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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Gleichstellung im Arbeitsmarkt "Viele Unternehmen tun nicht mehr, als sie müssen"
Die gesetzliche Vorgabe für "Quotenfrauen" in Unternehmen zeigt Wirkung, aber: Die Betriebe machen in Sachen Gleichstellung nur das, was sie machen müssen. Eine Studie des DIW zeigt, warum das ein Problem ist.
Der Frauenanteil in deutschen Vorständen ist etwas angestiegen. Meistens bleibt es aber bei einer gesetzlich vorgeschriebenen Quotenfrau im Vorstand. Das zeigt das Managerinnen-Barometer des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), die größte Auswertung zur Repräsentation von Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten. Dabei hätte es für Unternehmen Vorteile, wenn sie mehr Frauen in die Vorstände oder andere Führungspositionen beriefen, so die DIW-Forscher.
Der Frauenanteil in Vorständen in der Privatwirtschaft ist im vergangenen Jahr etwas angestiegen: Im Spätherbst 2023 betrug er in den Top 200, den 200 umsatzstärksten Unternehmen Deutschlands, rund 18 Prozent. Das sind zwei Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. In den 40 Dax-Unternehmen liegt der Anteil mit 23 Prozent sogar etwas höher. Laut DIW-Managerinnen-Barometer haben zwar immer mehr Firmen eine Frau in ihrem Vorstand, allerdings bleibt es meist erst einmal dabei. In den Vorsitz schaffen es nur die wenigsten. Bei den Dax-Unternehmen hat nur Merck mit Belén Garijo eine Frau im Chefinnensessel.
Insgesamt schauten sich die Forschenden für das Managerinnen-Barometer 500 Unternehmen an. Darunter die Top 200, Dax-notierte Unternehmen, Banken, Versicherungen und Unternehmen, an denen der Bund beteiligt ist.
"Frauen weiter klar unterrepräsentiert"
Die Zahlen steigen zwar an, aber das ist für die Ökonomin Virginia Sondergeld nicht genug. "Unter dem Strich sind Frauen weiter klar unterrepräsentiert", sagt sie bei der Vorstellung der Studie. In keinem Aufsichtsrat übersteigt der Frauenanteil der untersuchten Unternehmen die 40-Prozent-Marke. Von einer paritätischen Verteilung sind die Firmen also noch weit entfernt. Katharina Wrohlich, Leiterin der Forschungsgruppe, sagt: "Mit Blick auf die Vorstandsebene zeigt sich aber auch: Viele Unternehmen tun offenbar nicht viel mehr, als sie müssen."
Bei einer Frau im Vorstand oder Aufsichtsrat ist meist Schluss. In fast 85 Prozent der Unternehmen gibt es höchstens eine Frau im Vorstand, wie die Studie herausgefunden hat. Anja Kirsch, Mitautorin der Studie, warnt: "Die Gefahr dabei ist, dass sich schleichend die Zielgröße von einer Frau im Vorstand als neue soziale Norm etabliert."
Welche Positionen die Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten bekleiden, haben die Forschenden nicht erhoben. Eine frühere Studie des DIW zeigte aber, dass die Stellen, die Frauen mit der Einführung der gesetzlichen Quote bekommen haben, neu geschaffen wurden. Selten sei es die Position der Vorstandsvorsitzenden gewesen.
Weibliche Führungskräfte als Schlüsselfiguren
Dabei stellte die Studie aber fest, dass Frauen in Führungspositionen die Gleichstellung der Geschlechter deutlich fördern können. "Das Thema wird dann mit mehr Ernsthaftigkeit umgesetzt", sagt Studienleiterin Wrohlich. Mit Frauen auf der ersten und zweiten Führungsebene eines Betriebs sinkt der Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern – der Gender Pay Gap, so die Studie. Besonders groß sei der Effekt, wenn mehr Frauen auf die zweite Führungsebene kommen. Auf der obersten Führungsebene brauche es allerdings mindestens ein Drittel Frauen, bis sich ein vergleichbarer Effekt feststellen lasse.
"Wenn man bedenkt, dass nach wie vor fast drei Viertel aller Beschäftigten in Deutschland in Betrieben ohne Frauen auf der obersten Führungsebene arbeiten, lässt sich erahnen, wie viel Potenzial für einen deutlich geringeren Gender Pay Gap hier noch brachliegt", sagt Sondergeld.
In erster Linie seien darum laut den Forscherinnen die Unternehmen gefordert, vor allem die Aufsichtsräte. Diese können vom Vorstand verlangen, die Frauen besser zu fördern. Sie haben aber auch die Möglichkeit, von beauftragten Personalberatungsunternehmen zu verlangen, speziell nach Frauen zu suchen.
Laut Wrohlich komme es jedoch am Ende darauf an, dass sich alle an diesem Prozess beteiligten. "Von Investorinnen und Investoren bis zur breiteren Öffentlichkeit sollte sich niemand mit einem Mindestmaß an Geschlechtervielfalt zufriedengeben, sondern eine tatsächlich gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen einfordern."
- DIW Managerinnen-Barometer 2023
- Pressegespräch mit den DIW-Forscherinnen am 16. Januar 2024