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Tesla-Daten untersucht: “Zu Musk gehört der kalkulierte Regelbruch”


Einblicke in Musk-Kosmos
"Das passt bei ihm nicht zusammen"

  • David Schafbuch
InterviewVon David Schafbuch

25.03.2025 - 06:38 UhrLesedauer: 6 Min.
Elon Musk mit einer MAGA-Kappe: "Vernachlässigt Tesla völlig".Vergrößern des Bildes
Elon Musk: Ein Team von Journalisten hat tausende Daten seines E-Autounternehmens Tesla ausgewertet. (Quelle: Kevin Lamarque)
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Vor drei Jahren wandte sich ein Tesla-Mitarbeiter mit einem riesigen Datensatz an eine Gruppe von Journalisten. Was verraten diese Daten über Elon Musk und sein Unternehmen?

Alles begann mit einem unbekannten Anrufer: Ein ehemaliger, damals noch anonymer Mitarbeiter von Tesla in Norwegen hatte sich 2022 an die Redaktion des "Handelsblatt" gewandt, weil es bei dem E-Autobauer offenbar große Probleme gab. Mehr dazu lesen Sie hier.

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Einige Zeit später waren die Journalisten im Besitz eines Datenschatzes, der ganz neue Einblicke in die Firma des Techunternehmers und Trump-Verbündeten Elon Musk bot. Die Dokumente enthüllten nicht nur sensible Daten von tausenden Tesla-Angestellten, sondern auch Mängel in den Arbeitsbedingungen und bei den Fahrzeugen selbst.

Vergangene Woche haben die Journalisten Sönke Iwersen und Michael Verfürden die Ergebnisse ihrer Recherche in einem Buch veröffentlicht. Im Interview mit t-online sprechen Iwersen und Verfürden über die zahlreichen Mängel bei Tesla, die Macht von Elon Musk und seine Verbindung zum US-Präsidenten Donald Trump.

t-online: Sie stellen in Ihrem Buch die Frage, ob Musk ein Irrer, ein Exzentriker oder das größte Genie unserer Zeit ist. Welche dieser der drei Beschreibungen trifft Ihrer Meinung nach gerade am besten auf ihn zu?

Sönke Iwersen: Elon Musk bleibt ein genialer Unternehmer. Wir erkennen seine Leistungen an: Er hat mit Anfang 20 seine ersten Unternehmen gegründet. Später hat er mit SpaceX die Raumfahrt und mit Tesla die gesamte Autobranche revolutioniert. Nichtsdestotrotz spricht er davon, dass die AfD die westliche Zivilisation retten soll oder dass Journalisten ins Gefängnis sollen, wenn sie seine Arbeit für Doge kritisieren. Natürlich klingt das irre, aber das ändert nichts an seinen Leistungen. Deshalb glaube ich, dass alle Beschreibungen gleichermaßen auf ihn zutreffen.

Sie beschreiben in Ihrem Buch riesige Datenlecks, fehlerhafte Teslas, mangelnden Arbeitsschutz in den Fabriken und wiederholte Ankündigungen von Musk, die er dann nicht einhält. Ist Musk am Ende weniger ein Genie, als vielmehr jemand, der nur so tut, als ob?

Michael Verfürden: Musk ist ein wahnsinnig guter Unternehmer, aber er ist noch ein viel besserer Verkäufer. Es bleibt beeindruckend, wenn man eine Rakete in den Weltraum schießen kann. Aber Musk bleibt immer hinter seinen eigenen Ankündigungen zurück. Er wollte schon längst Leute auf dem Mars haben, aber da sind sie noch immer nicht. Sein Autopilot sollte schon vor Jahren Passagiere völlig selbstständig transportieren. Anspruch und Wirklichkeit passen bei Musk nicht zusammen.

Zur Person

Sönke Iwersen leitet das Investigativ-Ressort beim Handelsblatt. Unter anderem hat er 2011 die Ergo-Budapest-Affäre aufgedeckt, wurde als Wirtschaftsjournalist des Jahres ausgezeichnet und ist verantwortlich für den Podcast "Handelsblatt Crime".
Michael Verfürden arbeitet seit 2020 als Investigativ-Redakteur für das Handelsblatt und unterrichtet an der Georg von Holtzbrinck-Schule für Wirtschaftsjournalisten Recherchemethoden im Cyberspace.
Ihr gemeinsames Buch "Die Tesla-Files: Enthüllungen aus dem Reich von Elon Musk" ist beim Verlag C.H. Beck erschienen.

Ihr Buch beginnt damit, dass Ihnen 2022 ein ehemaliger Tesla-Mitarbeiter persönliche Daten zu tausenden ehemaligen Kollegen weltweit schickt, die er ohne Probleme einsehen und kopieren konnte. Konnten Sie herausfinden, ob Tesla seitdem etwas an seinen Sicherheitsbestimmungen verbessert hat?

Iwersen: Wir haben in den Daten Hinweise gefunden, dass Leute schon vor Jahren auf diese Lücken hingewiesen haben. Trotzdem änderte sich nichts. Später wurde der Verantwortliche, der das entsprechende Programm betreut hat, rausgeworfen. Tesla hat inzwischen nachgebessert und angekündigt, die Zugriffsrechte auf Wunsch der Rechtsabteilung besser zu kontrollieren.

Sie fanden in den Daten sensible Informationen, etwa die Adressen, Telefonnummern und Gehälter der Mitarbeiter.

Iwersen: Wir haben im Februar 2023 damit begonnen, rund 200 Mitarbeiter auf Grundlage der Daten anzurufen: Wir haben erklärt, dass wir etwa wissen, seit wann sie bei Tesla arbeiten und wie viel sie genau im vergangenen Jahr dort verdient haben. Die meisten Mitarbeiter haben dann aufgelegt. Manche haben sich dann aber bei Tesla darüber beschwert, dass ein Journalist aus Düsseldorf mehr wusste, als sie vielleicht selbst Freunden verraten würden.

Wie hat Tesla darauf reagiert?

Iwersen: Es gab eine interne Untersuchung, bei der Tesla ehemalige Leute vom FBI und der CIA einsetzte. Die gehörten bei Tesla zum Personal. Eigentlich hätte Tesla aber auch innerhalb kürzester Zeit die Behörden über ein solches Datenleck informieren müssen. Tatsächlich passierte das erst Monate später. Die Mitarbeiter selbst wurden noch später informiert. Tesla hat ihnen eine einjährige Mitgliedschaft bei einem Programm geschenkt, das Nutzern helfen soll, wenn persönliche Daten geleakt wurden.


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Zu Musk gehört der kalkulierte Regelbruch.


Michael Verfürden


In den Daten haben Sie auch etliche Beschwerden über technische Probleme der Teslas gefunden. Bei eingeschaltetem Autopiloten soll es zu unerwarteten Vollbremsungen gekommen sein. In mehreren Fällen sind Menschen in den Autos verbrannt, weil die Rettungsdienste die Autotüren nicht öffnen konnten. Mittlerweile wenden sich auch viele Menschen von Tesla als Marke ab oder rufen zum Boykott auf. Würden Sie einen Tesla fahren?

Iwersen: Ich warte lieber, bis die Autos vollständig entwickelt sind.

Verfürden: Mir geht es da genauso. Ich habe bei unseren Recherchen auch mit vielen Menschen gesprochen, die Tesla ganz toll finden. Einer sagte mir, dass er in seinem Auto einen Notfallhammer hat, den man aus Bussen oder der Bahn kennt, damit er sich im Notfall aus dem Auto befreien kann. Selbst der ADAC empfiehlt Tesla-Fahrern, im Zweifelsfall einen Fenster-Notfallhammer mitzuführen.

Auch die Arbeitsbedingungen bei Tesla klingen katastrophal: Sie berichten etwa von Arbeitsunfällen, Hausbesuchen bei krankgemeldeten Mitarbeitern und Spionagesoftware auf Dienstrechnern. Trotzdem hat man den Eindruck, dass Tesla an all dem nichts ändern möchte.

Verfürden: Zu Musk gehört der kalkulierte Regelbruch: Öffentliche Empörung ist ihm egal. Musk selbst nennt ja die Bedingungen bei Tesla "Ultra-Hardcore". Er sieht sich gerne als jemand, der mit vielen Dingen einfach voranprescht.

Aktuell widmet sich Musk mehr der Politik als seinen Unternehmen. Musk leidet am Asperger-Syndrom, Sie beschreiben ihn als einen hochgradig ehrgeizigen, aber gefühlskalten, egozentrischen Menschen, der sich kaum für andere zu interessieren scheint. Das klingt sehr nach Donald Trump.

Iwersen: Absolut. Wenn jemand Trumps Krawatte oder sein Golfspiel gut findet, wird er von ihm gelobt. Dabei ist es auch völlig egal, wer das gesagt hat oder was er vorher getan hat. Es funktioniert auch umgekehrt: Man kann Trump beschimpfen, wie man will. Wenn man ihm danach den Ring küsst, ist alles vergessen.

Und Musk funktioniert genauso?

Iwersen: Bei Musk ist es ähnlich. Er behauptet etwa, dass nur die AfD Deutschland retten könne. Dabei gibt es neben der Linken keine Partei, die sich so vehement gegen sein Werk in Brandenburg ausgesprochen hat wie die AfD. Das scheint für ihn keine Rolle zu spielen. Und seit seiner Wahlwerbung ist die AfD mit einem Mal auch viel freundlicher zu Musk.

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Verfürden: Auf der einen Seite ist das eine total unwahrscheinliche Allianz zwischen Trump und Musk. Beide dulden eigentlich keine Götter neben sich. Auf der anderen Seite ist diese Verbindung eine fast logische Konsequenz.

Wie meinen Sie das?

Verfürden: Musk und Trump sind beide extrem auf ihren eigenen Vorteil bedacht. Musk hat Trump geholfen, Präsident zu werden. Jetzt hilft Trump Musk, wenn er Probleme mit Tesla hat. Deshalb verstehe ich auch nicht so ganz, warum sich jeder fragt, wie lange diese Allianz noch hält.

Warum?

Verfürden: Trump und Musk wissen sehr genau, was sie aneinander haben. Diese Allianz endet nicht morgen. Trump wird sich auch fragen: Was passiert, wenn ich mich von Musk lösen will? Wird er dann gegen mich vor seinen Millionen Followern auf X wettern? Trump weiß, dass es ihm schaden wird, wenn er es sich mit diesem extrem mächtigen Mann verscherzt.

Musk soll für Trump Sparmaßnahmen in der US-Verwaltung umsetzen und hat deswegen schon tausende Beamte entlassen. Was ging in Ihnen vor, als Sie hörten, dass er dafür auch hochsensible, personenbezogene Daten einsehen kann?

Verfürden: Zum Glück hat Musk noch keinen Zugang zu unseren Daten. Wir haben die Sozialversicherungsnummer von Musk in den Tesla-Files gefunden, weil er sie nicht vernünftig gesichert hat. Insofern würde mir als US-Amerikaner gerade mulmig werden. Ich finde eine andere Sache aber fast noch schlimmer.


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Das System der "Checks and Balances", für das die USA so lange bewundert wurden, wird gerade abgebaut.


Sönke Iwersen


Nämlich?

Verfürden: Musk befindet sich jetzt in dieser Machtposition, ohne dass er von irgendjemandem gewählt wurde. Er hat Zugriff auf jede Behörde und kann sie nach Belieben zusammenstreichen. Es mussten schon Leute in den Verkehrsbehörden gehen, die tödliche Tesla-Unfälle untersucht haben. Jeder, der sich jetzt fragt, ob er gegen Musks Unternehmen ermitteln sollte, wird sich das in den USA sehr genau überlegen.

Viele Menschen sorgen sich, welche Entwicklung die USA mit Trump und Musk noch nehmen werden. Es ist die Rede von einem Abbau der Demokratie, der Errichtung einer Oligarchie bis hin zu einem faschistischen System. Wohin entwickeln sich die USA?

Iwersen: Das System der "Checks and Balances", für das die USA so lange bewundert wurden, wird gerade abgebaut. Das sehen wir jeden Tag. Ob die USA bereits eine Oligarchie sind, weiß ich nicht. Laut Definition müsste es dafür mehrere Oligarchen geben. Ich sehe mit Musk nur einen.

Es gibt aber noch andere Unternehmer, die sich wohl eine ähnliche Position wie Musk wünschen würden.

Iwersen: Leute wie Jeff Bezos oder Mark Zuckerberg mussten sich vor ein paar Jahren noch im Kongress anschreien lassen, weil sie Hass und Hetze nicht aus ihren Portalen herausgefiltert haben. Diese Leute sehen jetzt, dass sich Musk mittlerweile selbst kontrollieren darf. Insofern gibt es einen Anreiz, es Musk gleichzutun.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Sönke Iwersen und Michael Verfürden
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