Studie erschreckt Immer mehr deutschen Städten droht die Pleite
Arm oder reich - bei den Finanzen klafft die Schere zwischen Deutschlands Städten offenbar immer weiter auseinander. Während die wirtschaftsstarken Kommunen 2012 ihre Schulden drücken konnten, sind finanzklamme Städte noch stärker in die roten Zahlen gerutscht. Zu dem Ergebnis kommt eine Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young (EY). Den höchsten Schuldenberg pro Einwohner hat Oberhausen angehäuft, im Osten hingegen geht es voran. Dresden ist sogar schuldenfrei.
Düsseldorfs Schuldenberg stieg am meisten
Insgesamt wuchs der Schuldenberg der Großstädte demnach von 2010 bis 2012 um sieben Prozent auf 47,9 Milliarden Euro. 19 Städte haben mehr als eine Milliarde Euro Schulden - das sind vier Städte mehr als Ende 2010. Der Schwerpunkt liegt in Nordrhein-Westfalen. Den Spitzenreiter bildet Essen mit einer Verschuldung von 3,2 Milliarden Euro.
Stuttgart ist hingegen die Stadt, die ihren Schuldenstand in dem Zeitraum am stärksten verringern konnte - um 43 Prozent auf 35,5 Millionen Euro. Die Verschuldung pro Einwohner lag hier Ende 2012 bei 59 Euro. Düsseldorf verzeichnete mit einem Plus von 109 Prozent auf 228,3 Millionen Euro den stärksten Anstieg der Schulden. Oberhausen hatte zum Jahresende mit 8369 Euro die höchste Pro-Kopf-Verschuldung.
Die Untersuchung zeigt: Trotz robuster Konjunktur mit steigenden Steuereinnahmen droht immer mehr Städten einer Studie zufolge die Zahlungsunfähigkeit. "De facto sind viele deutsche Städte längst bankrott", sagte Hans-Peter Busson von der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young, die die Finanzlage von 72 Kommunen mit mehr als 100.000 Einwohnern untersucht hat.
Deutsche Großstädte mit höchster Pro-Kopf-Verschuldung | |||
Rang | Stadt | Bundesland | Pro-Kopf-Verschuldung 2012 in Euro |
1 | Oberhausen | Nordrhein-Westfalen | 8369 |
2 | Offenbach (Main) | Hessen | 8218 |
3 | Ludwigshafen | Rheinland-Pfalz | 6555 |
4 | Hagen | Nordrhein-Westfalen | 6505 |
5 | Saarbrücken | Saarland | 6252 |
Quelle: Ernst & Young
Schuldenbremse verstärkt Finanznot
"Und wir sind nach wie vor weit von einer nachhaltigen und strukturellen Lösung des kommunalen Schuldenproblems entfernt." Die im Grundgesetz festgeschriebene Schuldenbremse zwinge viele Bundesländer dazu, ihre Zahlungen an die Kommunen zu kürzen. Das drohe deren Finanznot zu verschärfen.
Die Zahl der Städte mit sehr hoher Pro-Kopf-Verschuldung von mehr als 4000 Euro nahm demnach zwischen 2010 und 2012 von 14 auf 21 zu. An der Spitze liegen Oberhausen, Offenbach, Ludwigshafen, Hagen und Saarbrücken. Gleichzeitig stieg aber auch die Zahl der Großstädte mit einer geringen Pro-Kopf-Verschuldung von unter 1000 Euro von 15 auf 19.
Dresden und Wolfsburg schuldenfrei
Stuttgart, Heilbronn und Jena wiesen die niedrigsten Quoten auf, während Dresden und Wolfsburg sogar schuldenfrei sind. In Ostdeutschland sei die Situation deutlich besser als im Westen: Von den neun Großstädten dort konnten sieben ihre Verschuldung von 2010 bis 2012 senken oder bei Null halten. Im Westen hingegen wuchsen die Verbindlichkeiten bei 42 von 63 Großstädten, besonders in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Hessen.
Städte in strukturschwachen Regionen könnten vom Aufschwung kaum profitieren, sagte EY-Experte Busson. "Die sprudelnden Steuereinnahmen kommen vielmehr vor allem bei denen an, die ohnehin über eine solide Finanzlage verfügen." Die Kluft zwischen reichen und armen Großstädten wachse daher noch.
Deutsche Großstädte mit geringster Pro-Kopf-Verschuldung | |||
Rang | Stadt | Bundesland | Pro-Kopf-Verschuldung 2012 in Euro |
1 | Dresden | Sachsen | 0 |
1 | Wolfsburg | Niedersachsen | 0 |
3 | Stuttgart | Baden-Württemberg | 59 |
4 | Heilbronn | Baden-Württemberg | 267 |
5 | Jena | Thüringen | 382 |
Quelle: Ernst & Young
Kommunen in Teufelskreis
"Die wohlhabenden Städte können mit attraktiven Angeboten um Unternehmensansiedlungen und Zuzügler werben - und dafür auch Investitionen tätigen", sagte Busson. Gleichzeitig wachse die Zahl finanzschwacher Städte, die ihre Leistungen immer weiter reduzieren müssen und im Standortwettbewerb an Boden verlieren.
Als mögliche Geldquelle schlägt Ernst & Young vor, die kommunalen Beteiligungen besser zu nutzen. "Die kommunalen Unternehmen könnten vielfach deutlich mehr Geld an die Rathäuser überweisen, wenn sie besser aufgestellt wären", sagte Busson.
Nach wie vor stünden bei vielen kommunalen Unternehmen wie etwa Stadtwerken und Verkehrsbetrieben die politischen Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten für die Städte im Vordergrund. Auf wirtschaftliche Effizienz und damit größtmöglichen Ertrag für die Kommunen komme es da vielfach weniger an. Auch der Verkauf von Unternehmensbeteiligungen, Grundstücken oder Immobilien zur Sanierung der städtischen Finanzen dürfe kein Tabu sein.