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Endspiel im milliardenschweren Müllkampf


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Endspiel im milliardenschweren Müllkampf

t-online, dpa, dpa, t-online.de

Aktualisiert am 09.02.2012Lesedauer: 3 Min.
Hat der Streit um wertvollen Müll bald ein Ende?Vergrößern des Bildes
Hat der Streit um wertvollen Müll bald ein Ende? (Quelle: dpa-bilder)

Um die Wertstoffe im Müll tobt seit Jahren ein erbitterter Streit zwischen Kommunen und privaten Entsorgungsbetrieben, der sogar die EU-Kommission beschäftigt. Jetzt geht der Streit in die finale Phase - ein Gesetzesentwurf könnte an zwei, drei Wörtern scheitern.

Hier steht die Berliner Mauer noch. Die meterhohen, grauen Betonwände trennen in der Sortieranlage im Osten Berlins keine Menschen mehr, sondern Müll, etwa Plastikabfälle wie Bobbycars und Eimer von Saft-Verpackungen. Die Lagerung der fein säuberlich nach Stoffen getrennten Abfälle ist die letzte Station in einem ausgeklügelten Sortierprozess, einem Prozess, der immer mehr Chinesen auf der Jagd nach Rohstoffen nach Berlin-Mahlsdorf lockt. Sie halten das deutsche Modell mit einer Recyclingquote von rund 64 Prozent für zukunftsweisend.

Kommunen wollen mitverdienen

Die Anlage mit einem der höchsten Sortier- oder Abfalldurchsätze Europas dient dem Unternehmen Alba (Jahresumsatz: rund 2,7 Milliarden Euro) als Beleg dafür, dass die privaten Anbieter Garant dafür sind, dass Deutschland schon jetzt jährlich sogenannte Sekundärrohstoffe im Wert von rund neun Milliarden Euro aus Abfällen schöpft. Getrennt durch die grauen Mauern liegen hier am Ende riesige bunte Ballen, die in der Wintersonne glänzen. Firmen machen daraus neue Verpackungen und brauchen dadurch zum Beispiel weniger Erdöl für Plastikstoffe.

Die Kommunen aber wollen nicht länger primär die Entsorgung des Restmülls stemmen und lukrativere Geschäfte den Privaten überlassen, die etwa über die Wiederverwertung von Verpackungen mit der Gelben Tonne viel Geld verdienen. Der Wettstreit, wer wie künftig Zugriff auf den wertvolleren Müll bekommt, steht im Fokus eines seit Monaten erbittert geführten Streits. Der Bundesrat stoppte im November das neue Kreislaufwirtschaftsgesetz, weil es private Anbieter bei gewerblichen Sammlungen nicht genug in die Schranken weise. Die EU-Kommission könnte aber ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten, wenn kommunale Monopole zulasten der Privaten geschaffen werden.

Scheitert eine Einigung an ein paar Wörtern?

Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) wehrt sich gegen den Vorwurf, die Kommunen würden die Gebühren für die Bürger durch ein Ausbremsen des Wettbewerbs in die Höhe treiben und wollten statt mehr Recycling nur ihre 70 Verbrennungsanlagen füllen. Die Kommunen hätten die Getrenntsammlung einst etabliert, sagt VKU-Hauptgeschäftsführer Hans-Joachim Reck. Gleichwohl sei klar, dass es immer Müll gebe, der nicht recycelbar sei. "Durch die massiven Investitionen der Kommunen in Rauchgasreinigung, Kraft-Wärme-Kopplung und Metallrückgewinnung gewährleisten die Verbrennungsanlagen die sichere, umweltfreundliche und effiziente energetische Verwertung dieser Abfälle", betont Reck.

Obwohl es sich um einen 132-seitigen Gesetzentwurf handelt, könnte eine Einigung an zwei oder drei Wörtern scheitern. Es geht um die Frage, wann ein privater Entsorger den Zuschlag etwa für Papiersammlungen bekommt: Wenn er über ein besseres Sammelsystem verfügt oder nur wenn sein System sogar "messbar und gewichtig" besser ist. Letzteres wäre für die FDP hochproblematisch, weil dies einen halbwegs fairen Wettbewerb verhindern würde. Der Streit ist auch deshalb so erbittert, weil die Lösung eine Vorentscheidung bringen könnte, wie der Zugriff auf die ab 2015 geplante bundesweite Wertstofftonne geregelt werden könnte.

Wildschwein auf dem Müll

Private Entsorger wie Alba betonen, dass sie das Recycling in Deutschland forciert hätten. Wenn man Frank Dolling fragt, was das bisher Seltsamste war, was über die zwei Kilometer langen Bänder in Mahlsdorf lief, muss der Schichtleiter nicht lange überlegen. "Ein Wildschwein", sagt er. Über sechs Bildschirme überwacht Dolling die Sortierung. Milch-, Chips- und Safttüten, Raviolidosen und Bierbüchsen rasen über die Bänder. "120.000 bis 130.000 Tonnen werden hier pro Jahr sortiert", sagt Alexander Gora, Leiter des Alba-Werks.

Zunächst kommt der angelieferte Müll aus den gelben Tonnen auf ein großes Band. 16 Infrarotgeräte (Stückpreis 200.000 Euro) scannen den Abfall. Magneten ziehen Metalle heraus. Und wie in einem Kamin werden durch einen Luftzug Folien abgesogen. Das größte Ärgernis sind Dinge wie Tonbänder. Wenn sie sich aufwickeln, stockt der Sortierbetrieb.

Wer darf die Wertstofftonne leeren?

Alba entsorgt alle gelben Tonnen im Raum Berlin und von 400.000 Haushalten eine "Gelbe Tonne Plus". Sie ist quasi ein Vorläufer der nun bundesweit geplanten Wertstofftonne, über die auch bisher im Restmüll landende Stoffe wie Legosteine oder Bratpfannen mitgesammelt werden können - womöglich auch Handys, Rasierer und Mixer. Bis zu sieben Kilo pro Einwohner und Jahr an Wertstoffen sollen so zusätzlich wiederverwertet werden. "Dem Magneten ist es egal, ob er eine Getränkedose oder eine Bratpfanne rauszieht", sagt Werksleiter Gora.

Als die Berliner Stadtreinigung (BSR) feststellte, wie lukrativ das Geschäft angesichts knapper werdender Rohstoffe ist, stellte sie eine eigene orange Wertstofftonne auf. Hierhin können auch Holz, Elektrokleingeräte und Datenträger gesammelt werden. Nach einem Gerichtsentscheid sind die Alba-Tonnen nun nur noch geduldet, das Hauptsacheverfahren macht aber erst Sinn, wenn das neue Kreislaufwirtschaftsgesetz in Kraft ist. Der "Berliner Tonnenkrieg" illustriert, dass es vor allem um viel Geld geht. Rund 56 Milliarden Euro Umsatz macht die Kreislaufwirtschaft bereits in Deutschland.

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