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Hedge Fonds Europa: Die Krise geht weiter


Konjunktur
Hedge Fonds Europa: Die Krise geht weiter

t-online, t-online.de - Frank Lansky

Aktualisiert am 27.10.2011Lesedauer: 4 Min.
Die Krise in der Eurozone geht weiter, meinen ExpertenVergrößern des Bildes
Die Krise in der Eurozone geht weiter, meinen Experten (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)

Nach dem neuerlichen Krisengipfel in Brüssel herrscht überall Optimismus - die Börse steigt, der Euro zieht an. Doch mit dem Schuldenschnitt für Griechenland und der Etablierung eines noch größeren Rettungsfonds hat sich die Eurozone nur Zeit gekauft. Experten zeigten sich im Gespräch mit t-online.de sicher: Die nächste Krisenrunde kommt bestimmt. Denn Europa agiert letztlich wie ein Hedge Fonds und hat seine Risiken nun erheblich erhöht. Die Ursache der Misere wurde aber nicht beseitigt.

Die Krise ist noch nicht vorbei

"Dieser Gipfel hat kein Problem gelöst und nur Zeit gewonnen. Die Krise geht natürlich weiter", urteilte Bankenexperte Hans-Peter Burghof im Gespräch mit t-online.de. "Europa hat eine Hängematte für die Schuldenländer aufgespannt, die sich auch prompt hineinwerfen werden – und nach wie vor gibt es keine Sanktionsmöglichkeit, um sie zu bestrafen". Die deutsche Politik habe nicht verstanden, dass sich die PIGS-Länder nur an Vereinbarungen halten, wenn sie ihnen passen. "Doch es gibt in Europa keinen Richter, der Staaten verklagen und sein Urteil dann auch durchsetzen kann."

Nur der Kapitalmarkt könne wirksam prassende Staaten bestrafen, erläuterte der Professor für Bankwirtschaft – indem verärgerte Investoren eben keine Anleihen aus Rom, Athen oder Paris kaufen. Damit sinken die Anleihenkurse und die Renditen steigen – somit müssen diese Staaten mehr Zinsen zahlen, um sich zu verschulden. "Die Politik muss endlich mit dem Markt und nicht gegen ihn arbeiten."

"PIGS gehören nicht in die Eurozone"

"Die Randstaaten Spanien, Griechenland und Portugal gehören einfach nicht in die Eurozone", kommentierte auch der als Crash-Prophet bekanntgewordene Max Otte auf Anfrage. Dadurch, dass sie blieben, bekämen sie automatisch wieder Probleme – denn sie könnten ihre Währung nicht abwerten, urteilte der in Graz lehrende Professor. "Hellas steht in spätestens drei bis vier Jahren wieder auf der Tagesordnung." Wenn die Reformen der Eurozone beherzter angepasst würden, bestehe gar nicht die Gefahr eines Schuldenschnittes.

Immerhin gebe es Lichtblicke in der neuen Gipfel-Vereinbarung, erläuterte Otte: Dies sei die Zwangsrekapitalisierung der Banken und der Zwang eventuell Boni zu senken. Kapitalismus brauche Eigenkapital. Auch lobte er den Schuldenschnitt für Griechenland, der zwar spät aber immerhin überhaupt komme.

Drohender Zerfall der Eurozone

"Ich halte gar nichts vom Ergebnis dieses Krisengipfels“, urteilte auch Patrick Franke, Volkswirt bei der Helaba, im Gespräch mit t-online.de. Die Frage sei, wie lange das Ergebnis diesmal vorhalte. "Es ist illusorisch zu glauben, ein Land wie Griechenland könne aus Brüssel regiert und kontrolliert werden."

Das weitere Schicksal der Eurozone sieht Franke daher skeptisch: Wahrscheinlich werde es noch einige Jahre so weiter gehen, dass der starke Kern die weniger soliden Randstaaten alimentiert. Doch falls diese nicht von selbst einen Kurs größerer Haushaltsdisziplin steuerten, drohe irgendwann der Frust zu groß zu werden – und ein Zerfall der Eurozone sei eine Option.

Europa wird zum riskanten Hedge Fonds

Und es gibt weitere Kritik: "Der EFSF ist zu einem der größten Hedge Fonds der Welt mutiert", wahrscheinlich sei nur der chinesische Staatsfonds größer, warnte Otte. "Die Regierungen Europas setzen eine Zweckgesellschaft ein, das haben sie sich von den Investmentbanken abgeschaut – jetzt können sie noch mehr tricksen", urteilte der Wissenschaftler.

Kritisch äußerte sich auch Burghof zur Hebelung des Rettungsfonds - auch er sieht Europa als Hedge Fonds. Mit dem Hebel hätten sich die Risiken drastisch erhöht. Bei einem Crash müsse sich die Bundesrepublik auf eine drastische Neuverschuldung, schlechtere Ratings und damit auf höhere Kosten für die Aufnahme von Krediten einstellen. "Damit kämen Milliarden an Mehrkosten auf die Steuerzahler zu", sagte Burghof. Die Folge seien Steuererhöhungen und Kürzungen von staatlichen Leistungen und Investitionen in die Infrastruktur.

Die gerne von Hedge Fonds eingesetzte Hebelung sei außerdem genau das, was schon einige Geschäftsbanken ins Desaster geführt habe, äußerte Helaba-Experte Franke. Hebelung bedeutet, dass ein Investor wenig Eigenkapital als Sicherheit einbringt, einen Kredit aufnimmt – und dann investiert. Genauso soll der Rettungsschirm EFSF funktionieren. Hedge Fonds sind weitgehend unregulierte Investmentgesellschaften, die Werteanlagen kaufen, aber auch verkaufen können, ohne sie zu besitzen. Diese Fonds spekulieren meist auf Kredit und können bei Schieflagen große Marktturbulenzen auslösen.

Falls die EFSF Staatsanleihen der Schuldenstaaten kaufe, um diese zu stützen, Athen, Paris oder Rom aber die Tilgung der Schulden verweigere, stünden hohe Risiken für Deutschland an. "Wir zahlen immer rund ein Drittel", urteilte Franke.

Drohende Inflation

Skeptisch zeigte sich der Helaba-Analyst auch wegen der Masse an neuem Geld, die mit dem Kauf von Anleihen in den Markt gepumpt wird. Kurzfristig drohe keine Inflation, weil zurzeit viele Regierungen sparen – damit kommt weniger Geld ins System. Allerdings seien die Inflationsrisiken deutlich gestiegen, weil der Rettungsfonds und auch die Europäische Zentralbank (EZB) weiter Anleihen kaufen. Die EZB habe letztlich ihre Aufgabe der Preisstabilität aufgegeben, sie konzentriere sich darauf, Volkswirtschaften zu retten. Wer sein Geld langfristig vor dem Wertverfall schützen wolle, solle daher an den Kauf von Immobilien denken.

Blankoscheck für die Banken

Immerhin müssten die Deutschen zurzeit keine Angst vor einem Umkippen der Banken haben, obwohl die Kreditinstitute auf die Hälfte ihrer an Hellas gewährten Kredite verzichten, erläuterte Helaba-Experte Franke weiter. Letztlich habe der EU-Gipfel den Banken einen Blankoscheck ausgestellt – falls sich diese nicht am Markt refinanzieren können, dann werde eben der Steuerzahler über den Rettungsschirm einspringen. Die Bankaktien gehörten nach dem Krisengipfel zu den großen Gewinnern an der Börse.

In Deutschland sei wohl keine Bank in Gefahr, kommentierte auch Burghof. Er zeigte sich aber verärgert über den Schuldenschnitt - der sei für einen wirklichen Neustart viel zu niedrig ausgefallen und spiegele auch nicht die tatsächliche Zahlungsfähigkeit Griechenlands wider, vermutet Burghof. Die Politik habe sich von den Banken reinlegen lassen, damit subventioniere der Steuerzahler die Kreditinstitute, die nun einmal ein Geschäftsrisiko eingegangen seien und verloren hätten.

Die Banken verzichten nun offiziell "freiwillig" auf die Hälfte ihrer in Hellas investierten Gelder, erläuterte Helaba-Experte Franke weiter. Damit griffen die gekauften Kreditausfall-Versicherungen (CDS) nicht. Anleger, die bislang Griechenland vertraut hätten, seien nun doppelt bestraft: Einerseits müssten sie Verluste bei den Staatsanleihen verkraften. Andererseits erhielten sie kein Geld aus den Credit Default Swaps. "Daher werden sich künftig viele Anleger zweimal überlegen, ob sie künftig Anleihen der Schuldenstaaten kaufen" – und dies werde dazu führen, dass die PIGS eben auch in Zukunft Probleme bei der Finanzierung hätten. Derzeit sehe es so aus, als müsse der deutsche Steuerzahler Griechenland bis ins Jahr 2020 stützen.

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