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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Positive Bundesanleihe Steigende Kapitalmarktzinsen – was heißt das für Sparer?
Erstmals seit 2019 erhalten Anleger wieder eine positive Rendite, wenn sie dem Staat Geld leihen. Die Kapitalmarktzinsen der zehnjährigen Bundesanleihen steigen. Ist die Zinswende jetzt eingeläutet?
Die steigende Inflation macht sich immer stärker an den Kapitalmärkten bemerkbar. Am Mittwoch war der Zins für zehnjährige Bundesanleihen erstmals seit knapp drei Jahren wieder leicht positiv. Die Rendite stieg am Vormittag bis auf 0,008 Prozent.
Es ist das erste Mal seit Mai 2019, dass zehnjährige Bundesanleihen wieder positiv rentieren. Die Wertpapiere gelten an den Märkten als richtungsweisend. Doch was sind Bundesanleihen eigentlich? Und was bedeutet der aktuelle Zinsanstieg für mich als Sparer? t-online erklärt es Ihnen.
Was sind Bundesanleihen?
Eine Bundesanleihe ist ein festverzinsliches Wertpapier, das der Staat herausgibt, um sich zu finanzieren. Konkret funktioniert eine Anleihe also wie ein Kredit an einen Staat, für den Anleger einen Zins erhalten.
Kauft ein Anleger einen solchen Kredit, leiht er folglich dem Staat Geld. In der Fachsprache nennt man das Kaufen einer Anleihe auch "zeichnen". Auch Firmen können Anleihen auf den Markt bringen.
Die in dem Papier festgelegten Zinsen werden jährlich ausgeschüttet. Die Laufzeit von Staatsanleihen beträgt oft zehn Jahre. Es gibt jedoch auch kürzere und längere Laufzeiten. Mehr zu Staatsanleihen lesen Sie hier.
Warum ist die Rendite wieder positiv?
Seit Frühjahr 2019 rentierten die zehnjährigen Bundesanleihen bei unter null Prozent – also negativ. Das heißt: Investoren, die diese Anleihe zeichnen, leihen dem Staat Geld und zahlen dafür sogar.
Der Grund: Der Staat steht bei Anlegern hoch im Kurs, da seine Bonität von allen großen Ratingagenturen mit der Bestnote AAA bewertet wird. Das signalisiert Käufern von Bundesanleihen ein sicheres Investment mit sehr geringer Ausfallwahrscheinlichkeit.
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Aber warum ist die Rendite nun gestiegen? Ausgangspunkt dafür sind die USA. Dort wird von der Notenbank Federal Reserve angesichts der hohen Inflation von derzeit sieben Prozent ein deutliches Gegensteuern erwartet. An den Märkten wird für dieses Jahr mit bis zu vier Zinsanhebungen der Fed gerechnet.
Auch der Staatsanleihenkauf durch die Notenbank, der in der Corona-Krise deutlich ausgeweitet wurde und die Rendite drückte, soll wieder zurückgefahren werden. Die Fed hat bereits Ende vergangenes Jahr den Einstieg ins sogenannte Tapering verkündet, also das Zurückfahren der Anleihenankäufe.
Damit sinkt die Nachfrage auf dem Markt nach Staatsanleihen wieder – die Rendite steigt. In den USA beträgt der Zins für zehnjährige Staatsanleihen aufgrund der strafferen Haltung der Notenbank Fed bereits rund 1,9 Prozent.
- Sorge vor Entwertung: Diese Wertpapiere sind auch bei Inflation sicher
EZB ist mit Zinsanstieg zurückhaltend
Aufgrund der hohen Bedeutung der US-Finanzmärkte pflanzt sich der Zinsauftrieb in viele andere Volkswirtschaften fort. In der Eurozone wird von der Europäischen Zentralbank (EZB) in diesem Jahr allerdings noch keine Zinserhöhung erwartet.
Daher rechnen Experten auch nicht mit einem starken Anstieg der Kapitalmarktzinsen in Deutschland. Solange die Währungshüter an ihrer Grundhaltung festhalten, dürften die Renditen der Bundesanleihen ihren US-Pendants nur mit gebremstem Tempo folgen, erwartet Anleiheexperte Elmar Völker von der Landesbank Baden-Württemberg.
Welche Folgen hat das für Deutschlands Schulden?
Für den deutschen Staat sind steigende Kapitalmarktzinsen schlechte Nachrichten. Denn der Bund finanziert einen Teil seiner Ausgaben über neue Schulden. In diesem Jahr will sich der Staat etwa 403 Milliarden Euro von Investoren leihen, davon etwa 56 Milliarden über konventionelle Anleihen mit zehnjähriger Laufzeit.
Steigende Zinsen bedeuten für den Staat wie auch für private Schuldner jedoch eine höhere Zinsbelastung. Allerdings ist die Staatskasse seit Jahren durch die extrem niedrigen und teils negativen Zinsen erheblich entlastet worden. Der jetzige Anstieg der Kapitalmarktzinsen dürfte also kaum Auswirkungen haben.
"Um die Finanzen von Christian Lindner brauchen wir uns auch bei diesen Renditen keine Sorgen zu machen. Kredite werden langsam wieder etwas teurer oder – besser gesagt – etwas weniger günstig", sagte etwa ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski.
Sollten Renditen weiter steigen, wird das zum Problem für verschuldete Staaten
Das sieht Steuerschätzer und Experte des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Jens Boysen-Hogrefe, ähnlich. "Dass die Nulllinie jetzt überschritten wurde, hat für sich genommen keine große Bedeutung, insbesondere nicht für die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen", sagte er am Mittwoch der Nachrichtenagentur Reuters.
Sollte sich der Trend aber manifestieren und die Renditen weiter zunehmen, dürfte die Defizitfinanzierung zunehmend problematisch werden, befürchtet der Ökonom. "Dies gilt dann nicht nur für den Bund, sondern für die öffentlichen Finanzen im gesamten Euroraum", sagte Boysen-Hogrefe. Viele Euro-Länder wie Italien sind stärker verschuldet als Deutschland.
FDP-Haushaltspolitiker Otto Fricke macht der Renditeanstieg daher Sorgen. "Der zusätzliche Puffer im Haushalt, den es in den letzten Jahren immer gegeben hat, fällt jetzt weg", sagte er. Das werde sich im Jahresverlauf immer stärker auswirken. "Ich erwarte, dass sich die Zinsausgaben 2022 mindestens verdoppeln werden, allerdings von niedrigem Niveau kommend."
Allerdings sind sich Experten noch uneins, ob dieser Trend der anziehenden Zinsen tatsächlich dauerhaft ist – und wenn, wie schnell die Renditen ansteigen (siehe oben).
Was heißt das für Sparer und Anleger?
Nicht viel. Für Sparer ist der Zinsanstieg nicht mehr als ein kleiner Hoffnungsschimmer. Denn abzüglich der hohen Inflation von in Deutschland zuletzt mehr als fünf Prozent bringen die Papiere real, also unter dem Strich, Verluste ein. Das heißt: Trotz der aktuell positiven Rendite sollten Sparer eher keine Bundesanleihen kaufen (siehe unten).
"Für Sparer wird sich wohl nichts verändern", konstatierte auch ING-Chefökonom Brzeski. Hauptgrund dafür: Die EZB will ihren Leitzins in diesem Jahr ungeachtet der hohen Inflation auf dem Rekordtief von null Prozent halten. "Eine Leitzinserhöhung sehe ich erst Anfang 2023", sagte er.
Für Anleger, die auf Aktien setzen, heißt der Anstieg ebenfalls zunächst sehr wenig. Sollte sich der Trend steigender Renditen für Anleihen aber manifestieren und die EZB auch die Zinsen anheben, könnten die Kurse am Aktienmarkt fallen.
Für Kreditnehmer wie Bauherren ergeben sich jedoch eher negative Konsequenzen, da die Kapitalmarktzinsen die Kosten von Baudarlehen beeinflussen. Steigen die Bundesrenditen, erhöhen sich auch meist die Hypothekenzinsen – allerdings ausgehend von derzeit sehr niedrigem Niveau.
Sollte ich jetzt Bundesanleihen kaufen?
Nein, besser nicht. Denn Bundesanleihen bringen immer noch kaum Rendite. Der Zins lag gerade einmal bei 0,008 Prozent – nominal. Zieht man davon noch die aktuell hohe Inflation ab, verlieren Anleger also.
Bundesanleihen galten zwar lange Zeit auch für private Anleger als Sicherheitsanker im Depot, die mögliche Risiken durch Aktien abfedern. Doch durch die negative Rendite zehnjähriger Bundesanleihen wurden sie sehr unattraktiv. Fraglich ist, wie sie sich weiter entwickeln. Mehr zu Anleihen als Anlageobjekt lesen Sie hier.
Statt auf Bundesanleihen sollten Anleger besser auf eine breit gestreute Aktienanlage setzen. Das geht am günstigsten und einfachsten über sogenannte ETFs. Das sind computergesteuerte Fonds, die einen ganzen Aktienindex wie den Dax nachbilden – Sie investieren also in alle Firmen, die in dem Index gelistet sind. Lesen Sie hier mehr zu ETFs.
So streuen Sie das Risiko breit. Daten aus der Vergangenheit zeigen dabei: Wer über Jahrzehnte, etwa fürs Alter, anlegt, bei dem tendiert das Verlustrisiko auch gegen null.
- Eigene Recherche
- Handelsblatt: "Das Ende der Minuszinsen für Bundesanleihen ist absehbar"
- Mit Material der Nachrichtenagenturen Reuters und dpa