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Varta-Aktie im Sturzflug: Sollten Anleger jetzt kaufen?


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Experte hat klaren Rat
Varta am Abgrund: Jetzt Aktien kaufen?


23.07.2024Lesedauer: 4 Min.
Varta-Batterien: Um eine Insolvenz abzuwenden, hat Varta ein sogenanntes vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren angemeldet.Vergrößern des Bildes
Varta-Batterien: Um eine Insolvenz abzuwenden, hat Varta ein sogenanntes vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren angemeldet. (Quelle: Wolfgang Maria Weber/imago-images-bilder)

Varta steckt in der Krise, eine Insolvenz droht – die Lage ist ernst. Sollen Anleger in der Krise Varta-Aktien kaufen? Ein Experte hat einen klaren Rat.

Die Varta-Aktionäre haben in den vergangenen Jahren eine Berg- und Talfahrt erlebt. Am Ende hatte niemand mehr Vertrauen in die Qualität des Unternehmens. Der Kurs stürzte ins Bodenlose. Die meisten Anleger haben wohl schon aufgegeben und verkauft. Diejenigen, die auf einen Turnaround spekuliert hatten, sitzen heute vermutlich auf einem Totalverlust.

Die Aktie ist fast in Zeitlupe abgestürzt. Seit dem Höchststand von knapp 160 Euro Anfang August 2021 hat sie bis heute über 95 Prozent an Wert verloren. Nach dem gestrigen Crash von zeitweise über 80 Prozent steht sie bei etwas über drei Euro. Es fehlt nicht mehr viel nach unten, dann notiert die Aktie im Pennystock-Bereich.

Eine Börsenweisheit besagt, dass man kaufen soll, wenn die Kanonen donnern. Mit mehr Getöse und öffentlicher Aufmerksamkeit kann eine Aktie nicht fallen. Ist jetzt der richtige Zeitpunkt, um einzusteigen und eines Tages die ganz großen Gewinne einzufahren?

Im Interview mit t-online erklärt der Aktienexperte und Analyst Tobias Krieg von "longtermvalue.de", wie sich Anleger verhalten sollten.

Varta will Insolvenz abwenden

Was Anleger unbedingt wissen sollten: Der strauchelnde Batteriekonzern aus Ellwangen hat am vergangenen Samstag beim Amtsgericht Stuttgart ein sogenanntes vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren angemeldet.

Das bedeutet, dass sich das Unternehmen kurzfristig einem Restrukturierungsvorhaben nach dem Unternehmensstabilisierungs- und restukturierungsgesetz (StaRUG) unterziehen will. Damit soll eine mögliche Insolvenz abgewendet werden.

Das bedeutet aber auch, dass die Gläubiger auf einen Großteil ihrer Ansprüche verzichten, erklärt Experte Tobias Krieg. Wenn 75 Prozent der Gläubiger einer Lösung – etwa einem Schuldenschnitt – zustimmen, können die anderen das nicht mehr blockieren. Die Aktionäre von Varta würden dabei aber wohl komplett leer ausgehen, Varta könnte Aktien ohne Kompensation einziehen.

Hat sich das StaRUG-Konzept bewährt?

Der Nürnberger Kabel- und Bordnetz-Spezialist Leoni hat sich im vergangenen Jahr über ein solches Verfahren ebenso saniert wie der Damenmode-Hersteller Gerry Weber aus Halle in Westfalen. Beide wurden von der Börse genommen, die Aktionäre mussten einen Totalverlust hinnehmen. Doch die Unternehmen kamen um eine Insolvenz herum. Aktionärsschützer kritisieren, dass es den Unternehmen zu leicht gemacht werde, die Anteilseigner hinauszudrängen.

Varta leidet unter Konkurrenzdruck

Wie konnte es dazu kommen? Ursprünglich war das Unternehmenskonzept von Varta ein Erfolgsmodell. Das Unternehmen wurde bereits 1887 gegründet. Der Name "VARTA" steht für "Vertrieb Aufladung Reparatur Transportabler Akkumulatoren"

Varta belieferte unzählige Unternehmen und Branchen mit seinen kleinen wiederaufladbaren Mikro- und Haushaltsbatterien sowie Lithium-Ionen-Akkus für Autos, Motorräder, Unterhaltungselektronik und kabellose Kopfhörer. Doch das einst boomende Geschäft musste wegen zurückhaltender Verbraucher herbe Rückschläge einstecken. Im Juni hatte Varta wegen mangelnder Nachfrage seine Umsatzziele kassiert.

Weltweiter Wettbewerbs- und Kostendruck haben Varta zugesetzt. Vor allem asiatische Hersteller produzieren günstigere Energiespeicher. Gegen einige Firmen aus China führt Varta Patentverletzungsklagen – Ausgang offen. Auch das Geschäft mit Wallboxen zum Speichern von Strom, unter anderem für das Aufladen von Elektroautos, kommt nicht recht in Schwung.

Krisen sind auch Chancen

Die Corona-Krise hat es bewiesen: Wer Aktien gekauft hat, als niemand welche haben wollte, hat alles richtig gemacht. Die Kurse haben sich in einer sogenannten V-Formation erholt und Anlegern hohe Renditen beschert.

Gilt das auch für Varta? Nie war die Gelegenheit besser als jetzt. Grundsätzlich sei es eine gute Idee, antizyklisch zu investieren und Krisen als Chance zu begreifen, erklärt Aktienexperte und Analyst Tobias Krieg von "longtermvalue.de". "Voraussetzung ist allerdings, dass es Aussicht auf Besserung gibt. Das scheint hier nicht der Fall zu sein."

Aus Sicht von Aktienexperte Krieg war die Krise bereits vor langer Zeit absehbar. Varta habe sich verspekuliert, zu viel investiert und sich zu hoch verschuldet. Laut Medienberichten geht es bei den Verbindlichkeiten des Unternehmens bei großen Kreditgebern wie Banken und Hedgefonds um eine Summe von knapp einer halben Milliarde Euro.

Leider habe das Unternehmen seit längerer Zeit auch keine Geschäftszahlen vorgelegt, daher ist die Geschichte inzwischen zu einer Blackbox geworden. Der Jahres- und Konzernabschluss von 2023 wurde bis heute nicht veröffentlicht.

"Bei der letzten Meldung zum dritten Quartal 2023 hatte Varta 970 Millionen Euro an Schulden, was mehr als dem letzten Jahresumsatz entspricht", erklärt Krieg weiter. "Obendrein war man nicht profitabel. Daher steht jetzt die Überlebensfähigkeit von Varta zur Disposition."

Hoffnungsschimmer Porsche

Erst zu Beginn des Monats war bekannt geworden, dass die Volkswagen-Tochter Porsche mit Varta über eine Übernahme des E-Auto-Batteriegeschäfts verhandelt. Die beiden Unternehmen arbeiten bei Hochleistungsbatteriezellen eng zusammen. Die Zellen von Varta sollen in der 911er-Baureihe zum Einsatz kommen.

Die Zuffenhausener bestätigten Verhandlungen: Das Ziel des Engagements wäre, diese Schlüsseltechnologie am Standort Deutschland zu erhalten, hieß es aus Unternehmenskreisen. Voraussetzung dafür sei eine gesunde finanzielle Basis von Varta. Man könne sich unter Umständen auch vorstellen, sich an einer finanziellen Neuaufstellung der Varta AG zu beteiligen.

Die Sache ist simpel

Für Aktienexperte Krieg ist klar: Es käme auf den Kaufpreis an, den Porsche bereit wäre zu bezahlen. "Kurzfristig könnte man damit sicherlich Löcher stopfen, aber es löst die grundlegenden Probleme von Varta nicht." Der weltweite Markt für Mikrobatterien und Lithium-Ionen-Rundzellen sei von Überkapazitäten geprägt und die Billig-Konkurrenz aus Fernost drücke auf die Preise. Auch zukünftig dürfte sich daran nichts ändern.

Das größte Problem von Varta seien Probleme mit der Profitabilität und die Fähigkeit, seine Schulden zu bedienen, so Krieg. "Die Sache ist doch simpel: Die Gläubiger würden nicht auf einen Großteil ihrer Ansprüche verzichten, wenn sie noch Hoffnung hätten."

Fazit

Das Urteil fällt eindeutig aus: Experte Krieg rät Anlegern davon ab, Aktien von Varta zu kaufen. Das Risiko sei unkalkulierbar und die Gefahr eines Totalverlusts ernst zu nehmen. Nun scheint Varta endgültig der Saft auszugehen. Die Batterien sind fast leer.

Verwendete Quellen
  • Schriftliches Interview mit Tobias Krieg von longtermvalue.de
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und Reuters
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