"Mit der Gießkanne unterwegs" Das kritisieren Ökonomen am Entlastungspaket
Viel Geld nimmt die Ampelkoalition in die Hand. Dafür gibt es Lob von Ökonomen, doch viele Aspekte des Entlastungspakets seien nicht konkret genug.
Es war eine lange Verhandlungsnacht, an deren Ende die Ampelparteien ein 65 Milliarden Euro schweres Entlastungspaket für die Verbraucher präsentierten. Damit stellt die Ampel mehr Geld zur Verfügung als bei den beiden vorangegangenen Entlastungspaketen. Mit einer Vielzahl an Maßnahmen will die Bundesregierung die Folgen der Energiekrise und der steigenden Inflation abschwächen.
Doch reicht das aus? "Das dritte Entlastungspaket enthält gute Elemente, ist aber unausgegoren, verteilt Gelder zu sehr per Gießkannenprinzip und ignoriert den Klimaschutz", kritisiert etwa Marcel Fratzscher, Leiter des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW).
Auch der Chef des Ifo-Instituts, Clemens Fuest, bemängelt das Entlastungspaket als zu wenig zielgenau. Positiv sei zwar, dass die Bundesregierung sich "erkennbar bemüht, Preise und damit Anreize für das Energiesparen wirken zu lassen", sagte der Ökonom der "Bild"-Zeitung. Allerdings sei die Koalition hier "teils mit der Gießkanne unterwegs".
Paket verhindert drastischen Rückgang beim Konsum
Von der Entlastung bei den Strompreisen profitierten etwa auch Haushalte mit höherem Einkommen, die die höheren Strompreise auch selbst tragen könnten.
Es gibt aber auch Lob für die Pläne der Bundesregierung. "Diese Maßnahmen stützen die Kaufkraft und dürften damit in den kommenden Monaten helfen, einen drastischen Rückgang der Konsumnachfrage zu vermeiden", sagt Sebastian Dullien, Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK).
Auch die Höhe des Pakets sei nicht zu ausufernd. "Das von der Bundesregierung angekündigte Entlastungsvolumen von 65 Milliarden Euro ist im Prinzip ökonomisch angemessen", sagt der Ökonom.
Hilfen fangen wirtschaftlichen Schock teils auf
Denn das Paket könnte den Schock, den die deutsche Volkswirtschaft absehbar 2023 durch gestiegene Importpreise für fossile Energieträger erleben werde, abmildern. Dullien erwartet, dass die deutsche Wirtschaft ab dem kommenden Jahr etwas mehr als 200 Milliarden Euro durch gestiegene Preise schultern muss.
"Ein Nachfrageimpuls von 65 Milliarden Euro könnte im Prinzip ein Drittel dieses Schocks abfedern und damit eine nun drohende Rezession zumindest deutlich mildern oder möglicherweise auch verhindern", sagt der IMK-Direktor.
Dullien kritisiert aber auch, dass es noch keine konkreten Pläne für die Entlastung der Millionen an Menschen gibt, die im Winter ihre Wohnungen mit Gas heizen müssen. Er begrüßt zwar, dass die Regierung einen Prüfauftrag für eine Preisobergrenze für einen Grundverbrauch in das Papier aufgenommen hat – weitere Schritte fehlen aber.
Ökonomen fordern Preisdeckel auch beim Gas
Achim Wambach, Präsident des Europäischen Zentrums für Wirtschaftsforschung (ZEW), fordert daher beim Gas ein ähnliches Modell, wie die Ampelkoalition es beim Stromverbrauch vorgelegt hat.
"Wie lange aus der Wissenschaft empfohlen, soll den Haushalten und kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) für den Stromverbrauch eine Basismenge zu vergünstigtem Preis gutgeschrieben werden. Darüber hinaus verbrauchte Mengen werden zum aktuellen Strompreis in Rechnung gestellt", lobt er den Vorstoß der Regierung.
"Damit bleiben Anreize zum Stromsparen erhalten. Ein ähnliches Modell bietet sich auch für den Gasverbrauch an", so der ZEW-Präsident am Sonntag. Er betont allerdings, dass dies nicht darin enden dürfte, dass die Strom- und Gaspreise zu günstig für Verbraucher werden. In diesem Fall würde die Nachfrage und damit auch der Preis, den die Regierung subventionieren müsste, steigen.
Strompreisbremse komme erst in Monaten – oder Jahren
"Das Einsparen von Gas und Strom sollte Priorität haben. Die Maßnahmen zur Reduktion der Strom- und Gaspreise sollten daher nur zurückhaltend eingesetzt werden", sagt Wambach.
Fratzscher kritisiert zudem, dass viele Aspekte bei der Stromentlastung noch nicht konkret geplant seien. "Die Strompreisbremse wird erst in vielen Monaten, wenn überhaupt, umgesetzt werden können", sagt der DIW-Chef.
Vor allem die Finanzierung kritisiert Fratzscher. "Die Ampel koppelt die Strompreisbremse an die Abschöpfung der Übergewinne, ohne einen Plan vorzulegen, wie dies geschehen soll. Wenn diese Reform mit der üblichen Geschwindigkeit vonstattengeht, dann werden wir das Instrument erst in vielen Jahren haben", schreibt Fratzscher auf dem Kurznachrichtendienst Twitter.
Alle Ökonomen begrüßen dagegen die Entlastungen für Rentner, Studenten und Wohngeldempfänger. "Richtig und gut ist etwa, dass Rentnerinnen und Rentner ebenso wie Studierende Einmal-Zahlungen erhalten sollen", sagt etwas IMK-Direktor Sebastian Dullien am Sonntag.
- Mit Material der Nachrichtenagenturen Reuters und AFP