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Bauernproteste: Cem Özdemir schlägt Tierwohlabgabe vor – Problem gelöst?


Interview
Was ist ein Pro & Kontra?

Die subjektive Sicht zweier Autoren auf ein Thema. Niemand muss diese Meinungen übernehmen, aber sie können zum Nachdenken anregen.

Debatte um Tierwohlabgabe
"Ein schlauer Schachzug"


17.01.2024Lesedauer: 1 Min.
imago images 0301610641Vergrößern des Bildes
Schweine in einem Stall (Symbolbild): Die meisten Menschen wollen bessere Haltungsbedingungen für Tiere. (Quelle: Countrypixel/imago-images-bilder)

Wegen der Bauernproteste diskutiert die Ampel jetzt über eine Tierwohlabgabe. Wie diese genau aussehen soll, ist unklar, aber sie soll die Fleischpreise erhöhen. Ein richtiger Schritt?

Tausende Landwirtinnen und Landwirte haben am Montag in Berlin erneut gegen das Ende der Subventionen für Agrardiesel demonstriert. Während die Regierung ihnen in dieser Hinsicht nicht weiter entgegenkommen will, überlegt sie, die Bauern an anderer Stelle zu entlasten. Und zwar mit einer "Tierwohlabgabe": Die Verbraucherinnen und Verbraucher würden in diesem Fall mehr für ihr Fleisch und Fleischprodukte zahlen. Dieses Geld soll dann wiederum an Bäuerinnen und Bauern verteilt werden, um sie beim tiergerechten Umbau der Ställe zu unterstützen. Mehr zu dem Vorschlag lesen Sie hier.

Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) hat für eine solche Abgabe geworben. Der "Süddeutschen Zeitung" sagte er: "Schon wenige Cent mehr pro Kilo Fleisch würden bedeuten, dass unsere Landwirte Tiere, Klima und Natur besser schützen können – so, wie es doch alle verlangen."

Sollte die Tierwohlabgabe eingeführt werden?

Pro
Frederike HolewikWirtschaftsredakteurin

"Ja, denn das schlechte Gewissen isst immer noch mit"

Die Akzeptanz für eine Tierwohlabgabe in der Bevölkerung ist groß. Schon vor Jahren sprachen sich in einer Umfrage der Umweltorganisation Greenpeace 85 Prozent dafür aus, erst in dieser Woche forderte ein vom Bundestag eingesetzter Bürgerrat erneut eine solche Maßnahme (was es mit dem Bürgerrat auf sich hat, lesen Sie hier). Das leuchtet ein, denn bei vielen Menschen sitzt das schlechte Gewissen mit am Tisch, wenn sie Fleisch essen, denn sie wissen von den grausamen Bedingungen der Massentierhaltung. Doch im Supermarkt setzt sich dann meist wieder das Preisbewusstsein durch. So kommt es, dass trotz aller guten Vorsätze der Anteil von Biofleisch weiterhin gerade einmal bei knapp vier Prozent liegt. Bei jedem Kauf gezwungenermaßen einen Beitrag für die Verbesserung der Haltungsbedingungen zu leisten, könnte insofern helfen und hätte dabei einen hohen Rückhalt in der Bevölkerung.

Auch die meisten Bauern begrüßen eine Tierwohlabgabe. Erst vor wenigen Tagen haben sie ihrem Unmut über die vielen Belastungen ihrer Branche in bundesweiten Protesten kundgetan.

Die Bauern stehen unter enormem Anpassungsdruck: Ihre Höfe sollen nachhaltiger werden, weniger CO2 ausstoßen, bessere Bedingungen für Zuchttiere bieten. Viele sind dazu bereit, doch die Kosten für die nötigen Anpassungen übersteigen ihre Möglichkeiten und werden als unfair wahrgenommen. Doch Subventionen mit der Gießkanne zu verteilen, darf nicht die Antwort sein. Eine zweckgebundene Abgabe für Tierwohl könnte allerdings an den entscheidenden Stellen unsere Landwirtschaft zukunftssicherer machen. Dass Landwirtschaftsminister Cem Özdemir nun die Tierwohlabgabe in die Diskussion einbringt, ist ein schlauer Schachzug. Er verbindet damit Forderungen seiner Partei nach mehr Tierschutz mit einer möglichen finanziellen Förderung für die Bauern.

Denn ein weiteres Druckmittel für den zügigen Umbau der Ställe kommt bereits aus dem Handel: Aldi, Lidl und Rewe haben angekündigt, ab 2030 nur noch Frischfleisch und Trinkmilch verkaufen, die bessere Bedingungen in der Haltung garantieren. Die Zeit drängt.

Kontra
Laura MielkeWirtschaftsredakteurin

Nein, das rettet weder die Bauern noch die Tiere.

Teureres Fleisch, um die Landwirtinnen und Landwirte bei mehr Tierschutz zu unterstützen: Das klingt erst einmal nach etwas, das Tierfreunde gutheißen würden. Die vorgeschlagene "Tierwohlabgabe" ist aber nur eine Beruhigungspille für die Bauern, die nicht hält, was sie verspricht. Der Plan: Fleisch soll maximal 40 Cent mehr pro Kilo kosten, das Geld dann reinvestiert werden, damit Tierhalter etwaige Tierschutzauflagen erfüllen können. Das Risiko: Ausbaden müssen es entweder die inflationsgebeutelten Verbraucherinnen und Verbraucher, die noch mal mehr für ihre Lebensmittel zahlen müssen. Oder aber die Bauern selbst, wenn sie wegen der Abgabe aus Wettbewerbsgründen an anderer Stelle sparen müssen.

Eine weitere Sorge ist, dass die Einnahmen nicht zusätzlich, sondern statt einer anderen staatlichen Förderung an die Höfe gehen. Damit würde die Regierung im Sinne des harten Sparkurses des Finanzministers allein Haushaltslöcher stopfen, statt tatsächlich etwas für den Tierschutz und die Bauern zu tun. Und sollte genau das das Ziel sein, könnte sie einfach die Subventionierung tierischer Lebensmittel streichen und die Mehrwertsteuer von sieben auf 19 Prozent anheben. Damit kommen jährlich rund 5,4 Milliarden Euro mehr in die Kasse. Wieder zur Belastung der Verbraucherinnen und Verbraucher.

Der Staat darf die Landwirtinnen und Landwirte mit der Aufgabe des Tierschutzes und des Klimaschutzes nicht allein lassen. Die Stimmung ist bereits am Überkochen, die Wut auf der Straße groß. Und die Subventionierung des Agrardiesels ist nicht der einzige Grund, warum sie so heftig demonstrieren. Um die Landwirtschaft zukunftsgerecht umzubauen, braucht es mehr Investitionen des Staates und keine halbgaren, verstaubten Vorschläge, die am Ende vielleicht gar nicht dort ankommen, wo sie so dringend benötigt werden.

 
 
 
 
 
 
 

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Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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