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Sanktionen gegen Putin: Hat der Westen sich verrechnet?


Meinung
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Sanktionen gegen Putin
Hat der Westen sich verrechnet?

MeinungEine Kolumne von Ursula Weidenfeld

Aktualisiert am 10.05.2022Lesedauer: 3 Min.
May 6, 2022, Moscow, Moscow Oblast, Russia: Russian President Vladimir Putin holds a face-to-face working meeting with TVergrößern des Bildes
Die Sanktionen gegen Putins Regime haben noch nicht die Wirkungen erzielt, die sich der Westen davon versprochen hat. (Quelle: Mikhael Klimentyev/Kremlin Pool/imago-images-bilder)
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Putins Krieg dauert länger, als der Autokrat wohl gehofft hat. Doch auch bei den Wirtschaftsstrafen gegen Russland gibt es für den Westen keinen schnellen Sieg. Der Rubel ist zäher als gedacht.

An starken Vokabeln hat es von allen Seiten nicht gefehlt: Ein Ausschluss Russlands vom internationalen Zahlungssystem Swift sei eine ökonomische "Atombombe" warnte CDU-Chef Friedrich Merz bereits im Januar. "Maßnahmen, wie Putin sie noch nicht erlebt hat", drohte dagegen US-Präsident Joe Biden im Februar an. Und im März klagte dann Kremlchef Wladimir Putin, der Westen führe einen ökonomischen "Blitzkrieg" gegen sein Land.

Neun Wochen nach dem Überfall auf die Ukraine ist die Bilanz von Swift-Ausschluss, Boykott und drohendem Energieembargo durchwachsen. Russland ist zwar geschwächt, aber weit davon entfernt, sich den Sanktionen zu beugen, die Ukraine zu verlassen und Friedensverhandlungen aufzunehmen. Aus dem Blitzkrieg ist auch hier ein Stellungskrieg geworden, der eine andere Strategie erfordert.

Jetzt wird zu Recht gefragt: Hat der Westen sich verrechnet? Ist Russland immun gegen die ökonomische Strafaktion? Und: Schaden die Sanktionen am Ende den Volkswirtschaften der westlichen Welt mehr als der Russlands?

Die Antworten lauten: 1. Ja. 2. Nein. 3. Man weiß es nicht.

1. Der Westen hat sich verrechnet

Die westlichen Staaten hatten beispielsweise die clevere Notenbankchefin Elwira Nabiullina nicht auf dem Zettel, als sie die meisten Banken Russlands vom Zahlungssystem Swift abkoppelten ("Atombombe"). Damit sollte verhindert werden, dass Russland seine enormen Devisenvorräte für Einkaufstouren zur Beschaffung westlicher Technologie nutzen kann. Die russische Währung sollte in die Knie gezwungen, das Land in den Staatsbankrott getrieben werden.

Doch Nabiullina kämpfte. Sie verhängte harte Devisenbeschränkungen und verhinderte, dass reiche Russen ihr Geld in Dollar oder Euro umtauschen und ins Ausland schaffen. Sie verpflichtete die Firmen zu einem Zwangsumtausch ihrer Deviseneinnahmen und sorgte dafür, dass die russische Regierung auch den Abnehmerländern für Kohle, Öl und Gas diesen die Bezahlung in Rubel auferlegte.

Sie erhöhte die Zinsen zuerst auf 20 Prozent, um den Kursverfall der heimischen Währung zu bremsen – um sie nach der Stabilisierung sofort wieder zu senken. Das Resultat: Die Erwartung eines blitzartig eintretenden russischen Staatsbankrotts erfüllte sich nicht, der Rubelkurs liegt oberhalb seines langjährigen Durchschnittsniveaus. Ein Land, das auf so enormen Rohstoffvorräten sitzt wie Russland, ist offenbar weniger verwundbar.

2. Es dauert etwas länger

Doch nein, Russland ist nicht immun gegen die Sanktionen. Es dauert nur etwas länger. Noch haben Russlands Industrieunternehmen zumindest ältere Komponenten und Ersatzteile.

Doch die dürften in wenigen Wochen ausgehen, wenn es Russland nicht gelingt, alternative Quellen zu erschließen. Schon jetzt ist die Autoindustrie praktisch lahmgelegt, den Rüstungsbetrieben fehlen Technikkomponenten, um moderne Waffen bauen zu können. Flugzeuge müssen am Boden bleiben, weil sie nicht mehr gewartet und repariert werden können.

Dazu kommen Zweitrundeneffekte: Auch Länder wie China, Israel oder die Türkei, die sich eigentlich nicht an den Strafaktionen beteiligen, reduzieren ihren Handel mit Russland. Sie fürchten, ansonsten ebenfalls in den Strudel der Sanktionen zu geraten, je länger der Krieg in der Ukraine dauert.

Die Preise steigen wegen des knappen Angebots auf breiter Front, für dieses Jahr wird eine Inflation von nahezu 20 Prozent erwartet, bei einem gleichzeitigen Rückgang der Wirtschaftsleistung um wahrscheinlich rund 15 Prozent. Im vierten Quartal dieses Jahres soll der Tiefpunkt erreicht sein, erwartet die russische Notenbank.

Nur: Dieser enorme Wohlstandsverlust passiert in einer Diktatur, deren Bürger erstens geduldig und zweitens schlecht informiert sind. Eine breite Protestbewegung gegen den russischen Präsidenten und seinen Krieg ist nicht in Sicht. Wer also erwartet hatte, das politische System Russlands werde unter dem Druck der Sanktionen schnell zerbrechen, hat sich getäuscht. Es wird dauern.

3. Sanktionen sind teuer – zu teuer?

Sanktionen schaden wirtschaftlich allen: denjenigen, die sie verhängen und denjenigen, die sie treffen. Sie sind ein teurer Rückschritt, wenn es um eine arbeitsteilige, effiziente und kooperative Weltwirtschaft geht. Die Kunst besteht darin, den Schaden auf der anderen Seite höher ausfallen zu lassen als auf der eigenen.

Das scheint zu gelingen – jedenfalls, solange die angespannte Lage nicht in eine neue Finanz-, Euro und Weltwirtschaftskrise mündet, deren Auswirkungen kaum zu berechnen wären. Und wenn die Erwartungen der G7-Länder richtig sind, dass sie schon bald unabhängig von russischem Öl werden.

Denn: Sanktionen sind weniger wirksam, wenn sie mit langem Vorlauf verhängt werden. Bei Öl und Gas hat sich der Effekt sogar umgekehrt. Die drohende Knappheit hat die Preise deutlich steigen lassen – und im Moment profitiert Putin von den angedrohten Sanktionen, die ihn eigentlich doch hart treffen sollen.

Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Ihr neues Buch heißt: Die Kanzlerin. Porträt einer Epoche.

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