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Foodsharing: Luxusleben für 40 Euro im Monat


Verbraucher
Luxusleben für 40 Euro im Monat

Von dapd
Aktualisiert am 23.02.2013Lesedauer: 4 Min.
Philipp Hauschild mit der Ausbeute aus Abfallcontainern verschiedener SupermärkteVergrößern des Bildes
Philipp Hauschild mit der Ausbeute aus Abfallcontainern verschiedener Supermärkte (Quelle: dapd)
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Philipp Hauschild lebt von 40 Euro - im Monat. Und das macht dem 23-jährigen Hamburger überhaupt nichts aus, er hat es sich so ausgesucht. Denn das billige Leben fällt bei genauerem Hinsehen ganz schön luxuriös aus: Hauschild kann reisen, trägt Markenklamotten, hat eine Rolex und ernährt sich von bester Bioware. Möglich macht das die Wegwerfgesellschaft, aber auch das Internet hilft dabei, Dinge zu teilen und weiterzugeben, anstatt sie wegzuwerfen, wenn man sie nicht mehr braucht.

"Es gibt fast nichts, was man heutzutage nicht im Müll findet", sagt der gelernte Industriekaufmann Hauschild und steuert in seinem Zimmer auf einen Berg Kleidung zu. Dort hebt er im Sekundentakt Klamotten in die Höhe und wirft sie demonstrativ aufs Bett - darunter eine Jacke von The North Face, ein Hemd von Aigner und ein Trenchcoat von H&M. "Das habe ich alles aus Abfallcontainern von Unternehmen gefischt", sagt der schlaksige Mann mit einem Mix aus Abscheu und Stolz in der Stimme.

Tausch Dich reich!

Vor Kurzem habe er auch eine Spiegelreflexkamera im Müll gefunden, erzählt er. Diese habe er aber an einen Freund verschenkt, der sie besser gebrauchen konnte als er. Im Gegenzug habe er von Bekannten schon mal eine Gitarre oder eben die Rolex geschenkt bekommen: "Die wurde vom Juwelier nur aussortiert, weil der Verschluss etwas hakt", sagt Hauschild, der kürzlich durch Skandinavien gereist ist. Als Anhalter und dank gastfreundlicher Einheimischer hat ihn auch das nichts gekostet.

Vieles ermöglicht dem Hamburger auch das Internet. Derzeit sprießen Plattformen wie Pilze aus dem Boden, die Menschen zum Teilen und nachhaltigen Konsum anregen: Da werden die eigenen Autos mit den Nachbarn geteilt, wildfremde Menschen zum Abendessen eingeladen, CDs gegen Bücher getauscht, Gärten der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt und private Zimmer als kostenlose Alternative zum Hotel angeboten.

Essen verschenken übers Internet

Erst vor gut einem Monat startete die Initiative "foodsharing.de". Über das Webportal können Menschen ihr Essen, das sie selbst nicht mehr brauchen, an andere verschenken. Damit wollen die Initiatoren der Wegwerfmentalität vieler Bürger entgegenwirken.

"Kürzlich kam mir ein Bauer mit einem Anhänger voll Brot vom Vortag entgegen, das er an Schweine verfüttern wollte. So etwas darf nicht sein", sagt Sprecherin Ulrike Beck. Und das Konzept geht auf: Inzwischen haben schon über 350 Körbe mit mehr als einer Tonne Essen den Besitzer gewechselt. "Der Ansturm zum Start war so groß, dass unser Server zusammengebrochen ist", berichtet Beck.

Umdenken setzt langsam ein

Dennoch: Nach Angaben des Bundesverbraucherschutzministeriums wirft jeder Deutsche im Schnitt 81,6 Kilogramm Lebensmittel pro Jahr weg, obwohl 65 Prozent davon vermeidbar wären. Dabei steigen die Preise für Essen in Deutschland momentan so stark an, wie lange nicht mehr: So lagen die Preise im Dezember nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 4,8 Prozent über denen des Vorjahres. Das ist der stärkste Anstieg seit September 2008.

Beim Großteil der Bevölkerung findet aber erst langsam ein Umdenken statt: "Die neuen Initiativen sind erste zarte Pflänzchen, aber sie gedeihen gut", sagt die Soziologie-Professorin der Universität Frankfurt, Birgit Blättel-Mink. Seit zwei Jahren forscht sie zu den sogenannten sozialen Innovationen. Die Projekte würden meist von kreativen jungen Leuten initiiert, die neue Geschäftsfelder suchten. "Als Kinder wurden sie stärker für ihre Umwelt sensibilisiert, weil ihre Eltern Katastrophen wie Tschernobyl miterlebt haben", sagt sie.

Freiwilliger Verzicht auf 4350 Euro im Monat

Bei Philipp Hauschild kam der Sinneswandel vor einem Jahr: Damals arbeitete er als Kaufmännischer Leiter bei einem Hamburger Finanzdienstleister. Nettogehalt: 4350 Euro. Nach Feierabend kam er oft beim Occupy-Camp vorbei. Einmal blieb er stehen, kam ins Gespräch: "Mir ist bewusst geworden, dass ich von meinem Gehalt zehn Personen ernähren könnte und die Ressourcen in unserer Gesellschaft sehr ungerecht verteilt sind." Innerhalb weniger Monate stellte Hauschild sein Leben radikal um, kündigte Job und Wohnung, verzichtete auf Arbeitslosengeld.

Momentan wohnt er in einem Gästehaus auf dem Gutshof. Eine Ärztin, die ebenfalls bei Occupy aktiv ist, hat es ihm und zwei weiteren Aktivisten kostenlos zur Verfügung gestellt. Diesen Vorteil gibt Hauschild weiter: "Wir haben jede Woche Menschen aus aller Welt zu Gast, die hier übernachten", berichtet er. Organisiert wird auch das per Internet. Das Essen für sich und seine Gäste fischt Hauschild ebenfalls aus dem Müll. Dafür wühlt sich der hochgewachsene Mann jede Nacht durch Abfallcontainer, am liebsten durch die von Bioläden.

Ausgaben für Zigaretten und Kaffee

"Ich bin gegen die unnütze Massenproduktion von Lebensmitteln", begründet er seine Streifzüge. Hauschild rettet nachts so viel Essen vor dem Müllschlucker, dass er vieles per Foodsharing wieder abgeben kann. Am Ende bleibt die Frage, wofür der Hamburger überhaupt die 40 Euro im Monat ausgibt. Manchmal für Bio-Kaffee, gesteht er. "Aber das meiste geht für Zigaretten drauf - die findet man nicht im Müll."

Bei der Krankenversicherung setzt Hauschild ebenfalls auf ein alternatives Konzept. Er will einer Gemeinschaft beitreten, die im Krankheitsfall die Kosten für eine Arztbehandlung übernimmt. Jeder Teilnehmer zahlt so viel ein, wie er kann.

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