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Habeck vs. Lindner: Steuerzahlerbund will Steuersystem grundlegend ändern


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77-Punkte-Katalog
Dieser Plan könnte das Steuersystem revolutionieren


Aktualisiert am 06.02.2024Lesedauer: 4 Min.
FDP-Chef Christian Lindner (Archivbild): Seine Partei käme laut Umfragen nicht in den nächsten Bundestag.Vergrößern des Bildes
Herr der Steuern: Bundesfinanzminister Christian Lindner. (Quelle: Ann-Marie Utz/dpa/dpa)

Der Bund der Steuerzahler fordert grundlegende Änderungen im Steuerrecht, um es zu vereinfachen und zu modernisieren. Ein 77-Punkte-Katalog mit Ideen zur Steuervereinfachung liegt t-online exklusiv vor.

Angesichts der aktuellen Diskussion um Steuererleichterungen für Unternehmen, die die Wirtschaft ankurbeln sollen, fordert der Bund der Steuerzahler (BdSt) nicht nur die gänzliche Abschaffung des Solis, sondern zugleich eine umfassende Anpassung des gesamten Steuerrechts.

"Wir begrüßen den Vorstoß des Bundesfinanzministers, den Solidaritätszuschlag zumindest für Unternehmen abzuschaffen. Dies geht aber nicht weit genug: Der Soli sollte komplett und für alle fallen!", sagte Steuerzahlerbund-Präsident Rainer Holznagel t-online mit Verweis auf jene Bürger, die ihn weiter zahlen, etwa über die Abgeltungssteuer auf Kapitalgewinne. "Mehr noch: Die Bundesregierung sollte jetzt die Gunst der Stunde nutzen und grundlegende Änderungen anstoßen, um das Steuersystem zu vereinfachen und im Sinne aller Steuerzahler zu modernisieren."

So soll das Steuerrecht vereinfacht werden

Seine Lobbyorganisation hat dafür einen 77-Punkte-Katalog mit Ideen zur Vereinfachung des Steuerrechts erarbeitet, der t-online exklusiv vorliegt. Die zwei wichtigsten Kernforderungen darin:

Der Steuertarif und die darin veranschlagten Einkommensgrenzen und Freibeträge sollten grundsätzlich "auf Räder" gestellt werden, also regelmäßig angepasst werden, zum Beispiel an die gestiegenen Löhne oder Lebenshaltungskosten. Die Steuergesetze sollten zudem kürzer und leichter verständlich zu lesen sein – damit Bürger und Firmen nicht wie heute schon am Fachchinesisch der Behörden scheitern.

Auf insgesamt 60 Seiten hat der Steuerzahlerbund dafür Ideen gesammelt, die auf diese und weitere Ziele abzielen. Viele befassen sich mit über Jahrzehnte unangetasteten Pauschalen, deren Erhöhung den Steuerzahler bares Geld sparen ließe (und den Fiskus dasselbe kostete). Andere wiederum zielen auf eine Vereinfachung des Steuerrechts ab. t-online fasst zehn zentrale Punkte zusammen:

  • Kontoführungsgebühren: Ohne Einzelnachweis erkennt die Finanzverwaltung bei der Einkommenssteuer derzeit pauschal 16 Euro als Werbungskosten pro Jahr an – obwohl viele Banken inzwischen bis zu 10 Euro dafür verlangen, pro Monat wohlgemerkt. "Die Pauschale sollte deshalb bei 50 Euro im Jahr liegen", so der Steuerzahlerbund.
  • Kundengeschenke: Aktuell dürfen Firmen lediglich 35 Euro pro Jahr für Kundengeschenke steuerlich absetzen. "Ein zu niedriger Betrag, der obendrein lange nicht erhöht wurde und aufwändige Dokumentation erfordert", findet Steuerexpertin Daniela Karbe-Geßler vom Steuerzahlerbund. "Dieser Betrag stammt aus dem Jahr 2004 und hat mit dem aktuellen Preisniveau nichts mehr zu tun", sagt sie. "Wir plädieren für 60 Euro – je Geschenk. Das wäre deutlich einfacher!"
  • Einfachere Sprache: "Die Gesetzestexte entsprechen in weiten Teilen nicht mehr dem üblichen Sprachgebrauch", beklagt der Steuerzahlerbund. Das betreffe auch die Kommunikation der Finanzämter mit den Steuerzahlern. Viele Menschen seien verunsichert, weil sie einzelne Begriffe nicht richtig verstünden. Konkrete Verbesserungsvorschläge der Experten: Statt "Anhörung" sollte das Finanzamt "Stellungnahme" schreiben, statt "Fälligkeit" lieber "Zahlungszeitpunkt" und die "Statthaftigkeit des Einspruchs" wäre leichter verständlich als "Möglichkeit des Einspruchs".
  • Pendlerpauschale: Ein unter Umweltgesichtspunkten politisch besonders umstrittener Punkt. Hier fordert der Steuerzahlerbund eine Anhebung auf pauschal 45 Cent je Entfernungskilometer, statt aktuell 38 Cent ab dem 21. Kilometer. Grund: die gestiegenen Spritpreise.
  • Bonpflicht wieder abschaffen: Seit 2020 müssen Händler mit Registrierkasse für jeden Verkaufsvorgang einen Kassenbon ausstellen – Ziel des Gesetzesgebers: Kampf dem Betrug. Die Kritik des Steuerzahlerbunds: Moderne Kassen zeichnen sowieso jeden Vorgang automatisch auf, die Bonpflicht ist sinnlos, verursacht aber unnötige Kosten und viel Abfall.
  • Höherer Unternehmerlohn: Unverändert seit mehr als 20 Jahren (2002) gewährt der Fiskus Firmeneigentümern und Personengesellschaften einen fiktiven Unternehmerlohn von 24.500 Euro pro Jahr, auf die keine Gewerbesteuer anfällt. Die Idee dahinter: Der Gesetzgeber will damit Selbstständige mit großen Kapitalgesellschaften gleichstellen, die ihren Gewinn um die Gehälter für Geschäftsführer mindern können. Karbe-Geßler vom Steuerzahlerbund: "Dieser Betrag ist deutlich zu niedrig, weil viele Firmen ihren Geschäftsführern weit höhere Gehälter zahlen. Dieser Betrag sollte auf mindestens 30.000 Euro erhöht werden."
  • Arbeitnehmerpauschbetrag: Sollte nach Willen des BdSt von aktuell 1.230 Euro auf 1.500 Euro steigen. Grund auch hier: höhere Preise und gestiegene Ausgaben, die viele Arbeitnehmer weiter zwingen, Belege zu sammeln, um mit dem Pauschalbetrag bei den Werbungskosten nicht schlechter dazustehen.
  • Sonn- und Feiertagszuschläge: Wer arbeitet, wenn alle anderen regulär freihaben, muss auf die entsprechenden Zuschläge bis zu einer Grenze von 50 Euro pro Stunde keine Steuern zahlen. Gut so, findet Expertin Karbe-Geßler, aber: "Abgabenfrei bleiben nur Stundenzuschläge bis zu 25 Euro. Diese unterschiedlichen Grenzen ergeben wenig Sinn. Zuschläge sollten bis 50 Euro pro Stunde ebenfalls sozialabgabenbefreit sein."
  • Freibetrag bei der Grunderwerbssteuer: Viele junge Familien können sich ob der zuletzt hohen Inflation kaum mehr leisten, Geld für den immer teureren Immobilienkauf zur Seite zu legen. "Daher sollte beim Ersterwerb von selbstgenutztem Wohneigentum ein Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer in Höhe von 250.000 Euro pro Erwachsenem und 150.000 Euro pro Kind eingeführt werden."
  • Unnütze Steuern streichen: Steuern, die für den Staat nur viel bürokratischen Aufwand, aber wenig finanziellen Ertrag bringen, sollten nach Ansicht des Steuerzahlerbundes gänzlich gestrichen werden. Beispiele: Die Kaffeesteuer auf Bundesebene, die Feuerschutzsteuer und die Spielbankabgabe auf Landesebene. Auch auf kommunaler Ebene gebe es solche "Bagatellsteuern", etwa die Vergnügungssteuer, die Betten- oder die Hundesteuer.

Während in der FDP sich viele diesen Ideen anschließen dürften, könnten die Koalitionspartner der Liberalen, SPD und Grüne, Schwierigkeiten mit einigen der genannten Punkte haben. Zuletzt hatten sich im Zuge der Diskussion um die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlages unter anderem die Parteichefinnen von Grünen und SPD, Ricarda Lang und Saskia Esken, gegen einen entsprechenden Schritt ausgesprochen.

Mit Blick auf Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), der die gesamte Debatte erst mit seiner Idee für ein Sondervermögen Wirtschaft, das auch für Steuererleichterungen genutzt werden könne, angeschoben hatte, sagt Steuerzahlerbund-Präsident Holznagel:

"Deutschland ist nicht nur ein Hochsteuerland, sondern hat auch ein sehr komplexes Steuersystem, das für immer mehr Bürger und Betriebe zum Problem wird. Es wird Zeit, diese Situation zu verbessern!" Zum derzeit viel diskutierten Soli ergänzte Holznagel: "Wenn der Bundeswirtschaftsminister zu Recht eine steuerliche Erleichterung für Unternehmen anmahnt, dann sollte die Regierung mit der Soli-Abschaffung sofort beginnen. Davon würden auch viele kleine und mittlere Betriebe profitieren."

Verwendete Quellen
  • Bund der Steuerzahler: "77 Vorschläge zur Vereinfachung des Steuerrechts"
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