Weitere Zinssenkungen mit Risiko EZB-Chefin Lagarde: "Legen uns nicht fest"
Die Europäische Zentralbank senkt den Leitzins leicht, doch die Reaktion der Märkte bleibt verhalten. Experten warnen vor voreiligen Schlüssen über künftige geldpolitische Schritte.
Die Zinssenkung der Europäischen Zentralbank am Donnerstag um einen Viertelprozentpunkt auf 4,25 Prozent wurde von Marktteilnehmern zur Kenntnis genommen, ohne Kurssprünge auszulösen. Der Dax gab lediglich einen Teil seiner Gewinne ab, als Anleger erkannten, dass die erwartungsgemäße Entscheidung durch die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitindex nicht mehr antreiben kann.
Anleger vermissten Hinweise, dass es zeitnah weitere Lockerungen geben könnte. Zum weiteren Kurs hielt sich EZB-Präsidentin Christine Lagarde am Donnerstag nach dem Zinsbeschluss aber bedeckt. "Wir legen uns nicht auf einen bestimmten Zinspfad fest", sagte sie auf der Pressekonferenz in Frankfurt. Der weitere Weg werde bestimmt durch die Daten.
EZB-Strategie nicht erkennbar
Ökonom Carsten Brzeski von der ING Bank stellte fest, dass es von Lagarde keine klaren Prognosen gab. "Wenn die Wirtschaft der Eurozone die EZB-Prognosen erfüllt, wird es weitere Zinssenkungen geben, aber das Risiko einer Verzögerung oder sogar nochmaligen Umkehr ist real", ergänzte er. Insofern sei die heutige Senkung nicht unbedingt der Beginn eines Lockerungszyklus.
Präsident des IFW-Instituts in Kiel, Moritz Schularick, sieht hingegen in der Senkung des Leitzinses die Zinswende in Europa. Damit würden auch die Weichen für die konjunkturelle Erholung der deutschen Wirtschaft gestellt, sagte er.
Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank, erklärte: "Mit dieser Zinssenkung setzt die EZB die Alarmstufe bei der Inflation um einen Schritt herunter." Angesichts der deutlichen Beruhigung des Inflationsgeschehens sei das gerechtfertigt.
Aus Sicht von Friedrich Heinemann vom Wirtschaftsforschungsinstitut ZEW in Mannheim ist der Schritt zwar geldpolitisch gut begründbar gewesen. "Negativ überrascht hat zuletzt allerdings die Hartnäckigkeit der Inflation", warnte er. "Der EZB-Rat sollte sich jetzt mit vorschnellen Ankündigungen weiterer rascher Zinssenkungen zurückhalten."
Preisdruck und Inflation sind hartnäckig
Trotz der Fortschritte in den letzten Quartalen bleibe der inländische Preisdruck aufgrund des hohen Lohnwachstums stark, erklärte die EZB. "Es wird erwartet, dass die Inflation für den Rest des Jahres um die gegenwärtigen Niveaus herum schwanken wird", sagte Lagarde. Aus Sicht der EZB wird sie wahrscheinlich bis weit ins nächste Jahr hinein über dem Zielwert liegen.
Die EZB strebt 2,0 Prozent Teuerung für die Währungsgemeinschaft an. Lagarde erwartet allerdings auch, dass sich die Konjunktur im Euroraum weiter erholen wird. Dazu dürften höhere Löhne beitragen. Auch der Exportsektor werde bei anziehender globaler Nachfrage in den kommenden Quartalen zu einer positiven Konjunkturentwicklung beisteuern.
Dax macht keine Freudensprünge
Der Leitindex Dax verteidigte am Ende ein Plus von 0,41 Prozent auf 18.652,67 Punkte, nachdem er im Tageshoch vor dem Zinsentscheid schon mehr als ein Prozent gewonnen hatte. Gut 100 Punkte vor dem Rekordhoch von 18.892 Punkten war dem Leitindex der Schwung ausgegangen. Auch der MDax kam etwas zurück, indem er 0,23 Prozent höher bei 27.027,80 Zählern aus dem Handel ging.
- Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und Reuters