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Varta gerettet: Porsche steigt ein – Aktionäre enteignet


Porsche steigt ein
Varta gerettet – Anleger enteignet

Von dpa, llb

Aktualisiert am 20.08.2024Lesedauer: 4 Min.
Vor der Zentrale des Batterieherstellers steht ein PorscheVergrößern des Bildes
Vor der Varta-Zentrale steht ein Porsche (Archivbild): Porsche will auch die Varta-Tochtergesellschaft V4Drive Battery mehrheitlich übernehmen. (Quelle: Stefan Puchner)

Der Batteriekonzern Varta hat nach monatelanger Krise eine Sanierungslösung gefunden – mit bitteren Konsequenzen für die Aktionäre.

Der Batteriekonzern Varta hat in den vergangenen Monaten eine Reihe von Rückschlägen erlitten. Ein Hackerangriff auf die Produktion, das Fehlen der Jahreszahlen, der Abstieg aus der dritten Börsenliga und verpasste Umsatzziele setzten dem Traditionsunternehmen aus Ellwangen zu. Beobachter konnten miterleben, wie Varta zunehmend in die Krise geriet – und das trotz des Potenzials von Batterien als Zukunftsprodukte.

Der Überlebenskampf scheint vorerst beendet. Am Wochenende verkündete das Unternehmen eine Einigung mit Finanzgläubigern und Investoren. Das Sanierungskonzept hält aber mehrere bittere Pillen bereit. Und es stellen sich Fragen: Wie geht es bei den Schwaben weiter? Und wie konnte es überhaupt so weit kommen?

Schuldenschnitt und Porsche-Einstieg als Rettung

Das Konzept sieht hauptsächlich zwei Schritte vor: Ein Schuldenschnitt und die Verlängerung von Krediten sollen die Verbindlichkeiten von fast einer halben Milliarde Euro auf 200 Millionen Euro verringern. Dann soll das Grundkapital der Varta AG auf null Euro herabgesetzt werden. Der Effekt: Die derzeitigen Aktionäre scheiden ohne Kompensation aus und der Konzern verliert seine Börsennotierung.

Neben einer Gesellschaft des bisherigen Mehrheitseigners Michael Tojner steigt danach auch der Stuttgarter Sportwagenbauer Porsche bei Varta ein. Beide lassen sich das je 30 Millionen Euro kosten. Von den Gläubigern kommen weitere 60 Millionen als Darlehen.

Enteignung der Aktionäre

Die Umsetzung des Sanierungskonzepts soll die Finanzierung der Varta AG bis Ende 2027 sicherstellen. Dies ist Teil des Restrukturierungsplans, der unter Anwendung des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes (StaRUG) durchgeführt werden soll. Der Batteriekonzern hatte das vorinsolvenzliche Sanierungsverfahren im Juli angemeldet.

Damit scheint Varta gerettet und der Fortbestand des Unternehmens vorerst gesichert. Die Aktionäre gehen jedoch völlig leer aus. Die Enteignung der Aktionäre ist zwar auf Basis des StaRUG völlig legal, aber für Kleinanleger ein harter Schlag. Anlegervertreter haben bereits Widerstand angekündigt. Schon lange kritisieren Aktionärsschützer, dass es den Unternehmen zu leicht gemacht werde, die Anteilseigner hinauszudrängen.

Der Kurs der Varta-Aktie ist im gestrigen Handel nach einer kurzen Erholungsrallye auf über fünf Euro erneut um 50 Prozent eingebrochen. Wer nach dem letzten Einbruch in der Hoffnung eingestiegen ist, dass sich bei Varta alles zum Guten wendet, hat die Rechnung ohne das Sanierungskonzept gemacht. Jetzt haben die Aktionäre nur noch die Wahl zwischen 1,97 Euro und 0 Euro.

Unternehmen mit langer Geschichte

Die Ursprünge von Varta reichen bis ins Jahr 1887 zurück. Der Name Varta steht für "Vertrieb, Aufladung, Reparatur transportabler Akkumulatoren". Berühmtheit erlangte das Unternehmen, als Forscher Fridtjof Nansen Varta-Batterien bei einer Polar-Expedition verwendete.

Heute hat Varta wenig mit der ursprünglichen Gesellschaft gemein, die einst als Accumulatoren-Fabrik in Hagen gegründet wurde. Bereits in den 1990er Jahren geriet Varta in finanzielle Schwierigkeiten, was letztlich zur Aufspaltung und zum Verkauf des Unternehmens führte.

Boom durch Batterien für kabellose Kopfhörer

Der Österreicher Michael Tojner stieg 2007 bei Varta ein. Er kaufte die Sparte für Mikrobatterien und brachte sie zehn Jahren später an die Börse. Tojner schien den richtigen Riecher gehabt zu haben: Der Börsengang galt als Erfolg. Getrieben wurde die Entwicklung hauptsächlich von der rasant steigenden Nachfrage nach wiederaufladbaren Lithium-Ionen-Batterien – zum Beispiel für kabellose Kopfhörer und Smartwatches.

2019 übernahm Varta den Geschäftsbereich Haushaltsbatterien zurück. Innerhalb weniger Jahre vervierfachte das Unternehmen seinen Erlös nahezu. Zur Erweiterung der Produktion wurden Millionen investiert und Schulden aufgenommen. In dieser Phase stieg das schwäbische Unternehmen auch in die Entwicklung von Batteriezellen für Elektroautos ein.

Vom Hoffnungsträger zum Sanierungsfall

2022 zeigten sich erste Risse im Bild: Das Unternehmen hatte sich offensichtlich zu stark von einem seiner Hauptkunden – Apple – abhängig gemacht. Der US-Konzern hatte die Batterien aus Ellwangen in seinen kabellosen Ohrhörern verbaut. Als sich Apple einen weiteren Zulieferer suchte, geriet Vartas Geschäft unter Druck. Der damalige Varta-Chef Herbert Schein kassierte daraufhin die Umsatz- und Gewinnziele und trat wenig später zurück.

Nach der weltweiten Wirtschaftsflaute und der hohen Teuerung in der Unterhaltungselektronik ging die Nachfrage nach kleinen Batterien zurück. Varta hatte zudem mit Konkurrenz aus Fernost und Problemen in der Lieferkette zu kämpfen.

E-Auto-Batterie in der Nische

Hinzu kam, dass die E-Auto-Batterie von Varta ein Nischenprodukt blieb. Diese Batterie ist für Hybridfahrzeuge konzipiert und kann nur begrenzt Strom speichern. Sie speichert die während der Fahrt erzeugte Energie, beispielsweise beim Bremsen. Diese Energie treibt einen Elektromotor an, der den Verbrennungsmotor unterstützt.

Die Varta-Führung bekundete zwar immer wieder, dass es viele Interessenten gebe. Einziger bekannter Kunde ist aber Porsche. Die Zuffenhausener wollen aus diesem Grund auch die Varta-Tochtergesellschaft V4Drive Battery mehrheitlich übernehmen. Porsche braucht die Batterien dringend für den Hybrid-Antrieb des Porsche 911 Carrera GTS.

Varta im Krisenmodus

Operative Schwierigkeiten, hohe Schulden, tiefrote Zahlen – Varta schlitterte in der Folge immer weiter in die Krise. Beschäftigte mussten in Kurzarbeit, später wurden Hunderte Stellen gestrichen. Zu allem Überfluss legte im Frühjahr ein Hackerangriff die Produktion an den deutschen Standorten lahm.

Arbeitnehmer- und Aktionärsvertreter machen vor allem Managementfehler für die Misere verantwortlich. Auch Varta-Aufsichtsratschef Tojner zeigte sich kürzlich in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" selbstkritisch. Zu viel Geld sei leichtfertig investiert worden, so Tojner. Bis der Absturz kam – wegen mangelnder Risikoeinschätzung und Überforderung der Organisation. Er hätte viel früher auf nachhaltige Risikoanalysen drängen müssen, räumte Tojner ein.

Wie geht es weiter?

Varta will an allen Standorten in Deutschland festhalten. Laut einem Unternehmenssprecher wird es in der Verwaltung zu einem moderaten Stellenabbau kommen. In der Produktion hingegen werden neue Arbeitskräfte gesucht. Was das letztlich für die Gesamtmitarbeiterzahl bedeutet – derzeit sind etwa 4.000 Menschen bei Varta beschäftigt – ist noch unklar.

Die Einigung muss in den nächsten Wochen schriftlich festgehalten und beim zuständigen Sanierungsgericht eingereicht werden. Dazu bedarf es der Zustimmung der Gremien aller beteiligten Parteien sowie der Freigabe durch das Bundeskartellamt. Es wird erwartet, dass es noch Monate dauert, bis das Konzept endgültig steht. Man hoffe jedoch, dass der Prozess noch im laufenden Jahr abgeschlossen werden kann, hieß es.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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