Interview Die Inflation kommt – Anleger müssen handeln
Kaum merklich steigen die Preise – Öl, Gold , Silber und auch Lebensmittel werden teurer. Ein wichtiger Grund für die Teuerung ist die Inflationspolitik der Notenbanken: Staaten und Währungshüter wollen die Teuerung, um sich auf diese Weise indirekt zu entschulden. Anleger sollten also handeln und weiter sukzessive in Sachwerte investieren, rät Stefan Keitel, Investment-Chef der Schweizer Großbank Credit Suisse im Gespräch mit t-online.de.
Die Druckerpresse rotiert
Zunächst ein kurzer Hintergrund von t-online.de: Nicht nur die amerikanische Zentralbank schafft neues Papiergeld aus dem Nichts. Auch die Währungshüter der Europäischen Zentralbank (EZB) befeuern die Konjunktur mit historisch tiefen Zinsen und bekämpfen die Staats- und Bankenkrise mit enormer Liquidität. Die EZB dürfte die eingekauften Staatsanleihen von taumelnden europäischen Ländern über Geld aus der Druckerpresse bezahlen. Bei gleich bleibender Wirtschaftskraft und steigenden Preisen sinkt so automatisch die Verschuldungsquote eines Landes. Durch anhaltende Niedrigzinsen will die Notenbank zudem billiges Geld in die Realwirtschaft pumpen, damit die Konjunktur läuft.
Weginflationierung der Schulden
Die aktuelle Linie der Notenbank sei klar, urteilt Keitel, der als Global Chief Investment Officer der Credit Suise rund 100 Milliarden Euro verantwortet: "Staaten und Notenbanken wollen - neben der Wachstumsstimulation - auch die Schulden langfristig weginflationieren".
Dies funktioniere, indem die Zentralbanker Inflation generell zulassen und sogar befeuern. Gleichzeitig halten die Notenbanken durch den Ankauf von Staatsanleihen deren Renditen dauerhaft vergleichsweise niedrig. Dadurch müssen die jeweiligen Staaten nicht zu viel Geld für ihre Schulden bezahlen.
Kampf gegen die Deflation
"Die Notenbanken bekämpfen die Deflation mit allen Mitteln, was auch aktuell notwendig ist. Die EZB ist durch das Ausmaß der Krise und den Einfluss der südeuropäischen Staaten gezwungenermaßen von ihrem Primärziel Geldwertstabilität abgerückt".
Wahrscheinlich sei die von den Notenbanken gefahrene Linie sogar aktuell die einzig mögliche Alternative: "Eine deflationäre Rezession hätte einen Einbruch des Konsums bei steigender Arbeitslosigkeit zur Folge, was Entlassungen in der Industrie und somit eine nachhaltige Abwärtsspirale zur Folge hätte", konstatierte der CS-Stratege.
Geldschwemme gegen die Krise
Da sich die Krise über die vergangenen drei Jahre kontinuierlich zugespitzt hat, gelte es jetzt, sie mit Hilfe der Geldschwemme zu bewältigen, weshalb der historische Fokus auf die Inflationsbekämpfung mindestens temporär in den Hintergrund trete. Dazu werden nicht nur die niedrigen Zinsen eingesetzt – sondern auch die nahezu unbegrenzten Billigkredite für Banken, erläuterte Keitel weiter. Die EZB würde im Ernstfall auch als "Lender of Last Resort" - also als letztmöglicher Kreditgeber - auftreten, falls die Lage in den größeren Ländern wie Italien eskalieren würde, was allerdings deutlich unwahrscheinlicher geworden sei.
Dabei könne auch die EZB wohl noch mehr unternehmen: Bislang habe sie bereits mehr als 200 Milliarden Euro an kritischen Staatsanleihen eingekauft. Wenn Griechenland pleitegehe – ein trotz aller Hilfspakete nicht unwahrscheinliches Szenario – und die Brandmauer am Ende doch nicht so stabil sein sollte, wie geplant, werde sie weiter zukaufen, vor allem bei spanischen und italienischen Bonds. Keitel kann sich ferner noch einen weiteren Zinsschritt bis auf 0,5 Prozent vorstellen.
Anleger müssen steigende Preise kontern
Die langfristig unvermeidliche Folge sei die Teuerung. Noch sei viel Kapital aus Angst vor einer weiteren Verschärfung der Krise in Liquidität und hochrangigen Staatsanleihen geparkt. Außerdem spreche die eingeschränkte Kreditvergabe sowie die geringe Kapazitätsauslastung in der Industrie gegen eine Inflation. Doch früher oder später werde bei einer Normalisierung der Gesamtlage viel Geld die Volkswirtschaft erreichen.
"Ich gehe auf Sicht von mehreren Jahren von einer Inflationsrate von bis zu fünf Prozent aus", urteilte Keitel. Das heißt: Jeder der auf Bargeld oder traditionelle Anleihen setzt, wird schleichend enteignet, weil die Kaufkraft jedes Jahr um ein paar Prozent sinkt.
Sachwerte sind Trumpf
In diesem Umfeld sollten Anleger einen starken Fokus auf Sachwerte legen, riet Keitel – denn Güter sind anders als Buchgeld der Notenbanken nicht beliebig vermehrbar und wenn es mehr Papiergeld gibt, dann steigen die Preise von Realwerten. Zu Sachwerten gehören Immobilien, Investments in die Infrastruktur sowie Firmenbeteiligungen im Private-Equity-Sektor.
Aber auch Aktien seien angesagt – hier setzt der Manager der Credit Suisse schwerpunktmäßig auf die Emerging Markets, aber auch auf Deutschland. Ferner riet Keitel als Beimischung zu Unternehmensanleihen, Hochzinsanleihen sowie Anleihen aus den Schwellenländern, letztere am besten in lokaler Währung. Gold sei zwar kein sicherer Hafen, aber eine gute Ergänzung für das Depot. Am Ende zähle in jedem Fall eine breite Streuung.