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Bäckermeisterin über Druck und Leistung: "Musste mehr leisten als die Männer"


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Bäckermeisterin über Druck im Beruf
"Manche Lehrlinge sind heute zu dünnhäutig"


Aktualisiert am 24.12.2023Lesedauer: 4 Min.
Bäckermeisterin Christa Lutum: "Man muss Kindern zeigen, dass sie etwas leisten müssen."Vergrößern des Bildes
Bäckermeisterin Christa Lutum: "Man muss Kindern zeigen, dass sie etwas leisten müssen." (Quelle: Yannick von Eisenhart-Rothe/Montage t-online)
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Sie arbeitet seit 46 Jahren im Bäckerhandwerk, begann als Lehrling, heute ist Christa Lutum selbstständig. Ihren schweren Karriereweg seien heute nicht mehr viele bereit zu gehen, sagt sie.

Die Wirtschaft stagniert. Schuld daran sei auch, dass Deutschland sich vom Leistungsgedanken verabschiedet, kritisieren Politiker und Unternehmer. Stimmt das? Wie denken die Menschen im Land darüber? Und was verstehen wir eigentlich unter Leistung? t-online geht diesen Fragen in einer Serie nach, lässt dazu bekannte und unbekannte Menschen zu Wort kommen. In dieser Folge:

Christa Lutum, 61, Bäckermeisterin aus Berlin

"Leistung hat für mich viel mit Effizienz zu tun. Wir müssen eine gewisse Leistung in einer gewissen Zeit erbringen, weil sich das direkt auf den Preis unserer Produkte niederschlägt. Ich kann mich nicht hinstellen und mich darin verwirklichen, stundenlang ein wunderschönes Brot zu backen. Das kann kein Mensch bezahlen.

Ich komme aus einer Handwerker-Familie. Meine Mutter hat es damals leider verhindert, dass ich aufs Gymnasium ging. Das war Anfang der 1970er, da war der Werdegang für Mädchen vorgezeichnet.

Direkt nach der Hauptschule habe ich meine Bäckerlehre begonnen, mit 15. Meine Lehre war die absolute Hölle. Es herrschte ein rauer Ton mit strengen Hierarchien. Ich Chef, du nichts. 50-Kilo-Säcke Zucker sollte ich schleppen. Aber Abbrechen war damals keine Option, das hat man einfach nicht gemacht. Heute ist das sehr anders. Fast ein Viertel der Bäcker-Auszubildenden schmeißen hin. Ich sehe das differenziert.

Bäckermeisterin Christa Lutum
Bäckermeisterin Christa Lutum (Quelle: Yannick von Eisenhart Rothe)

Zur Person

Christa Lutum ist 61 Jahre alt und im Münsterland aufgewachsen. Nach ihrer Bäckerlehre arbeitete sie zunächst in anderen Jobs, fand aber zum Bäckerhandwerk zurück. Anfang der 1980er-Jahre zog sie nach Berlin, um sich dort dem Bio-Backhandwerk zu widmen. 1984 wurde sie als Teil eines Kollektivs Mitinhaberin einer Bio-Bäckerei. Heute betreibt sie die "SoLuna"-Bäckerei in Berlin-Kreuzberg.

Es ist ein großes Glück, dass das Autoritäre, mit dem ich aufgewachsen bin, vorbei ist. Aber ich glaube auch, dass manche Lehrlinge heutzutage zu dünnhäutig sind. Es läuft nicht immer alles glatt und man gerät mal aneinander. Man muss auch mal in schlechten Zeiten etwas durchziehen. Wir wachsen an Kompromissen.

Trotz der schlimmen Ausbildung verspüre ich den größten Leistungsdruck meines Lebens, seit ich selbstständig bin. Alle anderen können gehen, wenn ihre Arbeitszeit abgeleistet ist. Wer nicht fertig ist, ist nicht fertig. Aber ich muss bleiben, bis alles fertig ist.

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Zudem verspüre ich besonderen Leistungsdruck als Frau in einem Männerberuf. Ich musste immer mehr leisten als die Männer, um das Gleiche zu erreichen. Das ist bis heute so, und das geht allen Frauen so, ob im Handwerk oder in akademischen Berufen.

Ich habe das Gefühl, dass sich daran auch überhaupt nichts verändert. Die Strukturen werden immer fester. Wenn Frauen nicht davon überzeugt sind, dass sie einen Job zu 100 Prozent machen können, dann bewerben sie sich nicht einmal. Weil sie genau wissen, dass es ihnen um die Ohren gehauen wird, wenn sie einen Fehler machen. Männer sind da selbstbewusster. Ihnen wird gleich mehr zugetraut, weil sie Männer sind.


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Mir war es immer egal, ob ich als Zicke oder Emanze bezeichnet werde.


Christa Lutum


Ich glaube, dass ich mich aus mehreren Gründen trotzdem durchsetzen konnte. Erstens habe ich als Kind immer mit Jungs gespielt und kenne die Spielregeln. Mir war immer klar, dass mir die Hälfte gehört. Mir war es immer egal, ob ich als Zicke oder Emanze bezeichnet werde. Zweitens hatte ich einen Partner, der damit kein Problem hatte, dass ich erfolgreich bin. Er musste sich von vermeintlichen Freunden dann anhören, wie es ihm denn geht mit einer erfolgreichen Frau. Das ist doch ein Unding.

Bäckereien in der Krise

Die Zahl der Bäckerhandwerksbetriebe nimmt stetig ab. 2015 waren es laut dem Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks noch 12.155 Betriebe, 2022 nur noch 9.607. Die Konkurrenz durch Supermärkte und zuletzt auch die gestiegenen Rohstoff- und Energiekosten machen den Bäckereien zu schaffen. Hinzu kommt das Nachwuchsproblem: 2015 gab es in den Bäckereibetrieben noch 18.811 Auszubildende, 2022 nur noch 10.846. Immer weniger Azubis beenden zudem ihre Ausbildung: 2022 wurden 23,2 Prozent der Ausbildungsverträge vorzeitig aufgelöst.

Wir haben unseren Töchtern früh vermittelt, was Leistung bedeutet und was sie wert ist. Ab 14 oder 15 haben sie in der Bäckerei geholfen. Wenn sie Geld brauchten, aber auch, wenn ich Aushilfen brauchte. Und wir haben immer Tarifverhandlungen geführt. Sie mussten für sich aushandeln, was sie bekommen. Mir war es wichtig ihnen zu vermitteln, dass sie keine Almosen bekommen, sondern dass wir Vertragspartner sind. Sie erbringen eine Leistung und werden dafür entlohnt. Das hat gut funktioniert. Man muss Kindern zeigen, dass sie selbstbewusst sein können, aber auch etwas leisten müssen. Arbeitgeber zahlen dir nichts, weil du ein nettes Gesicht machst.


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Junge Leute haben heute einen anderen Bezug zu Arbeit. Und ich muss zugeben, dass mir es manchmal schwerfällt, das nachzuvollziehen.


Christa Lutum


Manche Eltern vernachlässigen das offenbar. Ich hatte früher manchmal Lehrlinge, die wahnsinnig unselbstständig waren, bei denen man bei Adam und Eva anfangen musste. Mittlerweile mache ich das nicht mehr mit und nehme nur noch ältere Lehrlinge. Ich möchte, dass wir uns hier auf das Fachliche konzentrieren können.

Junge Leute haben heute einen anderen Bezug zu Arbeit. Und ich muss zugeben, dass mir es manchmal schwerfällt, das nachzuvollziehen. Dass manche nur noch arbeiten wollen, wenn sie gerade Bock darauf haben. Oder dass ich als Vorgesetzte fünfmal am Tag loben soll, sonst geht die Leistungskurve runter. Ich lobe, wenn etwas wirklich gut war, nicht wenn jemand pünktlich zur Arbeit kommt. Andererseits haben unserer Eltern früher auch gesagt, dass wir faul und renitent sind. Vielleicht denkt man das im Alter ein bisschen.

Mit der Bäckerei-Branche wird es immer weitergehen, sie wird sich eben verändern. Aber das ist dann irgendwann nicht mehr mein Problem."

Verwendete Quellen
  • Persönliches Gespräch mit Christa Lutum
  • baeckerhandwerk.de: Zahlen und Fakten des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks
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