Kunden verärgert Energieversorger schludern bei Kündigungen
Wer seinen Strom- oder Gasanbieter wechseln will, benötigt dafür die Kündigungsbestätigung des alten Versorgers. Doch die lässt oft auf sich warten.
Erhöht ein Energieversorger die Preise, können Kunden außer der Reihe kündigen – und das tun sie offenbar auch immer häufiger. Wie der Kündigungsservice Volders mitteilt, seien die Vertragsauflösungen von Strom- und Gastarifen über das Unternehmen im vergangenen Jahr um 36 Prozent gestiegen. Ein Ärgernis dabei: Die Anbieter lassen ihre ehemaligen Kunden auf die Kündigungsbestätigung warten.
Mehr als jeder zehnte Wechselwillige gab demnach an, die Nachricht vom Energieversorger erst auf ausdrückliche Nachfrage vom Energieanbieter erhalten zu haben. Das ist der Höchstwert aller Vertragskategorien bei Volders. Eigentlich müssen Energielieferanten ihren Haushaltskunden außerhalb der Grundversorgung die Kündigung innerhalb von einer Woche bestätigen, ohne dazu aufgefordert zu werden.
Solche Bestätigungen sind wichtig, da Verbraucher erst dann einen neuen Energieversorger wählen können, wenn das Schreiben ihres alten Lieferanten vorliegt. Und die Wechsel waren im vergangenen Jahr auffallend häufig.
Kündigungen wegen Preiserhöhungen nehmen zu
Da die Kosten bei vielen Versorgern explodierten, verzeichnete Volders 2022 einen starken Kündigungsanstieg von 33 Prozent bei Stromverträgen im Vergleich zum Vorjahr, bei Gasverträgen waren es sogar plus 49 Prozent. Damit verstärkt sich die Entwicklung aus dem Vorjahr: Schon von 2020 auf 2021 stieg die Zahl der Kündigungen in der Kategorie Strom um 19 Prozent, in der Kategorie Gas um 21 Prozent.
Jede vierte Kündigung eines Stromvertrags erfolgt inzwischen aufgrund einer Preiserhöhung. 2021 traf das nur auf knapp jede fünfte Kündigung zu. Beim Gas wurden Preisanpassungen sogar zum häufigsten Grund für Kündigungen: Ein Drittel war darauf zurückzuführen, im Jahr zuvor lag der Anteil noch bei einem Viertel.
"Gutes Stimmungsbarometer"
"Wenn Unternehmen ihre Preise mehr als verdoppeln, reagieren viele Betroffene darauf mit einer Kündigung", beobachtet Jan Hendrik Ansink, Gründer und Geschäftsführer von Volders. Das Kündigungsniveau pendelt sich dann bis zum Inkrafttreten der Preiserhöhung auf hohem Niveau ein. "Unsere Zahlen sind dafür ein gutes Stimmungsbarometer, das regelmäßig ausschlägt."
Wichtigster Kündigungsgrund bei Strom- und Gasverträgen bleibt allerdings ein Umzug. Bei Strom gaben 31 Prozent der Verbraucher an, den Vertrag deswegen aufzulösen (2021: 46 Prozent), bei Gas 23 Prozent (2021: 37 Prozent). Ebenfalls entscheidend für das Ende von Verträgen waren schlechter Kundenservice sowie finanzielle Gründe.
Drei Energieanbieter sind besonders vom Kündigungstrend betroffen: Mivolta (plus 324 Prozent im Vergleich zum Vorjahr), Voxenergie (plus 227 Prozent) und Primastrom (plus 201 Prozent). Letzterer steht bei Verbraucherschützern in der Kritik, weil der Versorger die Preise sehr kurzfristig angehoben hatte. Zum Vergleich: Bei den Energieriesen Vattenfall und Eon stiegen die Kündigungszahlen laut Volders deutlich langsamer (2022: plus 7 und 28 Prozent).
Sonderkündigungsrecht nutzen
"Nicht jede Preiserhöhung muss man sich gefallen lassen", erklärt Kündigungsexperte Jan Hendrik Ansink: "Die Lieferanten sind gesetzlich verpflichtet, über die steigenden Preise zu informieren und auf das Sonderkündigungsrecht hinzuweisen – sonst ist die Preiserhöhung unwirksam." Das gelte für Strom und Gas.
"Bei rechtmäßigen Preiserhöhungen können Betroffene von ihrem Sonderkündigungsrecht Gebrauch machen", rät Jan Hendrik Ansink. Grundversorgungstarife ließen sich sogar jederzeit mit einer Frist von zwei Wochen beenden, auch ohne vorausgegangene Preiserhöhung. "Ein anschließender Anbieterwechsel kann sich lohnen, denn die Neukundenpreise für Strom und Gas sinken wieder."
Zur Methode
Volders hat für die Untersuchung über 100.000 Kündigungen von Strom- und Gasverträgen ausgewertet, die zwischen dem 1. Januar 2018 und dem 31. Dezember 2022 über den Kündigungsservice versendet wurden. Außerdem wurden die Kündigungsgründe (Mehrfachnennungen möglich) sowie die Antwortzeiten der Anbieter analysiert, die Nutzer im Zuge ihrer Kündigung angegeben hatten.
- Auswertung des Kündigungsservice Volders