts ändern." Grund seien der demografische und technologische Wandel.

Deutschland ist kein Magnet für Fachkräfte

Für hoch qualifizierte Arbeitnehmer aus dem Ausland ist Deutschland als Standort einer Studie zufolge allerdings nur mäßig attraktiv. Die größte Volkswirtschaft Europas rangiert international nur im Mittelfeld, wie aus einer Analyse der Industriestaaten-Organisation OECD und der Bertelsmann Stiftung hervorgeht. Deutschland belegt dabei den zwölften Platz für ausgebildete Fachkräfte, die mindestens einen Masterabschluss haben. Australien, Schweden, die Schweiz, Neuseeland, Kanada und Irland sind hingegen besonders interessant.

Derweil blieb die deutsche Arbeitslosenquote im Mai bei 4,9 Prozent. Klammert man jahreszeitliche Schwankungen aus, stieg die Arbeitslosenzahl von April auf Mai laut BA um 60.000. Fachleute hingegen hatten einen Rückgang um 8.000 erwartet. Rund zwei Drittel des Anstiegs geht der Behörde zufolge auf eine Korrektur von Daten zurück, etwa ein Drittel auf die schwächere Konjunktur. "Die fetten Jahre liegen hinter uns", sagte Analyst Bastian Hepperle vom Bankhaus Lampe. "Insgesamt ist die Lage am Arbeitsmarkt aber nach wie vor sehr günstig und stützt noch die Binnenkonjunktur." VP Bank-Experte Gitzel warnte, in den kommenden Monaten zögen Gewitterwolken am deutschen Arbeitsmarkt auf. Die Schwäche der Industrie könnte kurzfristig viele Zeitarbeiter treffen. "Die langfristige Beschäftigungsnachfrage steht aber unter Hochdruckeinfluss."

Forschungsinstitute und Bundesregierung hatten jüngst ihre Schätzungen für das Wirtschaftswachstum in diesem Jahr gesenkt. Die Regierung erwartet nur noch plus 0,5 Prozent, nach 1,4 Prozent 2018. In dieser Prognose sei eingepreist, "dass sich am Arbeitsmarkt etwas tut", sagte BA-Chef Scheele. Im laufenden zweiten Quartal dürfte die Wirtschaft um etwa ein viertel Prozent zulegen, nach plus 0,4 Prozent Anfang 2019, erklärten die Berliner DIW-Forscher. "Nach dem kräftigen Jahresauftakt ist das Tempo aber nach wie vor ordentlich", sagte DIW-Konjunkturchef Claus Michelsen. "Vor allem der Konsum und die Investitionen im Land stützen derzeit die Konjunktur."

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen dpa, rtr
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