Trotz schwächelnder Konjunktur Europäische Zentralbank lässt Leitzins unverändert
Trotz schwächelnder Konjunktur haben die Währungshüter der Europäischen Zentralbank den Leitzins erneut nicht angetastet. Die Entscheidung fiel am Nachmittag.
Die Europäische Zentralbank (EZB) lässt sich mit der Zinswende ungeachtet der rückläufigen Inflation noch Zeit. Die Währungshüter um EZB-Präsidentin Christine Lagarde entschieden am Donnerstag auf ihrer Sitzung in Frankfurt, den Leitzins bei 4,50 Prozent zu belassen. Der am Finanzmarkt maßgebliche Einlagensatz, den Geldhäuser für das Horten überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten, bleibt weiter auf dem Rekordniveau von 4,00 Prozent. "Die zukünftigen Beschlüsse des EZB-Rats werden dafür sorgen, dass die Leitzinsen so lange wie erforderlich auf ein ausreichend restriktives Niveau festgelegt werden", erklärten die Euro-Wächter.
Nach einer Serie von zehn Zinsanhebungen, die im Sommer 2022 startete, hält die EZB seit nunmehr vier Sitzungen die Zinsen konstant. Denn die Inflation in der Eurozone ist inzwischen deutlich abgeebbt und lag zuletzt im Februar noch bei 2,6 Prozent, nach 2,8 Prozent im Januar. Das ist nicht mehr weit entfernt von der Zielmarke von 2,00 Prozent, die die EZB mittelfristig als optimales Niveau für die 20-Länder-Gemeinschaft anstrebt.
Die Wirtschaft im Euroraum wird sich laut EZB-Präsidentin Christine Lagarde auf kurze Sicht weiter verhalten entwickeln. Die Konjunktur bleibe schwach, auch weil sich Konsumenten mit ihren Ausgaben zurückhielten, sagte sie am Donnerstag in Frankfurt nach dem Zinsbeschluss. Doch dürfte sich im Laufe des Jahres eine schrittweise Erholung einstellen.
Sorge wegen Inflation
Lagarde hatte erst kürzlich gesagt, die Auswirkungen der vergangenen Schocks, die die Teuerung hochgetrieben hätten, würden verblassen. Die straffen Finanzierungsbedingungen trügen zudem dazu bei, die Teuerung zu drücken. Allerdings verwies die EZB-Chefin auch auf einen anhaltend starken Lohndruck. Noch ausstehende Daten zu den diesjährigen Tarifabschlüssen in den Euroländern gelten für die Währungshüter als wichtiger Faktor für die Entscheidung, wann die EZB ihren restriktiven Kurs aufgeben und erste Zinssenkungen einleiten sollte. Denn es besteht nach wie vor die Sorge, dass ein zu kräftiges Lohnwachstum die Inflation erneut anfachen könnte.
Insider hatten zuletzt gesagt, es sei unwahrscheinlich, dass die EZB bereits vor ihrer Zinssitzung im Juni die Zinsen erstmals wieder senken werde. Am Finanzmarkt haben die Spekulationen auf rasche Zinssenkungen mittlerweile etwas nachgelassen, nachdem sie um die Jahreswende herum noch stark zugenommen hatten. Zuletzt wurde dort die Wahrscheinlichkeit einer Senkung der Zinsen bereits im April nur noch mit 18 Prozent eingestuft, im Januar war sie zeitweise noch auf 75 Prozent taxiert worden. Investoren richten inzwischen verstärkt den Blick auf die Jahresmitte. Am Geldmarkt gilt es derzeit als sehr wahrscheinlich, dass die Zinssenkung im Juni kommt. Für die Sitzung im Juli ist eine Senkung sogar fast vollständig in den Kursen enthalten.
EZB korrigiert Prognose
Die Fachleute der EZB haben ihre Wachstumsprojektion für 2024 nach unten korrigiert, und zwar auf 0,6 Prozent. Im Dezember hatten sie noch 0,8 Prozent veranschlagt. Für 2025 erwarten sie ein Wachstum um 1,5 Prozent und 2026 um 1,6 Prozent. Diese Entwicklung wird den Experten zufolge zunächst von den Konsumausgaben und später auch von der Investitionstätigkeit unterstützt.
Zuletzt hatte die Wirtschaft in der 20-Länder-Gemeinschaft ihre Talfahrt etwas gebremst. So stieg der Einkaufsmanagerindex im Februar um 1,3 auf 49,2 Punkte und damit auf den höchsten Stand seit acht Monaten. Das Barometer blieb damit nur knapp unter der Schwelle von 50 Punkten, ab der es Wachstum anzeigt. Vor dem Jahreswechsel war die Wirtschaft nur haarscharf an einer Rezession vorbeigeschrammt. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stagnierte von Oktober bis Dezember im Vergleich zum Vorquartal. Im Sommerquartal war die Wirtschaft noch leicht um 0,1 Prozent geschrumpft.
- Nachrichtenagentur Reuters