Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Nach SUV-Unfall Wer alles Neue verbannt, verbietet den Fortschritt
Politische Reflexe sind angesichts schlimmer Ereignisse verständlich. Doch ist es nicht vernünftig, ihnen nachzugeben. Denn Verbote bringen eine Gefahr mit sich.
Am Freitag fuhr ein schweres Auto in Berlin-Mitte vier Menschen tot. Der Fahrer hatte die Kontrolle über den Wagen verloren, das Auto erfasste die Fußgänger und verletzte sie tödlich. Am Samstag trauerten viele Berliner an der Unfallstelle.
Am Sonntag forderte Oliver Krischer, Bundestagsabgeordneter der Grünen, eine Obergrenze für SUVs in der Stadt. Politische Reflexe sind angesichts eines solch schweren Unfalls zwar verständlich. Doch es ist nicht vernünftig, ihnen nachzugeben. Ein Unglück darf nicht für politische Ziele instrumentalisiert werden.
SUVs sind keine Waffen
Die Tragödie vom vergangenen Freitag wäre keine andere, wenn ein elektrisch angetriebener Lieferwagen den Unfall verursacht hätte. Das Leid der Angehörigen wäre nicht leichter zu ertragen, wenn ein Twingo es ausgelöst hätte.
Es stimmt: SUVs, schwere und meist stark motorisierte Geländewagen, sind überall in der Stadt. Sie sind ein Statement der Fahrer, aber sie sind keine Kriegserklärung. Sie dienen ihren wohlhabenden Eigentümern oft als Schutzraum vor den Anwürfen einer urbanen Gesellschaft – doch sie sind keine Waffen. Sie brauchen viel Platz – und sind dennoch nicht die alleinigen Verursacher drangvoller Enge in den wachsenden Großstädten. Sie sind in der Regel nicht besonders umweltfreundlich. Doch sie zum Hauptverursacher der Klimakatastrophe zu erklären, ist falsch.
Sind Verbote der richtige Weg?
Schwere, schnelle Autos sind genauso wie elektrische Roller oder wie Plastiktüten zu Statthaltern im Streit einer klimaschützenden Gesellschaft mit denen geworden, die lieber das Hier und Jetzt genießen. Der Unfall vom Wochenende wird mit Moral aufgeladen. Jetzt geht es nicht um die Opfer des Unfalls, um Verkehrssicherheit, nicht einmal mehr um enge Großstädte. Es geht um Ideologie.
Sind Verbote der richtige Weg, um zu einem gemeinsamen Verständnis eines angemessenen Lebensstils zu kommen? Wahrscheinlich nicht, jedenfalls nicht bei den zur Zeit in Deutschland diskutierten Vorhaben. Beim Verbrauch von Plastiktüten ist das ganz offensichtlich. Seitdem alle wissen, dass die Tüten in den Meeren schwere Schäden anrichten, seitdem sie nicht mehr kostenlos abgegeben werden, ist ihr Verbrauch in Deutschland schnell gesunken. Nur noch 20 Tüten im Jahr kauft jeder Bürger durchschnittlich. Statt auf diesen Kulturwandel zu vertrauen, hat Bundesumweltministerin Svenja Schulze in der vergangenen Woche die Verbotsflagge gehisst.
Das Ende des Fortschritts
Ähnlich ist es mit den elektrischen Rollern. Nach dem ersten Sommer regieren Verdruss und Verbotsforderungen. Ja, die Roller sind unvernünftig. Und, ja, sie werden meist nicht statt eines Autos genutzt, sondern sie ersetzen den Nutzern den öffentlichen Nahverkehr. Sie nerven, wenn sie nach Gebrauch überall herumliegen und den Weg versperren. Aber verbieten? Nur, weil sie einer bestimmten Generation Spaß machen?
Wer alles Neue verbannen will, weil es noch keine Routinen zum verantwortungsvollen Umgang gibt, verbietet am Ende den Fortschritt. Für ein Land, das von Technologie und Erfindungen lebt, ist das eine denkbar schlechte Grundeinstellung. Abwarten und notfalls behutsam regulieren, wäre in den meisten Fällen die bessere Option.
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Kluge Politiker verschärfen die Meinungsverschiedenheiten nicht, sondern suchen den Ausgleich. Sie gehen große politische Herausforderungen wie Mobilität, Klima, oder Schutz der Meere tatsächlich an, anstatt sie auf Reizvokabeln wie SUV, E-Roller, oder Plastiktüte zu verengen. In zehn Tagen will das Klimakabinett der Bundesregierung den großen Wurf in Sachen Klimaschutz vorstellen. Wie groß die Versuchung ist, sich wegzuducken und populistische Symbolpolitik zu betreiben, haben die vergangene Woche und vor allem das Unglück des Wochenendes gezeigt.