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Sharing Economy: Die schöne Geschichte vom Teilen ein Marketing-Märchen


Meinung
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Sharing Economy
Die schöne Geschichte vom Teilen – ein Marketing-Märchen

MeinungEine Kolumne von Ursula Weidenfeld

Aktualisiert am 17.07.2018Lesedauer: 4 Min.
Leihräder von Lidl in Berlin: Der Auslastungsgrad einer Wohnung, eines Werkzeugs oder eben eines Fahrrads steigt, wenn geteilt. Das ist effizient und – super kapitalistisch.Vergrößern des Bildes
Leihräder von Lidl in Berlin: Der Auslastungsgrad einer Wohnung, eines Werkzeugs oder eben eines Fahrrads steigt, wenn geteilt. Das ist effizient und – super kapitalistisch. (Quelle: Jürgen Heinrich/imago-images-bilder)

Autos, Wohnungen, Fahrräder: Alles lässt sich heute teilen. Die Sharing Economy wird uns gerne als nachhaltige Alternative zum Kapitalismus verkauft. Dabei ist sie dessen reinste Form.

Es klingt so schön: Teilen ist das neue Haben. Die jungen Menschen des 21. Jahrhunderts brauchen kein Eigentum mehr. Sie teilen sich Dinge wie Autos, Wohnungen, Musik, Abendkleider und Fahrräder einfach. Durch den Verzicht auf persönlichen Besitz sparen sie Ressourcen und schonen die Umwelt. So geht die Geschichte der Sharing Economy – an der so gut wie nichts wahr ist.

Die neue Sharing Economy (to share ist englisch und heißt teilen) wird nämlich nicht durch gemeinwohlorientierte Organisationen, sondern durch internationale Aktiengesellschaften wie Airbnb, Uber, oder Spotify getrieben. Auch bei den Nutzern dominiert meist kühle Überlegung. Wer teilt, spart Geld. Das Gesparte kann er woanders ausgeben. Der scheinbar paradoxe Effekt: Durch das Weniger-Kaufen wird mehr Konsum möglich. Das ist gut für die Wirtschaft. Doch dient es auch dem Gemeinwohl?

Treiber sind die Unter-40-Jährigen

Vier von zehn Deutschen haben im vergangenen Jahr Dienste der Sharing Economy genutzt, hat die Unternehmensberatung pwc herausgefunden. Dazu gehören Musik- und Medienstreaming genauso wie Auto-, Fahrrad- und Wohnungsüberlassung, Finanzdienstleistungen und das Teilen von Maschinen. Treiber dieser Entwicklung sind die Unter-40-Jährigen. Sie machen mehr als die Hälfte des Umsatzes von geschätzten 28 Milliarden Euro in diesem Jahr aus.

Sharing Economy sei die nachhaltigste, umweltfreundlichste und innovativste Art, die Umwelt und das Weltklima zu schonen, heißt es bei den Vertretern der neuen Branche selbstbewusst. Die Botschaft ist einfach: Du brauchst kein eigenes Auto mehr, du teilst Dir einfach eines mit vielen anderen. Deshalb werden schon bald weniger Autos auf der Straße stehen. Für dich müssen auch keine Ferienwohnungen mehr gebaut werden, du mietest dich ja bei Wohnungsteilern ein, die gerade woanders sind. Du und ein eigenes Büro? Das muss nicht sein. Du gehst doch nur zur Arbeit, wenn du nicht woanders sein willst. Dann reicht auf jeden Fall ein Schreibtisch auf Zeit.

Was bislang rumstand, wird nun produktiv

Doch die Sharing Economy ist keine Absage an den Kapitalismus, im Gegenteil: Sie ist seine reinste Form. Das Prinzip Zeitarbeit – gearbeitet wird nur dann, wenn die Firma es braucht – wird auf Autos, Wohnungen und Bohrmaschinen ausgeweitet. Zeiten, in denen das Kapital bisher ungenutzt herumstand, werden im Dienst eines Dritten produktiv. Der Auslastungsgrad einer Wohnung oder eines Werkzeugs steigt. Das ist effizient und zahlt sich aus.

Aber ist das auch nachhaltig? Nicht unbedingt. Beim Auto-Teilen weiß man inzwischen, dass die Dienste das eigene Auto nicht immer ersetzen. Sie werden meist zusätzlich genutzt. Nicht einmal die Hoffnung, dass sich in den großen Städten eine neue, nachhaltige Kombination von Auto, öffentlichem Nahverkehr, Fahrrad und Fußgängerei herausbildet, scheint aufzugehen. Denn die Kunden von Carsharing fahren meist Strecken mit dem Auto, die sie bisher zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückgelegt haben. Das aber heißt, dass Carsharing unter dem Strich nicht für weniger Autos in der Stadt sorgt – sondern für weniger Fußgänger.

Das reguläre Wohnungsangebot wird knapper

Auch bei Wohnungen ist noch lange nicht ausgemacht, ob langfristig tatsächlich weniger Wohnungen oder Hotelzimmer benötigt werden: Da das Sharing sich auf wenige Großstädte und Ferienregionen konzentriert und auch nur da gute Renditen bringt, werden Zweitwohnungsbesitzer und Fernpendler ihre Wohnungen an attraktiven Standorten nicht mehr dauerhaft an sesshafte Mieter abgeben. Sie werden sie lieber wochenweise (und teurer) an Feriengäste vermieten. Städte wie New York, Berlin, London und Paris wissen, was dann passiert.

Das reguläre Wohnungsangebot wird knapper, die Mieten für die Bürger der Stadt steigen rasant. Wenn dann nicht schnell neu gebaut werden kann – in vielen Städten ist der Platz knapp, das Bauen ist aufwendig und teuer – ist der Konflikt zwischen Sharing Economy und den Einheimischen programmiert. Kommunalpolitiker beginnen, den Markt zu regulieren. Sie erfinden immer neue Regelungen, die zwar Mehrheiten in den Stadtparlamenten finden, das Problem aber nicht lösen. Die Stimmung in solchen Städten wird schlechter. Soziales Kapital wird unter diesen Umständen jedenfalls nicht gebildet.

Auch gut für Umwelt, Klima und Gemeinsinn?

Außerdem stellt sich die Frage, was die Eigentümer mit der Leihgebühr tun. Wird jemand, der seine Wohnung in den Ferien untervermietet, sich selbst vom Gewinn eine teurere Reise gönnen? Wird er fliegen, anstatt die Bahn zu nutzen? Wird die Uberfahrerin den Taxilohn in den nächsten Laden tragen und ein Kleid kaufen, das sie sich sonst nicht hätte leisten können? Das wäre gut für das Wirtschaftswachstum, aber wäre es auch gut für Umwelt, Klima und Gemeinsinn? Eher nicht.

So bleibt am Ende die Erkenntnis, dass Sharing der Umwelt, dem Weltklima und dem sozialen Frieden wahrscheinlich weniger nutzt, als man bisher gerne angenommen hat. Dafür ist es gut für den Kapitalismus. Und das ist in diesen Zeiten auch keine schlechte Nachricht.

Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Ihr neues Buch heißt: "Regierung ohne Volk. Warum unser politisches System nicht mehr funktioniert."

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